Olaf Scholz tritt als Kanzlerkandidat für die SPD an. Foto: AFP/MICHAEL SOHN

Für die SPD-Chefs war die Entscheidung keine leichte. Jetzt kam sie doch überraschend früh: Ein zeitweise bereits abgeschriebener Sozialdemokrat wird SPD-Kanzlerkandidat.

Berlin - Vizekanzler Olaf Scholz führt die SPD als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl 2021. Vorstand und Partei nominierten den 62-Jährigen am Montag einstimmig. „Olaf hat den Kanzler-Wumms“, schrieben die Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans auf Twitter - und richteten sich sogleich auch besänftigend an den Scholz-kritischen linken Parteiflügel.

„Wir wissen, dass diese Entscheidung für einige eine unerwartete Wendung darstellt“, erklärten die Parteichefs. „Wir bitten um Vertrauen in unseren Weg. Wir sind entschieden, diesen Weg gemeinsam zu gehen.“ Die Personalie war lange vermutet worden, war in der Partei aber zugleich sehr umstritten. Die SPD ist nun die erste im Bundestag vertretene Partei mit einem Kanzlerkandidaten für 2021.

Esken und Walter-Borjans galten lange als Gegner von Scholz, setzten sich im vergangenen Jahr bei der Wahl des Parteivorsitzenden auch gegen den Finanzminister durch. Seitdem habe es aber einen „engen Schulterschluss“ und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Parteispitze, Fraktionsführung und den sozialdemokratischen Ministern gegeben, erklärten die Parteichefs.

Scholz in Umfragen beliebtester SPD-Politiker

„In dieser engen Zusammenarbeit haben wir Olaf Scholz als einen verlässlichen und am Team orientierten Partner erlebt, der für sozialdemokratische Politik für dieses Land kämpfen kann und will und der mit uns die Vision einer gerechten Gesellschaft teilt.“ In einem Brief an die Parteimitglieder, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, schrieben sie: „Deutschland braucht einen Kanzler, der entschlossen ist und erfahren. Mutig auch in Krisen, sie kraftvoll überwinden kann. Mit Respekt vor jeder und jedem Einzelnen. Und mit einem klaren Bild von einer guten und gerechten Zukunft für alle.“ Scholz verkörpere all das.

Scholz selbst betonte, er freue sich auf einen „tollen, fairen und erfolgreichen Wahlkampf in einem starken Team“. Der Finanzminister ist bei der Bevölkerung Umfragen zufolge der beliebteste SPD-Politiker und hatte sich in der Corona-Krise mit beherztem Handeln und dem Schnüren milliardenschwerer Hilfspakete profiliert.

Zuletzt hatten sich vor allem Mitglieder der Bundestagsfraktion und andere SPD-Minister für ihn als Kanzlerkandidaten ausgesprochen. Fraktionschef Rolf Mützenich erklärte nach dem Vorstandsbeschluss: „Olaf Scholz hat mit seinen großen politischen Erfahrungen in Regierung und Parlament sowie als Länderregierungschef bewiesen, dass er unser Land auch in schwierigen Zeiten führen kann.“ Mit großer Konzentration und Reformwillen setze er die richtigen Schwerpunkte, damit Deutschland sozial gerecht und wirtschaftlich stark bleibe. „Er ist deshalb unser Kanzlerkandidat.“

Kein „Schaulaufen von Eitelkeiten“

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sprach von einem engen Team aus Partei, Fraktion, Regierung und Kandidat und betonte: „Wir sind bereit und ich hab richtig Bock auf Wahlkampf.“ Die Parteichefs erklärten aber zugleich, die SPD werde sich angesichts der Corona-Pandemie weiter auf das Wichtige konzentrieren und noch nicht in den Wahlkampf starten. Man wolle kein „Schaulaufen von Eitelkeiten“ in dieser Situation.

Andere Parteien äußerten sich zunächst vorsichtig zu der Personalie. „Die SPD macht es spannend. Gestern Koalitionsangebot an die Linke und grünes Licht für Kanzler Habeck - heute wird mit Olaf Scholz ein Kanzlerkandidat aus dem eher rechten Spektrum der Partei benannt“, schrieb FDP-Chef Christian Lindner am Montag auf Twitter. „Respektabel ist er, aber die Strategie erscheint noch rätselhaft“. FDP-Vize Wolfgang Kubicki erklärte, die Personalie werde der Sozialdemokratie „auf Dauer eher schaden“. „Denn die Führung der SPD muss erklären, warum Scholz von den Menschen im Land gewählt werden soll, wenn er es selbst nicht einmal schafft, von den eigenen Genossen zum Vorsitzenden gewählt zu werden“, sagte Kubicki der Deutschen-Presse-Agentur.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch betonte, Ziel müsse eine Mehrheit jenseits der Union sein - mit entsprechendem Programm „gern auch mit Olaf Scholz“. Fraktionsgeschäftsführer Jan Korte betonte, Scholz müsse klar sein, dass es bei einer Zusammenarbeit auf die Inhalte ankomme. „Ein Politikwechsel ist dringend notwendig. Es ist bedauerlich, dass die Grünen bei dieser Diskussion bremsen.“ SPD und Linke haben sich bereits offen für ein rot-rot-grünes oder auch grün-rot-rotes Bündnis gezeigt, die Grünen äußern sich dazu derzeit aber nicht - und halten sich somit auch die Option Schwarz-Grün offen. SPD, Linke und Grüne hätten nach aktuellen Umfragen bei einer Bundestagswahl keine Mehrheit, Union und Grüne dagegen sehr wohl.