Oleg Werner kontrolliert die Drainageelemente in der Presse Foto: Gottfried Stoppel

Manche Arbeitgeber verzweifeln fast: Sie haben Stellen zu vergeben, aber keiner bewirbt sich. Die Firma Ernteband Fruchtsaft in Winnenden stellt Obst- und Gemüsesaftkonzentrate sowie Pürees her und sucht Fachkräfte für Fruchtsafttechnik.

Winnenden - Diese Woche ist Spinat drangewesen. Ein leicht erdiger Geruch in der Kelter der Firma Ernteband Fruchtsaft in Winnenden erinnert daran, sonst nichts. Blitzblank geputzt stehen die Maschinen da: die Waschanlage, in der die grünen Blätter gründlich gereinigt und von Sand und Steinchen befreit wurden ebenso wie die große Presse, in der die zuvor vermahlene und erhitzte grüne Masse weiterverarbeitet wurde. Oleg Werner wirft einen prüfenden Blick ins Innere und kontrolliert, ob die beweglichen Schläuche in der Maschine den vorigen Pressvorgang auch unbeschadet überstanden haben.

Die Schläuche, die an überdimensionale Makkaroni erinnern, wirken wie Filter: sie halten grobe Partikel ab und lassen nur Flüssigkeit in ihr Inneres, trennen also die Maische vom Saft, den sie weiterleiten zum nächsten Arbeitsgang, der Aufbereitung. Alles okay – Oleg Werner ist zufrieden. Als nächstes kommt Rhabarber dran.

Vom Erbeerjoghurt bis zum Fleischsalat

Es gibt Berufe, da genügt ein Wort – und so ziemlich jeder weiß, was Sache ist. Oleg Werners Beruf gehört nicht dazu: Fachkraft für Fruchtsafttechnik. Der 39-jährige Waiblinger ist inzwischen gewohnt, dass er erstmal erklären muss, womit er sein Geld verdient und bei wem. Denn die Saftkonzentrate und Pürees, die Oleg Werner und seine Kollegen herstellen, finden Endverbraucher nicht mit dem Etikett Ernteband versehen im Regal des Supermarkts. Aber sie stecken in unzähligen Produkten anderer Hersteller, die es zu kaufen gibt – von Smoothies und Säften bis hin zu Erdbeerjoghurt und Fleischsalat. In letzteren beiden beispielsweise sorgt das Rote-Beete-Saftkonzentrat aus Winnenden für eine appetitliche Farbe. „Unsere Produkte sind auf der ganzen Welt zu finden“, sagt Oleg Werner mit einem gewissen Stolz.

Ganze 22 Jahre ist es her, dass der 39-Jährige beim Familienunternehmen Ernteband seine dreijährige Ausbildung zur Fachkraft für Fruchtsafttechnik begonnen hat. „Der Beruf war komplett neu für mich“, erinnert sich Oleg Werner. Damit in Berührung gekommen sei er zufällig: „Einer der Mitarbeiter hat mit meinem Opa im Kirchenchor gesungen.“

Oleg Werners Chef, der Betriebsleiter Roland Stark, bestätigt: „Fachkraft für Fruchtsafttechnik ist ein unbekannter Beruf, unter dem sich niemand etwas vorstellen kann.“ Entsprechend schwierig sei es da, Mitarbeiter und Auszubildende zu finden. Umso mehr, als es in der Region Stuttgart viele junge Menschen zu den großen Autobauern ziehe – Namen, mit denen sie etwas anfangen könnten.

Körperliche Fitness braucht es schon

Eine Affinität zu Technik sollte auch ein Azubi bei Ernteband mitbringen. Schließlich gehört es zum Job, die Maschinen vorzubereiten, zu bedienen und zu überwachen. Wichtig sei zudem ein gewisses Interesse an Physik, Chemie und Mathe, sagt Roland Stark. Der Mitarbeiter müsse ja – Stichwort Physik – wissen, was in Anlagen wie Presse und Dekanter vor sich gehe, und – Stichwort Chemie – welche mikrobiologischen Prozesse ablaufen. Eine gewisse körperliche Fitness braucht es für den Beruf auch: Oleg Werner und seine Kollegen steigen an einem Arbeitstag so einige Treppen auf und ab, schieben Pumpen von A nach B oder schleppen Schläuche. Da brauche es Körperkraft, sagt Roland Stark – deshalb sei der Beruf für Frauen weniger geeignet.

So manche Temperaturschwankung muss Oleg Werner auch wegstecken – von feuchten 30 Grad im Bereich der Trestertrocknung bis zu vier Grad im Tanklager für Gemüsekonzerntrate oder Minus 22 Grad im Tiefkühllager für Himbeer- und Erdbeerpüree. Zu seinen Aufgaben gehört es auch, die Rezepte zu schreiben, nach denen die Konzentrate gemäß Kundenwunsch gemischt werden: der eine bevorzugt zum Beispiel ein helles, süßes Apfelsaftkonzentrat, der nächste ein säuerlich-dunkles.

„Wer bei uns eine Ausbildung macht und die Prüfung besteht, wird übernommen“, sagt Roland Stark. Obendrein sei der Beruf „ein gut bezahlter und abwechslungsreicher Job“. Der läuft bei Ernteband Fruchtsaft im Zwei- und Drei-Schichtbetrieb. Nach der Lehre hat Oleg Werner sich zum Industriemeister Fachrichtung Fruchtsaft und Getränke weitergebildet – und seine Berufswahl nie bereut. Natürlich trinkt er zu Hause Saft aus eigener Produktion: „Am liebsten aus Karotten oder Rote Beete.“

Säfte, Smoothies und Co.

Voraussetzungen: Um Fachkraft für Fruchtsafttechnik zu werden, muss man eine drei Jahre dauernde duale Ausbildung absolvieren. Rechtlich ist keine bestimmte Schulbildung vorgeschrieben, viele Betriebe stellen aber Azubis mit mittlerem Bildungsabschluss ein. Ein Interesse für die Fächer Physik, Chemie und Mathematik sollte vorhanden sein, ebenso handwerkliches Geschick und technisches Verständnis. Den schulischen Teil ihrer Ausbildung machen Auszubildende im Blockunterricht an den Beruflichen Schulen Rheingau im hessischen Geisenheim.

Aufgaben: Fachkräfte für Fruchtsafttechnik stellen aus frischem Obst und Gemüse Säfte sowie Fruchtweine her, pasteurisieren diese und füllen sie ab. Ein großer Teil ihrer Arbeit besteht darin, computergesteuerte Anlagen zu bedienen und überwachen.

Bezahlung: Die Vergütung einer dualen Ausbildung zahlt der Betrieb, sie richtet sich nach dem Tarifvertrag. In Baden-Württemberg erhalten Auszubildende im ersten Jahr laut der IHK Stuttgart knapp 870 Euro, im zweiten Jahr rund 950 Euro, im dritten 1073 Euro. Ein ausgebildeter Facharbeiter kommt auf einen Bruttolohn von rund 3000 Euro, er erhält Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Bei Schichtbetrieb gibt es Zulagen.