Franz Steinle, Präsident der deutschen Skisportler, ist überzeugt: Leistungssport funktioniert auch ohne Doping. Foto: Baumann

Erst war Franz Steinle Langläufer, dann fast 20 Jahre Trainer. Danach folgte, wie er sagt, „der Abstieg zum Funktionär“. Nun warten auf den Präsidenten des Deutschen Ski-Verbands wichtige Aufgaben.

Erst war Franz Steinle Langläufer, dann fast 20 Jahre Trainer. Danach folgte, wie er sagt, „der Abstieg zum Funktionär“. Nun warten auf den Präsidenten des Deutschen Ski-Verbands wichtige Aufgaben.
Stuttgart.- Herr Steinle, wird im deutschen Skisport jetzt Schwäbisch gesprochen?
(lächelt) Der Schwäbische Ski-Verband hat knapp 110 000 Mitglieder, ist der zweitgrößte Verband im DSV. Doch die Bayern haben natürlich deutlich mehr Mitglieder. Die Amtssprache wird also Bayerisch bleiben, obwohl ich der neue Präsident bin.
Sie sind Chef des Oberlandesgerichts in Stuttgart und der deutschen Skisportler. Geht Ihnen da nicht die Zeit aus?
Als DSV-Präsident habe ich einen ähnlichen Aufwand wie zuvor achteinhalb Jahre als Vizepräsident: Allerdings gehört dazu die Bereitschaft, wesentliche Teile des Urlaubs und der Freizeit für das Amt aufzubringen.
Was sagt Ihre Familie dazu?
Sie trägt das erfreulicherweise mit.
Was ist die größte Herausforderung für den neuen DSV-Präsidenten?
Das hohe wirtschaftliche Niveau zu halten. Als Verband, der sich überwiegend durch Eigenmittel finanziert, benötigen wir finanzielle Ressourcen für den Leistungssport.
Das Fernsehen spielt dabei eine wichtige Rolle.
Richtig. Demnächst werden die Verhandlungen über die neuen TV-Verträge aufgenommen. Rund ein Drittel unserer Einnahmen kommen vom Fernsehen. Ich bin zuversichtlich, dass wir dieses Niveau zumindest wieder erreichen. Aber ebenso wichtig sind die Sponsoren. Wir sind dabei, neue langfristige Verträge bis 2018 abzuschließen.
Ihre Ausgangsbasis ist im Vergleich zu anderen Sportarten recht komfortabel. ARD und ZDF zeigen Wintersport satt.
Natürlich sind wir durch diese ‚weißen Wochenenden’ im Vorteil, erst recht, wenn der Fußball Pause hat.
Wie wichtig ist sportlicher Erfolg in den Verhandlungen mit den TV-Sendern?
Sehr wichtig, da darf man sich nichts vormachen. ARD und ZDF übertragen nur, wenn unsere Athleten vorne dabei sind.
Was bedeutet das für die Olympischen Spiele in Sotschi?
Unser Ziel orientiert sich an den Spielen 2010 in Vancouver: Wir wollen wieder 15 Medaillen gewinnen.
Auf wen setzen Sie dabei besonders?
Prognosen abzugeben, das ist immer schwierig. Zum Glück sind wir breit aufgestellt, da kann das eine oder andere ausgeglichen werden. Aber natürlich rechnen wir mit den Biathleten und den Skispringern, mit Maria Höfl-Riesch und Felix Neureuther.
Wie wichtig sind solche Zielvereinbarungen?
Sie sind notwendig. Leistungssport ist, wie der Name sagt, leistungsorientiert. Wer am Ende erfolgreich sein will, der muss auch Ziele haben. Und wie kann ich am besten messen, ob diese Ziele erreicht werden? Durch Medaillen oder Platzierungen.
Kritiker sagen: Das provoziert Doping.
Leistungssport muss auch ohne Doping funktionieren, das ist meine feste Überzeugung. Leistungssport ohne Leistungssport-Gedanken funktioniert ganz sicher nicht.
Was geben Sie den Athleten beim Thema Doping mit auf den Weg?
Wir stehen für eine Null-Toleranz-Politik, allein schon aus Verantwortung gegenüber der Jugend. Deshalb engagieren wir als DSV uns wie kaum eine anderer Verband gegen Doping.
Es gibt Experten, die behaupten, dass bis zu 60 Prozent der Olympia-Teilnehmer gedopt an den Start gehen werden.
Ich kann nicht für andere Nationen sprechen. Aber für mich ist völlig unvorstellbar, dass diese Zahl auf die deutschen Skisportler zutrifft.
Wie groß ist das Dopingproblem im deutschen Skisport?
Ich hoffe, dass wir keines haben. Zumindest kann ich ausschließen, dass es bei uns mafiose Strukturen gibt. Ein Verband darf auf keinen Fall zulassen, dass sich in seinem Bereich ein Dopingsystem etabliert – gegen einen einzelnen Dopingsünder wird man allerdings immer machtlos sein.
Trotzdem gelten Sie nicht als Freund eines Anti-Doping-Gesetzes.
Das stimmt so nicht. Ich bin sogar ein starker Befürworter. Dafür würde ich den entsprechenden Paragrafen, den es derzeit im Arzneimittelgesetz gibt, herauslösen und in ein Anti-Doping-Gesetz gießen. Das hätte eine größere abschreckende Wirkung. Ich bin allerdings gegen die Strafbarkeit von Sportlern, zum Beispiel durch die Besitzstrafbarkeit von geringen Mengen.
Warum?
Zum einen aus rechtlichen Gründen, zum anderen, weil dies nur eine Alibifunktion hätte. Bei einer Verurteilung wegen dieser Tatbestände würde maximal eine Geldstrafe herauskommen – es ist unrealistisch zu denken, dass ein gedopter Sportler ins Gefängnis muss. Zudem überwiegen die Nachteile, wenn Verfahren bei Verbands- und Strafgerichten parallel laufen. Die Dopingsperre von vier Jahren, die der neue Wada-Code vorsieht, trifft den Sportler ins Mark. Damit ist die Karriere im Normalfall beendet.
Wir würden Sie das Dopingproblem angehen?
Man muss in der Prävention ansetzen, schon bei Jugendlichen. Man muss viel mehr Geld in die Forschung nach modernen Nachweisverfahren investieren. Und man muss schon frühzeitig im Nachwuchsbereich Blutprofile anlegen, um später einen indirekten Dopingnachweis führen zu können.
Wie sehen Sie die Rolle der Nationalen Anti-Doping-Agentur?
Sie muss finanziell und personell gestärkt werden. Das ist im Kampf gegen Doping wichtiger als alle juristischen Fragen.
Warum muss die Nada immer wieder um ihre finanzielle Ausstattung fürchten?
Weil der Sport die notwendigen Mittel nicht alleine aufbringen kann. An dieser Stelle ist auch der Staat gefragt.
Anders ausgedrückt: Wenn der Sport ein Problem hat, dann soll der Steuerzahler zahlen?
Das ist zu vereinfacht dargestellt. Wir als DSV steuern unseren Teil bei. Wir investieren pro Jahr einen mittleren sechsstelligen Betrag in den Kampf gegen Doping. Dazu kommen die personellen Mittel: Früher hatten wir einen ehrenamtlichen Anti-Doping-Beauftragten. Heute gibt es einen Hauptamtlichen und vier weitere Personen, die sich um das Thema Anti-Doping kümmern. Aber der Bund muss sich schon fragen lassen, wie viel ihm der Kampf gegen Doping wert ist.
Wäre es vorstellbar, Athleten an der Finanzierung der Nada zu beteiligen – indem zum Beispiel ein kleiner Prozentsatz der Preisgelder dafür abgezweigt wird?
Das geht rechtlich nicht. Dazu kann ich niemanden zwingen.
Ein anderes Thema: Wo sehen Sie noch Entwicklungspotenzial für den Wintersport?
In den neuen Trendsportarten wie beispielsweise Slopestyle oder Skicross, die vor allem die jüngeren Zielgruppen ansprechen.
Wie soll das gelingen?
Wir müssen einen Spagat schaffen. Einerseits gibt es den Anspruch, traditionelle Disziplinen wie zum Beispiel die Nordische Kombination nicht zu gefährden, und den finanziellen Aufwand für neue Sportarten, die sich noch nicht vermarkten lassen.
Und andererseits?
Sind wir natürlich daran interessiert, neue Dinge zu entwickeln, so wie es zuletzt beim Damenskispringen oder Skicross auf hohem Niveau gelungen ist.
Hat im traditionsbewussten DSV ein Umdenken stattgefunden?
Natürlich, schließlich geht es auch für uns sehr stark darum, Nachwuchs zu gewinnen und die jungen Leute mitzunehmen. Das ist nur über solche Trendsportarten möglich. Nehmen Sie Snowboard. Früher wollten Snowboarder mit Verbänden nichts zu tun haben, heute sind sie voll integriert und erkennen die Strukturen an.
Was hat sich gewandelt?
Auch junge Leute wollen gewinnen. Doch ohne Verband stoßen sie schnell an ihre Grenzen – wenn es zum Beispiel um Trainingslager oder medizinische Betreuung geht. Allerdings ist von Seiten der Verbände weiterhin viel Fingerspitzengefühl nötig.
Das gilt auch für Bewerbungen um Großveranstaltungen. Wie sehen die Pläne des DSV aus?
Wir wollen die Biathlon-WM 2020 oder 2021 in Oberhof ausrichten. Und natürlich die Nordische Ski-WM 2019 in Oberstdorf. Da haben wir große Hoffnung, dass wir den Zuschlag erhalten.
Die Leute vor Ort sehen solche Großveranstaltungen inzwischen sehr kritisch.
Das würde ich nicht verallgemeinern. Die Abstimmung gegen Olympia 2022 in Bayern ist für mich immer noch unverständlich – dies wären wirklich mal nachhaltige Spiele gewesen. Da wurde eine riesengroße Chance vertan. Leider sind die Gegner immer leichter zu mobilisieren als die Befürworter und die schweigende Mehrheit. Deshalb überlegen wir auch, uns mit Garmisch irgendwann erneut um die Alpine Ski-WM zu bewerben.
Obwohl auch dort Olympia abgelehnt wurde?
Das wundert mich ja so, denn im Grunde wären alle Sportstätten vorhanden gewesen. Anders als vor Olympia 2006 in Turin oder 2010 in Vancouver. Heute sind die Anlagen dort alle tot. Die Bobbahn in Cesana wird abgebaut, auf der Schanze in Whistler springt niemand mehr.
Müsste das Internationale Olympische Komitee seine Vergabepraxis ändern?
Sicher. Nachhaltigkeit, das Nutzen vorhandener Sportstätten – das müssten die Kriterien sein, nicht der Gigantismus. Da muss ein Umdenken stattfinden.
Umstritten ist auch die Fußball-WM 2022 in Katar. Was würde es bedeuten, wenn die Veranstaltung in den Winter verlegt wird?
Fußball ist die Sportart Nummer eins. Eine Verlegung der WM wäre für uns Wintersportler fatal und hätte große wirtschaftliche Folgen, die an den Zahlen deutlich abzulesen wäre. Wir werden deshalb auf internationaler Ebene alles tun, um eine Fußball-WM im Winter zu verhindern. Doch ich befürchte, dass dieses Problem trotzdem auf uns zukommen wird.