Tränen der Trauer und Enttäuschung: Für die deutsche Snowboard-Hoffnung Ramona Hofmeister kam das Olympia-Aus im Viertelfinale. Foto: dpa/Angelika Warmuth

Die großen Hoffnungen des deutschen -Snowboard-Teams erfüllten sich sich bei den Olympischen Spielen nicht – was in der Zukunft spürbare Folgen haben wird.

Peking/Zhangjiakou - Natürlich geht es bei Olympischen Spielen darum, sein Leistungsvermögen auszuschöpfen, sich gegen stärkste Konkurrenz zu behaupten, Teil des großen Ganzen zu sein. Vor allem aber zählen Medaillen. Das weiß auch Andreas Scheid, der Sportdirektor der deutschen Snowboarder. Genau deshalb sagt er: „Wir haben unser Ziel nicht erreicht.“

In der Nacht zu Dienstag (MEZ) gingen die olympischen Wettbewerbe der Snowboarder auf der Big-Air-Schanze in Peking zu Ende. Im Gegensatz zu ihren enttäuschten Freestyle-Kollegen Noah Vicktor und Leon Vockensberger, die in der Qualifikation nur die Plätze 24 und 25 belegten, erreichte Annika Morgan als Achte das Finale der besten zwölf (bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht begonnen). Damit war sie selbst schon sehr zufrieden, Aussichten auf eine Medaille hatte sie allerdings eher nicht. Was irgendwie passte zum gesamten Auftritt der Snowboarder im Team D – die erstmals seit 2010 bei Winterspielen ohne Podestplatz blieben. „Mit der Ausbeute“, sagt Andreas Scheid, „können wir wirklich nicht zufrieden sein.“ Zumal die Aussichten alles andere als schlecht gewesen waren.

Gute Aussichten, schlechte Ausbeute

Stefan Baumeister (Parallel-Riesenslalom) hat in dieser Saison schon zwei Weltcup-Rennen gewonnen, Crosser Martin Nörl sogar drei in Serie vor dem Abflug nach Peking, und auch Ramona Hofmeister (Parallel-Riesenslalom) gehört zu den Besten ihrer Disziplin. Insgesamt schafften es die deutschen Racer und Freestyler im Winter 2021/22 schon 16-mal aufs Podium. Entsprechend optimistisch waren die Verantwortlichen vor den Spielen. Bei einer Pressekonferenz mit den Stars des Teams wurden die Journalisten zum Gespräch mit „sechs potenziellen Medaillengewinnern“ begrüßt. Die Realität sah anders aus: Baumeister scheiterte in der Qualifikation, Hofmeister und Nörl im Viertelfinale. „Es war sicher nicht verkehrt, hohe Ziele auszugeben“, sagt Sportchef Scheid, „aber Olympische Spiele sind eben definitiv etwas anderes als der Weltcup. Zu jeder Enttäuschung gab es eine eigene Story, aber man braucht auch dieses Selbstverständnis, hier an den Start zu gehen und zu gewinnen. Wir haben es letztlich nicht auf den Punkt gebracht.“ Weshalb nun über ganz andere Punkte gesprochen werden wird.

Die einfache Formel: Viele Medaillen gleich mehr Geld für den Verband

Denn neben Medaillen geht es in Peking, Zhangjiakou und Yanqing auch um Geld. Für die Athletinnen und Athleten (die Goldprämie der Deutschen Sporthilfe liegt bei 20 000 Euro), aber natürlich auch für die Verbände. Denn nach den Spielen werden die Fördermittel für die nächsten vier Jahre vergeben, und da spielt die Olympiabilanz natürlich keine ganz unwichtige Rolle – weshalb zum Beispiel der bislang höchst erfolgreiche Bob- und Schlittenverband wesentlich besser dasteht als die restlichen Disziplinen. „Wir sind ein kleiner Laden, der auch nicht glücklicher wird, wenn er auf andere schaut. Aber Peking wird definitiv spürbare Folgen haben“, meint Scheid, „wir müssen jetzt eben mit den Geldgebern gut verhandeln – und klarmachen, was bei uns generell geleistet wird. Dazu kommt, dass die Freestyler mit mehreren Plätzen im Finale ihr olympisches Soll ja erfüllt haben. Da können wir mittlerweile mit der Weltspitze mithalten.“ Ohne dass sich die deutschen Snowboarder damit zufriedengeben würden.

Das Potenzial ist da – die passende Altersstruktur auch

Der Sportdirektor sieht noch viel Potenzial in seinem Team. Was einerseits mit der Altersstruktur zu tun hat, der Schnitt liegt bei 23 Jahren. Scheid geht davon aus, dass die meisten „bei den Winterspielen 2026 in Italien parat stehen werden – dann mit mehr Erfahrung“. Aber auch, was das Drumherum angeht, gebe es noch Luft nach oben: „Wir sind mit unserem Sport in Deutschland ganz sicher noch nicht im High-End-Bereich angesiedelt.“ Zum Beispiel entsteht derzeit erst ein eigenes Trainingszentrum für die Freestyler in Berchtesgaden, dass 2023 fertiggestellt sein soll. „Wir müssen schauen, dass wir aus der zweiten Reihe mehr Nachwuchs heranführen. Und die Talente, die wir haben, müssen wir hegen und pflegen“, meint Andreas Scheid, „dann ist mir vor der Zukunft nicht bange.“ Auch nicht vor der olympischen.