Tina Bührle, Gabriele Roegers und Aline Meyer (von links) machen sich an der LUS gegen Mobbing stark. Foto: Natalie Kanter

Angstfrei in die Schule: Das wünschen sich Eltern für ihre Kinder. Die Ludwig-Uhland-Schule in Leinfelden hat an einem Anti-Mobbing-Projekt teilgenommen. Und festgestellt: Es kommt aufs Hinschauen an.

Leinfelden - Schon wieder ist die Jacke von Max weg. Sie ist auf dem Schulweg verloren gegangen. Beim Gang zur Turnhalle wird er von Mitschülern in Richtung Straße geschubst. Wenn der Junge nach Hause kommt, sind seine Kleider häufig kaputt oder beschmutzt. Lena dagegen wird immer wieder an den Haaren gezogen. Ihr Platz in der Schule ist oft besetzt. Mobbing kann auch schon an Grundschulen ein Thema sein und viele Gesichter haben. „So weit wollen wir es gar nicht kommen lassen“, sagt Gabriele Roegers, Leiterin der Leinfelder Ludwig-Uhland-Schule zu diesen Beispielen. Lehrer, Mitschüler, Schulsekretärinnen und Eltern sind vielmehr angehalten, von Anfang an genau hinzuschauen. Sie sollen lieber einmal zu oft als zu selten nachfragen. „Es geht um die Wahrnehmung“, sagt sie. Eine Kultur des Hinschauens.

Die gesamte Leinfelder Grund- und Werkrealschule – und damit rund 500 Schüler sowie das ganze Schulpersonal – hat in den vergangen 18 Monaten an einem Anti-Mobbing-Programm teilgenommen, das sich Olweus nennt. Nicht weil es an der Schule zuvor besonders viele Mobbing-Fälle gegeben hat, sondern damit es noch weniger werden, wie Roegers sagt.

Programm hat Wurzeln in Skandinavien

Das Pilotprojekt wird von der Landesstiftung Baden-Württemberg finanziert. Träger der Studie ist die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uni Heidelberg. „Eine Schule als sicherer Ort, an dem Mobbing nicht toleriert wird, ist keine Selbstverständlichkeit“, heißt es einer Infobroschüre. „Sie ist das Resultat einer klaren Haltung und der Zusammenarbeit aller Beteiligten – sowohl in der Schule, als auch zu Hause.“ Das Programm hat seine Wurzeln in Skandinavien und geht zurück auf Professor Dan Olweus. Der Mann gilt als Gründervater der Erforschung von Gewalt an Schulen. 40 000 Schüler nahmen in Norwegen an seinem Präventionsprogramm teil. An diesen Schulen ging das Mobbing um 20 bis 70 Prozent zurück. An der LUS lief das Programm parallel zum Schulalltag. Schüler und Lehrer nahmen an einer Onlinebefragung teil. Das Kollegium hat sich alle zwei bis drei Wochen zur Fortbildung getroffen. Es wurde ein Präventions-Komitee gebildet. Es gab einen Elternabend. „Alle sollten idealerweise auf dem gleichen Stand der Information sein“, sagt Konrektorin Tina Bührle. Anhand von typischen Filmszenen wurde den Schülern klar gemacht, was man an der Schule tun darf und was nicht. Die Kinder haben erfahren, dass es in Ordnung ist, wenn sie den Erwachsenen von bestimmten Vorfällen erzählen. Und dass sie sich jeder Zeit dem Kollegium anvertrauen können. Sie lernten auch, wie schlimm Mobbing für die Opfer ist.

Die Täter werden nicht bloß gestellt

Auch wichtig: Jeder sollte die gleiche Definition von Mobbing im Kopf haben. „Ärger und Streit gehören zum Schulalltag“, sagt Aline Meyer, die Schulsozialarbeiterin. „Das ist nicht immer gleich ein Fall von Mobbing“, sagt sie. „Auch die Eltern von betroffenen Kindern, sollten zu uns kommen und mit uns sprechen“, sagt Tina Bührle. „Wir bereiten den Konflikt dann in der Gruppe auf.“ Die Täter werden so nicht bloß gestellt.

Das Programm sei in jeden Fall sinnvoll, sagt Roegers. „Es funktioniert ganz gut.“ Das Bewusstsein für das Problemfeld Mobbing sei gewachsen. Dennoch will das Kollegium nun darauf verzichten, sich zertifizieren zu lassen. Will heißen, ein Schild, das der Schule bescheinigt, Mobbing keine Chance zu geben, wird es an der LUS nicht geben. Denn eine solche Zertifizierung wäre zeitlich sehr aufwendig. Der Hintergrund: Die Schule leidet, wie viele andere, unter Lehrermangel. Junge Kolleginnen, die während des Schuljahres in Elternzeit gehen, werden nicht ersetzt. „Wir haben schon Unterricht streichen müssen“, sagt Roegers. „Wir müssen uns auf unsere Kernaufgaben konzentrieren.“