Mit Alina Beck (Skizunft Kornwestheim) und Philip Schaub (MSC Ingersheim) werden zwei BMX-Fahrer aus dem Landkreis Ludwigsburg für die Olympischen Spiele nominiert und testen gerade die Strecke.
Die knapp 400 Meter lange Strecke im Stade BMX de Saint-Quentin-en-Yvelines schlängelt sich wie eine überlebensgroße Carrera-Bahn durchs Gelände im Pariser Vorort. Gleich, in einer halben Stunde geht es dort für Alina Beck wieder auf ihr BMX-Rad. Die 18-Jährige vom Raceteam der Skizunft Kornwestheim steckt mitten im Vorbereitungstraining für ihren ganz großen Moment – vor zwei Tagen hat sie das Olympia-Ticket für Paris bekommen. „Ich bin noch dabei, das alles zu verarbeiten“, sagt Beck, die mit den anderen Startenden noch bis kommenden Freitag Zeit hat, sich an die Eigenheiten der olympischen BMX-Strecke heranzutasten.
„Man braucht viel Geschwindigkeit, um die weiten Sprünge hinzubekommen“, beschreibt sie die Charakteristik des Parcours. BMX, das ist Adrenalin auf zwei Rädern. BMX, das rockt. BMX Race ist seit 2008 olympisch. Die Schülerin, die mit ihrem Trainer und Bruder Aaron in Stuttgart-Wangen lebt, ist schon sehr jung sehr weit gekommen in ihrem Sport und die erste Starterin aus dem Bund Deutscher Radfahrer(BDR), die es aus dem Juniorinnenbereich zu einer Olympia-Nominierung gebracht hat.
„BMX ist ein Teil von mir“
Vom Startgatter aus wird sie sich dann am 1. August hinunter auf die Bahn stürzen, hinein in Steilkurven und jede Menge Hügel. Gut ein Drittel der Strecke wird nicht wirklich gefahren, nur an wenigen Stellen hektisch getreten, ansonsten wird gesprungen oder gleich geflogen. Dafür braucht man neben Speed auch Ellbogen, um sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen, und Mut zur Lücke. Der Kurs kommt ihr entgegen. „Meine Stärken liegen in meiner Technik. Darauf kann ich mich immer verlassen“, sagt Beck. Nur der Start sei noch ausbaufähig.
Seit sie sechs Jahre alt ist, lebt sie für ihren Sport, ist mit 13 Jahren von Garmisch nach Stuttgart gezogen, um am Olympiastützpunkt trainieren zu können. Zum täglichen Programm zählen auch Krafttraining, Sprünge und Ausdauer. „BMX ist ein Teil von mir“, sagt Alina Beck, die auf das Erreichen des Halbfinales hofft. Ihre stärksten Konkurrentinnen kommen aus den Niederlanden und Kolumbien.
Und wie geht sie die Rennen an den beiden Tagen in Paris an, bei denen sie gern schrille Outfits trägt? „Ich höre davor immer Musik, entscheide mich aber spontan, ob Rock oder Techno“, sagt Alina Beck.
Philip Schaub pflegt kurz vor dem Start ein ganz anderes Ritual. „Ich bete und lege quasi Gott das Rennen hin“, sagt der BMX-Fahrer vom MSC Ingersheim. Schaub ist an diesem Nachmittag auch an der Strecke in Paris und hat vom BDR ebenfalls ein Olympia-Ticket bekommen. Der Glaube, aber auch sein enormer Wille haben ihm durch eine schwere Zeit geholfen. Ende vergangenen Jahres musste er sich einer Bandscheiben-OP unterziehen, nicht wissend, ob er rechtzeitig wieder fit wird. Der 26-jährige hat seinem Körper Zeit zum Heilen gegeben, und es hat geklappt. Beim ersten Weltcupstart danach hat er sich selbst überrascht, schaffte im April in Tulsa (USA) einen vierten Platz, war so gut wie nie zuvor. Schon jetzt genießt er die Tage in Paris, freut sich über die überdachte Anlage, die auch bei Regen gute Rennen zulassen wird. Ein bisschen bedauert er, dass die Biker nicht im fast eine Stunde entfernten Olympischen Dorf untergebracht sind. „Aber da werde ich nach unserem Wettbewerb vorbeischauen“, sagt der Student.
Erreichen des Finals nicht ausgeschlossen
Wie immer wird er seine Rennen in Paris gegen sieben Konkurrenten volle Pulle angehen. Mit vollem Risiko im Kampf Mann gegen Mann. Gleichwohl: Klug und gut zu fahren sei sein Ziel, um in meist nur 35 Sekunden das Beste aus sich rauszuholen. Dann winkt das Finale. Einen Ausgleich zu seinem von Adrenalin geprägten Sport findet er beim Klavierspielen, er liebt Franz Liszt. Daneben bestimmt sein Psychologie-Studium das Leben des KfZ-Mechatronikers. „Ich wollte lieber Menschen reparieren als Maschinen“, sagt Schaub über seine Studienwahl. Sein Teamkollege Julian Schmidt aus Ingersheim wurde als Ersatzfahrer nominiert und trainiert aktuell ebenfalls in Paris. „Wir gehen sehr erwachsen mit dieser Situation um“, sagt Schaub.
Regula Runge in der Rolle der Ersatzfahrerin
Bei den Frauen nimmt Regula Runge die Rolle als Back-Up ein. Dabei hat die Fahrerin vom SV Kornwestheim überhaupt erst den Weg für den BDR mit dem Startticket frei gemacht, als sie 2023 bei den Weltmeisterschaften in Glasgow das Halbfinale erreicht und die DOSB-Norm damit erfüllt hatte. Ihr Pech war, dass sie bei der diesjährigen WM wegen einer Handverletzung nicht an den Start gehen konnte und auch sonst wenige Rennen gefahren ist in dieser Saison.
Der Verband entschied sich für ein internes Ausscheidungsrennen, an dem neben Runge und Beck auch Julia Möhser (BMX-Team Cottbus) beteiligt war. Alina Beck setzte sich klar vor Runge durch und wurde jetzt nominiert.
Die 19-fache deutsche Meisterin findet es aber etwas irritierend, dass sie im Gegensatz zu Ersatzfahrer Schmidt diese Woche nicht dabei ist in Paris, um sich für den Fall der Fälle vorbereiten zu können, falls Beck sich verletzen oder aus anderen Gründen ausfallen sollte. Deshalb wird sie nochmals Rücksprache mit dem Verband aufnehmen. „Für Philipp, den ich schon sehr lange kenne, freut es mich, dass er es nach dem Bandscheiben-OP nach Paris geschafft hat“, sagt Runge.