Heute werden die Olympischen Spiele in Tokio offiziell eröffnet. Sieben Geschichten, die charakteristisch für Japan sind: Warum die Menschen zum Schlafen nicht nur das Bett nutzen – und eine vierte Etage oft nicht existiert.
Tokio -
Heute findet die offizielle Eröffnung der Olympischen Spiele in Tokio statt. Höchste Zeit, um mehr über Japan und die Menschen dort zu erfahren. Sieben Geschichten, mit denen Sie ihr Japan-Fachwissen erweitern – und beim Olympia-Schauen Ihre Freunde beeindrucken können.
Schlafen
Ein Schläfchen im Café? Schnarchgeräusche in der U-Bahn? In Japan keine Besonderheit. Die „Meister des Powernaps“ sind wegen des hohen Arbeitspensums oft übermüdet. Da kommen die teils langen Arbeitswege gerade recht, um sich auszuruhen. Bitte nicht telefonieren, heißt es in U-Bahnen, die Schlafenden sollen schließlich nicht gestört werden. Aber auch am Arbeitsplatz selbst gehört das Nickerchen zwischendurch dazu – und wird sogar von vielen Arbeitgebern als Zeichen für harte Arbeit begrüßt. Der Mittagsschlaf bei der Arbeit wird in Japan so häufig zelebriert, dass er einen eigenen Namen hat: „Inemuri“ bedeutet „anwesend sein und schlafen“. Die Regeln für das Nickerchen: Im Idealfall sollen die Schlafenden aufrecht sitzen und so aussehen, als würden sie arbeiten oder nachdenken. Manche Unternehmen nutzen den chronischen Schlafmangel der Japaner für neue Geschäftsideen: Nestlé etwa hat 2019 in Tokio ein Schlafcafé eröffnet – mit Betten, Sofaliegen und Trennwänden. Vom 30-minütigen Nickerchen bis zum Dreistundenschlaf ist alles möglich. Je länger die Kunden schlafen möchten, desto mehr müssen sie auch zahlen.
Arbeiten
Sich zu Tode arbeiten – dafür gibt es in Japan ein eigenes Wort: Karoshi. Was niedlich klingt, hat einen ernsten Hintergrund: 60 Stunden in der Woche arbeiten? In Japan üblich. 80 Überstunden pro Monat? Keine Seltenheit. Bei diesen Zahlen würden in Deutschland wohl jedem Betriebsratsvorsitzenden die Haare zu Berge stehen. Die japanische Regierung gab bekannt, dass es im Jahr 2017 191 Tote durch Überarbeitung gab. Die Ursachen reichen von Herzversagen über Schlaganfall bis hin zum Suizid. Mit ihrer Arbeitsmentalität tragen die Japaner oft selbst dazu bei, dass es zu Karoshi kommt: Urlaub am Stück über zwei, drei Wochen gilt als verpönt. Für großes Entsetzen sorgte 2013 der Tod einer Politikjournalistin, die an einem tödlichen Herzanfall starb. Die japanischen Behörden bestätigten einen Zusammenhang zwischen ihrem Tod und Überarbeitung. Im Jahr ihres Todes hat die 31-Jährige in einem Monat 159 (!) Überstunden angehäuft – und in den vier Wochen vor ihrem Tod hatte sie nur zwei Tage frei.
Tiercafés
Ein Igel liegt in einem Puppenhaus auf seinem Mini-Sofa oder entspannt in der Badewanne – was beim Lesen nach einer skurrilen Fiktion klingt, ist einem Café in Japans Hauptstadt Tokio Realität. Denn wer in Japan kein Haustier besitzt, geht ins Café und streichelt dort eins. Ja, richtig gehört: Von solchen Tiercafés gibt es vor allem in Tokio einige. Die Wohnungen vieler Einwohner Tokios sind so klein, dass es für Katze, Hund und Co. schlicht keinen Platz gibt. Aber auch Liebhaber von exotischen Tierarten kommen hier auf ihre Kosten: Einige Cafés bieten Papageien, Pinguine oder sogar Würgeschlangen für Streicheleinheiten an. Das Tierwohl spielt da eher eine untergeordnete Rolle, die meisten Japaner machten sich keine großen Gedanken über andere Lebewesen, kritisieren Tierschützer. Selten werden die kritischen Stimmen gehört. Was wohl auch an den lukrativen Einnahmen der Tiercafés liegt: Geschätzt umgerechnet 25 Millionen Euro Umsatz im Jahr machen allein Hunde-und Katzencafés.
Hygiene
Abstand, Hygiene, Alltag mit Maske. Diese Formel zur Eindämmung der Coronapandemie hat hierzulande inzwischen fast jeder verinnerlicht. In Japan gehörten die beiden Letztgenannten schon vor der Krise zum Alltag – ob im Supermarkt, auf der Straße oder in der Bahn. Wie in Coronazeiten setzen die Japaner mit den Masken vor allem auf den Schutz vor Viren. Die Anfänge der Mund-Nasen-Bedeckung reichen bis ins Jahr 1919 zurück, als sich die Japaner vor einer Ansteckung mit der Spanischen Grippe schützen wollten. Jede weitere Epidemie machte den Mundschutz ein Stück populärer. Und mit der Zeit entwickelten sich Masken sogar zu einem Modeaccessoire. Dass Hygiene und Sauberkeit in Japan einen hohen Stellenwert genießen, zeigt schon ein Blick auf die Straßen, auf denen kaum Müll zu sehen ist. Auch zu Hause legen die Japaner großen Wert auf Hygiene, vor allem wenn es um das stille Örtchen geht. So gut wie jeder Japaner besitzt ein Dusch-WC, ausgestattet mit Sitzheizung, automatischer Spülung, Warmluftgebläse, Musik oder Rausch-Funktion. Damit ja niemand vor der Tür den eigenen Körpergeräuschen lauschen kann.
Aberglaube
In Japan mit dem Aufzug in den vierten Stock kommen? Das könnte sich schwierig gestalten. Vor allem, wer in Altersheimen oder Krankenhäusern unterwegs ist: Hier geht es mit dem Fahrstuhl von der dritten nicht in die vierte Etage, sondern direkt in die fünfte. Der vierte Stock existiert schlicht nicht. Denn das japanische Wort für die Zahl Vier klingt ausgesprochen sowie das Wort für Tod. Wer die 4444 am Ende einer Telefonnummer sieht, hat vermutlich die eines Bestattungsunternehmens vor sich. So ist gleich klar, um was es geht. Ebenfalls ungern in den Mund genommen wird die Zahl 43 – besonders auf Entbindungsstationen: Das japanische Wort für die 43 klingt nämlich ähnlich wie der Begriff für Fehlgeburt. Außerdem soll auch Nägelschneiden in der Nacht Unglück bringen. Eine Theorie zur Herkunft dieses Aberglaubens besagt, dass vor der Elektrifizierung Japans einige Menschen sich beim Kürzen ihrer Nägel im Dunkeln verletzt haben sollen. Widmet sich aber doch mal jemand zu später Stunde seinen Nägeln oder benutzt eine der genannten Zahlen, ruht alle Hoffnung auf einer schwarzen Katze: Die soll in Japan nämlich Glück bringen.
Geografie
Der Inselstaat Japan liegt im Pazifischen Ozean vor der Küste Ostasiens. Das Land ist so groß wie die Schweiz und Deutschland zusammen und besteht aus mehr als 6800 Inseln. Berglandschaften bestimmen Japans Natur, rund 80 Prozent der Landschaft sind gebirgig. Wälder säumen die Berge, Flüsse schlängeln sich durch die Landschaften. Absoluter Hingucker ist der Vulkan Fuji, Japans Nationalsymbol mit über 3700 Meter Höhe, der immer wieder hinter den Wolken verschwindet. Doch die Schönheit der Natur hat auch eine Schattenseite: Weil der Inselstaat auf dem Pazifischen Feuerring liegt, treffen unter Japan vier Kontinentalplatten aufeinander. Die Folge: Vulkanausbrüche und Erdbeben. Bis zu 5000-mal im Jahr wackelt in Japan die Erde. Das folgenschwerste Erdbeben ereignete sich 2011, als über 18 000 Menschen starben. Zudem führte das Beben zur Explosion des Atomkraftwerks Fukushima, wodurch radioaktives Material in die Umgebung gelang und Menschen verstrahlte.
Wirtschaft
Als Inselstaat war Japan bis in die 1850er Jahre komplett isoliert, es gab weder Handel noch Kontakte zu anderen Staaten. Umso erstaunlicher, wie das Land heute wirtschaftlich dasteht: Japan ist hinter den USA und China die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt – mit einem Bruttoinlandsprodukt von rund fünf Billionen US-Dollar. Bei den größten Exportländern weltweit belegte Japan 2020 den fünften Platz. China und die USA gelten für Import und Export als die wichtigsten Handelspartner. Gute Autos verbindet man schnell mit deutschen Automarken, doch auch Japan ist bekannt für seine Automobilindustrie: Das Land gilt als eines der wichtigsten Autoherstellerländer der Welt. Ob Toyota, Honda oder Nissan: 2020 wurden in Japan 8,1 Millionen Fahrzeuge produziert. Nur die USA und China stellten im selben Jahr noch mehr Autos her. Deutschland liegt in diesem Ranking einen Platz hinter Japan – allerdings mit großem Abstand: 2020 waren es nur 3,74 Millionen produzierte Kraftfahrzeuge.