Medaille für China: Jia Zongyang holt im Ski-Freestyle Silber. Foto: AFP

China ist Gastgeber der nächsten Olympischen Winterspiele. Doch der Wintersport in der Volksrepublik kommt nicht voran. Eine Spurensuche.

Pyeongchang - China zählt zu den sportlichen Großmächten, daran gibt es keinen Zweifel. Nur nicht im Winter. 26 Goldmedaillen (insgesamt: 70) holten Athleten aus dem Reich der Mitte bei den Olympischen Sommerspielen 2016 in Rio. Das reichte hinter den USA und Großbritannien immerhin zu einem Platz auf dem Podest. Davon ist das chinesische Team aktuell in Pyeongchang weit entfernt.

Ohne Olympiasieg rangiert es vier Tage vor der Schlussfeier auf Position 19. Was einerseits für die erfolgsverwöhnte Sportnation ziemlich enttäuschend ist. Und andererseits ein Grund zur Sorge – denn China ist der nächste Gastgeber der Olympischen Winterspiele, und Peking 2022 soll nicht nur organisatorisch rund laufen, sondern vor allem auch sportlich. Allerdings weiß niemand, wie genau das gehen soll. Obwohl die Regierung natürlich einen Plan hat.

Nur wenige Chinesen sind begeisterte Skifahrer

Sie setzte 2016 fest, dass die Zahl der Wintersportler im Land bis zu den nächsten Winterspielen von sechs Millionen auf 300 steigen muss. Dafür sollen unter anderem 240 neue Skigebiete erschlossen werden. Mindestens. Ob es allerdings gelingt, Chinesen fürs Skifahren zu begeistern, ist fraglich. Einer Untersuchung zufolge schnallen sich nur zwei Prozent von ihnen nach dem ersten Versuch noch mal die beiden Bretter an. Und mit Leistungssport hat das alles ohnehin nichts zu tun. Diesem dient eine zweite Maßnahme.

Die Generalverwaltung Sport in China hat beschlossen, dass vermehrt Wintersport-Talente rekrutiert werden sollen. Dafür verantwortlich ist eine neu geschaffene Führungsebene im Wintersport-Managementzentrum: „Sie sollte offener und tapferer sein, rascher handeln. Wenn sie eine gute Möglichkeit entdeckt, sollte sie den Mut haben, einen Versuch zu wagen und dabei als aktiver Entdecker und Macher der Sportreform auftreten“, sagte Gou Zhongwen, Minister der Generalverwaltung Sport in China. Hört sich bürokratisch an? Ist es auch. Wird aber befolgt.

Sportler wurden zu Wintersportlern umgeschult

An manchen Grundschulen ist Skifahren nun Unterrichtsfach. Tausende Trainer wurden ausgebildet, Rollschuhläufer zu Eiskunstläufern umgeschult, Radfahrer in Skilangläufer, Turner in Snowboarder. In einer Provinz sind Langstreckenläufer, Sprinter, Hochspringer, Kajakfahrer und Triathleten ausgesucht worden, um eine Eishockey-Mannschaft zu bilden. Erst mal mussten sie allerdings Schlittschuhlaufen lernen. Was nur zeigt: China ist alles, nur keine Wintersport-Nation. Und das wird sich bis Peking 2022 auch nicht ändern.

Vor vier Jahren in Sotschi holten chinesische Athleten neun Medaillen (3/4/2), für Pyeongchang war mit drei bis sechs goldenen Plaketten gerechnet worden: im Eiskunstlauf, Shorttrack, Eisschnelllauf, Curling, Freestyle oder Snowboard. Dieser Planansatz lag völlig daneben. Bisher gab es fünfmal Silber und zweimal Bronze.

Ski alpin ist kein Tischtennis

Dabei ist das Team mit 82 Sportlern größer als je zuvor. In der Heimat ist die Enttäuschung groß. Aber auch die Sportler sind nicht glücklich über ihr Auftreten. „Es gibt Schwermütigkeit und Bedauern über die Ergebnisse“, sagte Freestyler Jia Zongyang, der Silber auf der Schanze gewann. Für die Eiskunstläufer Sui Wenjing und Han Cong fühlte sich Rang zwei hinter dem deutschen Paar Aljona Savchenko und Bruno Massot wie eine Niederlage an. Prompt folgte die Kampfansage: „Unser Ziel für Peking ist Gold.“

Die Latte liegt hoch. Weil dies den eigenen Erwartungen entspricht. Und dem Selbstverständnis. Aber auch, weil es in Peking schon einmal Olympische Spiele gab. 2008 ging zwar nicht alles sauber zu, wie die vielen nachträglich des Dopings überführten Athleten zeigen. Aber für die chinesischen Gastgeber zählte damals vor allem, dass sie mit 48 Goldmedaillen (insgesamt 98) Rang eins in der Nationenwertung belegt haben. Ihr Problem für Peking 2022: Ski alpin ist kein Tischtennis.