Auf der Wiesn wird es wieder eng zugehen – sofern keine neue Coronawelle dazwischenkommt. Foto: imago//Ralph Peters

Das Münchner Oktoberfest findet statt – auch weil sich OB Reiter von Bund und Freistaat zu einem Fest ohne jede Coronabeschränkung gezwungen sieht. Aber ganz sicher ist die Party trotzdem noch nicht.

Wiesn-Fans können sich freuen: Nach zwei schmerzhaften Absagen wegen der Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 findet das diesjährige Münchner Oktoberfest wieder statt. Zumindest nach jetzigem Stand. Das gab Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) am Freitag auf einer Pressekonferenz bekannt. Die Stadt München ist Austräger dieses weltweit größten Volksfestes auf der Theresienwiese. Die Wiesn soll ohne jegliche Coronabeschränkungen über die Bühne gehen. Zugangsbeschränkungen mit 1G-, 2G- oder 3G-Regeln sind laut Reiter rechtlich nicht möglich.

Schon seit Längerem war eine Entscheidung erwartet worden, denn die Zeit drängt: Die in diesem Jahr von 17. September bis 3. Oktober stattfindende Wiesn hat einen monatelangen Vorlauf. Verträge müssen geschlossen werden, die Infrastruktur bereitgestellt und die riesigen Holz-Festzelte gezimmert werden.

Die Wiesn bleibt ein ungewisses Fest

Dennoch lässt Reiter keinen Zweifel daran, dass dieses 187. Oktoberfest wegen Corona noch eine sehr ungewisse Veranstaltung ist. „Ich habe mir die Entscheidung definitiv nicht leicht gemacht“, sagt der Rathauschef. Einen so zweifelnden und zerrissen wirkenden Dieter Reiter erlebt man selten. Von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), aber auch aus dem Rathaus selbst war er immer wieder aufgefordert worden, grünes Licht für die Wiesn zu geben. Was ihn sichtlich genervt hat. Über Söder etwa sagt er: „Man kann das Team Vorsicht auflösen und nun Volksfest-Hopping machen.“

Lesen Sie aus unserem Angebot: Cannstatter Volksfest ohne Einschränkungen geplant

Die politische Situation, also der Krieg in der Ukraine, sieht Reiter nicht als Grund, auf die Wiesn zu verzichten – auch wenn, wie er anführt, in Münchens Partnerstadt Kiew „täglich Menschen sterben“. Jeder müsse für sich selbst entscheiden, ob er in dieser Situation auf ein Volksfest gehe – „ich kann es mir persönlich nicht vorstellen“.

Die Angst vor der „Wiesn-Grippe“

Die Coronalage und die mögliche Virusentwicklung stimmen Reiter sehr bedenklich. Es könnte zu einer neuen Welle kommen, die bevorzugt im Herbst beginnt. Auch sind weitere gefährlichere Mutationen des Virus möglich. Das Oktoberfest wird von etwa sechs Millionen Menschen besucht. Vor allem in den großen Festhallen sind die eng aufeinander feiernden Menschen hohen Infektionsrisiken ausgesetzt. Schon vor Corona gab es den Begriff der „Wiesn-Grippe“.

Eindringlich beschreibt Reiter, wie er sich von der Coronapolitik des Bundes und des Freistaates bei der Wiesn-Entscheidung im Stich gelassen fühlt. Mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe er seit vergangenem Sonntag dreimal telefoniert. Dieser habe ihm bescheinigt, für Veranstaltungen wie das Oktoberfest gebe es ein „Restrisiko“. Aber: Die Beschränkungen seien aufgehoben. Der Freistaat wiederum weigert sich, einzelne Städte oder Kreise als Hotspot-Gebiete auszuweisen, in denen wieder mehr Vorschriften gelten würden.

Kurzfristige Absage nicht ausgeschlossen

Bis zum geplanten „O’zapft is“ am 17. September um zwölf Uhr durch den Oberbürgermeister kann bei der Corona-Entwicklung einiges passieren, das auch die Wiesn tangiert. Das Fest steht noch auf sehr unsicheren Füßen. Reiter hält es vor allem für ein Unding, dass nicht an den Eingängen gemäß einer G-Regelung kontrolliert werden darf. Neben den Münchnern kommt halb Deutschland zum Oktoberfest, ebenso wie Besucher aus unzähligen anderen Ländern.

Lesen Sie aus unserem Angebot: Drosten zieht sich aus Expertengremium zurück

Sollte die Virusgefährdungssituation wieder bedrohlich werden und die Kliniken wegen Coronafällen überlastet sein, will Reiter auch eine kurzfristige Absage des Festes nicht ausschließen. Die Verträge mit den Wirten und den Schaustellern würden so abgefasst, dass dies zum unternehmerischen Risiko gehöre und der Stadt München keine Kosten entstünden.

Die Rahmenbedingungen für die Wiesn sind, so Reiters Fazit, „nicht geeignet, um Luftsprünge zu machen“. Er meint: „Ich hoffe auf eine fröhliche Wiesn für alle, die hingehen möchten.“ Am Ende wird er noch auf ein sehr münchnerisches Thema angesprochen: den Bierpreis auf dem Oktoberfest. 2019 lag er bei durchschnittlich 11,30 Euro für die Maß. Ob auch angesichts der Inflation eine deutliche Erhöhung droht? Reiter ruft die Wirte in diesem Jahr zur Mäßigung auf.