Vom olympischen Glanz ist in Rio de Janeiro nicht viel geblieben – das Maracana-Stadion zerfällt aufgrund eines Streits, wer die Kosten für die Schäden an der Arena tragen soll.Vom olympischen Glanzist in Rio de Janeiro nicht viel geblieben – das Maracana-Stadion zerfällt aufgrund eines Streits, wer die Kosten für die Schäden an der Arena tragen soll.Foto:AP Foto: AP

Gut sechs Monate sind die Olympischen Sommerspiele 2016 her. Rio de Janeiro ächzt heute unter der Last des Großereignisses. Weil ein Kontrollsystem fehlte, leidet die Stadt nun unter den Folgen massiver Korruption. Aber nicht alles ist schlecht.

Rio de Janeiro - Grauer Boden statt sattgrünes Gras: Herausgerissene Sitzschalen und gestohlene Fernseher. Trostlose Bilder des Maracana-Stadions, der Kultarena in Rio de Janeiro, gingen vor ein paar Tagen um die Welt. Der Fußball-Tempel am Zuckerhut verfällt, war deren düstere Botschaft. Dort, wo vor ein paar Monaten noch bei den rauschenden Eröffnungs- und Schlussfeiern der Olympischen Spiele gejubelt wurde, stirbt eine Stadionlegende den langsamen Tod. Keine Zuschauer, kein Fußball, keine Einnahmen.

Doch die spektakulären Bilder sind nur die halbe Wahrheit. Denn schon am Mittwoch soll in dem Stadion, in dem Deutschland im Juli 2014 Weltmeister wurde, erstmals wieder eine rauschende Fußballparty steigen. Dann erwartet Rios Kultclub Flamengo, der die meisten Fans in der Olympiastadt und im Land stellt, den argentinischen Traditionsverein San Lorenzo zum ersten Spieltag der südamerikanischen Champions League, der Copa Libertadores. Weniger zuversichtlich ist Flamengo-Präsident Eduardo Bandeira de Mello was das Lokalderby gegen Fluminense drei Tage zuvor angeht: „Es ist besser, keine Hoffnungen zu schüren, die man nicht erfüllen kann. Im Moment arbeiten wir hart daran, dass es mit Mittwoch klappt.“

Seriosität des Managements entscheidend

Nach Lage der Dinge wird der Klassiker im Stadion Engenhão ausgetragen, Schauplatz der olympischen Leichtathletik-Wettbewerbe und künftig Heimstätte des Erstligaclubs Botafogo. Der hatte nach den Spielen rund 220 000 Euro in neue Sitzschalen investiert, allesamt in den Clubfarben. Die Fans konnten sich ihre Namen eingravieren lassen. Die Aktion deckte die Hälfte der Kosten, weil 8000 Fans mitmachten. Das Beispiel zeigt: die kostendeckende Nutzung hängt vor allem von der Seriosität des Managements ab.

Die Flamengo-Partie am Mittwoch wird somit das erste Spiel im neuen Jahr im altehrwürdigen Rund. Das liegt allerdings nicht nur an den Sachbeschädigungen im Stadion, sondern auch am brasilianischen Fußballkalender. Vandalismus gab es in Rio de Janeiro auch schon vor WM und Olympia. Dies den großen Sportverbänden anzulasten, ist schlichtweg unfair. Obendrein ruht zurzeit die nationale brasilianische Meisterschaft. Gespielt wird augenblicklich nur in der vergleichsweise kleinen Bundesstaatsmeisterschaft.

Sergio Cabral soll 60 Millionen Euro Schmiergeld kassiert haben

Mit rund sechs Millionen Euro sind die Kosten für die Instandsetzungsarbeiten angesichts der knappen Kassen allerdings happig, sie gefährden aber nicht den Fortbestand des Stadions. Wie das Maracana nach der Weltmeisterschaft und den Olympischen Spielen weiterbestehen wird, hängt vor allem vom lokalen Management ab. Schuld am optischen Maracana-Desaster trägt vor allem der brasilianische Bauherr Odebrecht, der in einen gigantischen Korruptionsskandal rund um die Bauarbeiten bei WM und Olympia verwickelt ist.

Rund 350 Millionen Euro zahlte das Unternehmen dem Vernehmen nach an brasilianische Politiker und Behördenvertreter, um lukrative Aufträge rund um WM und Olympia zu bekommen. Allein der Ex-Gouverneur des Bundesstaates Rio de Janeiro, Sergio Cabral, soll während seiner Amtszeit (2007 bis 2014) rund 60 Millionen Euro an Schmiergeldern kassiert haben. Weil die Staatsanwaltschaft neue Odebrecht-Skandale am laufenden Band aufdeckt, implodiert das Bauimperium – und die kriminellen Machenschaften der skrupellosen Manager belasten auch die nacholympische Übergabe des Stadions an neue Betreiber. Zwischen Odebrecht und dem Olympia-Organisationskomitee ist zudem ein Streit entbrannt, wer für die Kosten für die Schäden der aufwendigen Dachkonstruktion aufkommen soll, die durch die spektakulären Feuerwerke während der Olympia-Feierlichkeiten entstanden sind.

Verweiste Sportstätten wohin das Auge blickt

Das Maracana-Stadion ist allerdings nicht die einzige Arena der Olympischen Spiele, die rein optisch derzeit keinen guten Eindruck abgibt. Besonders die Schwimmhalle mit ihrem entkernten Pool wirkt wie eine Geisterarena, die dem Verfall geweiht ist. Dort wo einst das Schwimmbecken war, klafft nun ein hässliches braunes Loch. Doch genauso ist es auch geplant, heißt es beim IOC auf Anfrage. Denn die Halle soll laut Plan komplett rückgebaut werden, der Pool wurde bereits herausgebaut, weil er an anderer Stelle neu verwendet werden soll. Am Ende wird von der Schwimmhalle nichts übrig bleiben.

Bauarbeiten verlaufen schleppend

Und auch der Olympiapark in Barra da Tijuca sieht momentan alles andere als einladend aus. „In London war der Olympiapark ein Jahr lang komplett geschlossen. Die Umrüstung des Stadions dauerte sogar noch viel länger“, sagt IOC-Sprecher Christian Klaue. „Um einen Olympiapark vom Olympia-Modus in den Nachnutzungsmodus zu überführen, braucht man Zeit.“ Im Velodrom haben inzwischen Mitarbeiter des Sportministeriums ihre Büros, um den Park zu managen, der in Teilen wieder eröffnet ist und erste Sportveranstaltungen beherbergt hat. Andere Hallen sollen zu Schulen umgebaut werden. Die Bauarbeiten verlaufen indes schleppend: „Von Ruinen zu sprechen ist unfair, es handelt sich um Rückbauten“, sagt Klaue.

Der IOC-Vizepräsident John Coates räumte zuvor ein, dass die Bilder von den verwaisten Sportstätten dem Verband angelastet werden. „Ich hoffe, sie können einen Weg finden, dass sie den Menschen die Sportstätten zugänglich machen“, sagte Coates kürzlich und verweist auf die lokalen und nationalen Behörden. Immerhin seien in den Budgetplanungen entsprechende Etats vorgesehen gewesen. Doch ein nachhaltiges Kontrollsystem, das solche nacholympischen Zusagen überwacht und überprüft, gibt es auch hier nicht.

Die Armenviertel merken nichts von den Investitionen

Dafür gibt es an anderer Stelle Lob für Olympia. Die neue Streckenführung vom modernisierten Flughafen ins Stadtzentrum und in den Süden Rios gehören wie die Straßenbahn und die Metro zum nachhaltigen Erbe der Spiele. „Die neue U-Bahn-Strecke ist ein Riesengewinn für die Stadt“, sagt der Stuttgarter Touristenführer Bernhard Weber, der seit Jahren in Rio lebt. „Die Innenstadt hat durch die Straßenbahn an urbaner Lebensqualität gewonnen. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass auch die Armenviertel stärker in die Investitionen eingebunden werden.“ Zumindest diese Investitionen haben Rio in Teilen ein großes Stück vorangebracht.

Korrupte Politiker verspielen Chance

Ein dunkler Schatten wird allerdings für immer auf den Spielen lasten: Das Krebsgeschwür der Korruption, das die Kasse der Stadt und des Bundesstaates Rio de Janeiro geplündert hat und nun zu schmerzhaften Einschnitten auch im sozialen Sektor führt. Die Chance, die Olympia Rio gegeben hat, ist durch korrupte Politiker größtenteils verspielt. Das ist die wohl schmerzhafteste Lehre aus den Spielen von Rio für das IOC: Wer wegschaut, verliert die Kontrolle und irgendwann auch die Glaubwürdigkeit.

Passend dazu wurde am Freitag dies bekannt: Vor der Vergabe der Spiele an Rio zu dubiosen Zahlungen an die Familie des früheren IOC-Mitglieds Lamine Diack gekommen sein. Das berichtet die Tageszeitung „Le Monde“. Drei Tage vor der Wahl des Gastgebers im Jahr 2009 soll ein brasilianischer Geschäftsmann 1,5 Millionen US-Dollar auf das Konto von Papa Massata Diack, Sohn des damaligen IOC-Mitglieds und IAAF-Präsidenten Lamine Diack, gezahlt haben. Ermittler schließen eine Beeinflussung zugunsten Rios nicht aus.