Stargeigerin Vanessa-Mae startet für Thailand im olympischen Riesenslalom. Foto: Getty

Sie kommen als Namenlose, viele gehen als Lieblinge des Publikums: Die Exoten bereichern die Olympische Spiele. Stargeigerin Vanessa-Mae ist eine von ihnen – und doch ein besonderer Fall.

Sie kommen als Namenlose, viele gehen als Lieblinge des Publikums: Die Exoten bereichern die Olympische Spiele. Stargeigerin Vanessa-Mae ist eine von ihnen – und doch ein besonderer Fall.

Sotschi - Es ist ja im Grunde eine tolle Geste gewesen. Dario Cologna war schon lange im Ziel, genau genommen war er bereits 28 Minuten lang im Ziel. Er hätte die Zeit schon lange zum Feiern nutzen können, schließlich hatte der Langläufer gerade Gold über 15 Kilometer gewonnen. Doch der Schweizer wartete – auf Roberto Carcelen. Der ist Peruaner und auf Langlaufski nicht ganz so schnell unterwegs wie Cologna. Doch nun hatte er die Zielgerade erreicht, er schwenkte die Flagge seines Heimatlandes und wurde nach dem Zielstrich herzlichst in Empfang genommen. Von den jubelnden Zuschauern – und von Cologna. Wie gesagt: Eine große Geste. Aber keine neue.

Schon 1998 hatte Björn Daehlie, der norwegische Rekord-Olympiasieger, es ebenso gehalten, als er einen gewissen Philip Boit im Ziel empfing. Der stammt aus Kenia, war ebenfalls Letzter geworden – und von diesem Moment derart begeistert, dass er später seinen Sohn Daehlie und seine Tochter Olympia nannte. Es sind neben den großen Geschichten um Siege und Niederlagen der Favoriten auch diese Storys, die Olympische Spiele ausmachen. Die Geschichten der Exoten, die eines eint: Erst sind sie Namenlose, dann Sieger der Herzen, und hinterher prominent – zumindest auf Zeit. Wobei: Bei Vanessa-Mae liegt der Fall ein wenig anders.

Die oben genannte Reihenfolge zumindest muss verändert werden, wenn es um die Britin mit thailändischen Wurzeln geht. Denn prominent ist die 35-Jährige schon lange. Sie selbst sagt: „Ich war schon mit Zwölf ein Star.“ Weil sie das virtuose Spiel auf der Geige so exzellent beherrscht wie nur wenige andere auf der Welt. So verdiente sie über 40 Millionen Euro, verkaufte Tonträger en Masse, füllte riesige Hallen – einen ihrer größten Wünsche konnte sie sich aber trotz ihres Reichtums nicht einfach so erfüllen: Die Teilnahme an den Olympischen Spielen. Also trainierte sie.

Dass die Musikerin, die als Vierjährige erstmals auf Ski stand, ohnehin in Zermatt lebt, traf sich da gut, denn dort konnte sie sich immer wieder namhaften Trainingskolleginnen anschließen. Einmal auch dem deutschen Team, das nicht schlecht verwundert war. „Es war interessant, wie ehrgeizig sie ist“, meint Barbara Wirth. Und Maria Höfl-Riesch sagt: „Wenn man sie so sieht, wie klein und zerbrechlich sie ist, kann man sich gar nicht vorstellen, wie sie durch so einen Lauf kommen kann.“ Doch genau das hat sie versucht, viel trainiert und im Januar bei drittklassigen Fis-Rennen die erforderlichen Punkte eingefahren. Nun also ist sie in Sotschi – und tritt an diesem Dienstag (6.30 und 10 Uhr/ZDF) im Riesenslalom an.

Natürlich fährt die Star-Geigerin nicht um Medaillen. Das hat in Sotschi auch Roberto Carcelen nicht getan. Auch für den Zweierbob aus Jamaika zählt nur das Dabeisein, ebenso für die Brasilianerinnen, die sich den Eiskanal hinunterstürzen. „Für mich geht es nur darum, in zwei Läufen Spaß zu haben“, sagte Vanessa-Mae, die unter dem Nachnamen ihres thailändischen Vaters antritt – als Vanessa Vanakorn.

Und so wird sie sich einerseits einreihen in die Liste der Olympia-Exoten wie Eric „der Aal“ Moussambani, Michael „The Eagle“ Edwards oder eben Philip Boit – und doch ganz anders sein.