In der Messe Karlsruhe sollen kurzfristig bis zu 500 Flüchtlinge unterkommen. Foto: dpa

In einem offenen Brief appellieren die Oberbürgermeister von Baden-Baden, Heilbronn, Pforzheim, Reutlingen und Ulm von Land und Bund mehr Unterstützung bei der Unterbringung von Flüchtlingen – sonst würden die Kommunen schon bald an Grenzen stoßen.

Pforzheim - Zwei Flüchtlingsgipfel haben die Unterbringungsprobleme in Baden-Württemberg nicht lösen können, jetzt ist mehreren Großstädten der Geduldsfaden gerissen. In einem offenen Brief haben fünf Oberbürgermeister Bund und Land zu mehr Hilfe bei der Flüchtlingsunterbringung aufgerufen.

„Ohne umfassende und zielgerichtete Unterstützung durch Bund und Land werden wir schon bald an Grenzen stoßen. Die Folgen eines Scheiterns mögen wir uns alle nicht ausmalen“, heißt es in dem Schreiben an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU).

Die Oberbürgermeister von Baden-Baden, Heilbronn, Pforzheim, Reutlingen und Ulm forderten in dem Appell am Montag unter anderem, weitere Länder als „sichere Herkunftsstaaten“ auszuweisen, schnell zusätzliche Erstaufnahmeplätze zu schaffen und eine bessere finanzielle Unterstützung zu ermöglichen. Auch Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) will, dass die Balkanländer Albanien, Montenegro und Kosovo zu „sicheren Herkunftsländern“ erklärt werden. Das sagte er am Wochenende dem SWR. Die Regelung soll eine Ablehnung im Asylverfahren mit anschließender Abschiebung beschleunigen.

Kommunen: Was hat der flüchtlingsgipfel konkret geplant?

Seit längerem schlagen Kommunen wegen der Engpässe bei der Unterbringung Alarm. Nach dem zweiten Flüchtlingsgipfel Ende Juli hatte Kretschmann ein Maßnahmenpaket vorgestellt, mit dem die grün-rote Landesregierung die Probleme durch die rasant steigenden Flüchtlingszahlen eindämmen will. Darunter fallen auch mehr Plätze in den Landeserstaufnahmeeinrichtungen (Lea) und konsequentere Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber.

Ein Sprecher der Stadt Pforzheim sagte, für die Kommunen sei nicht genau nachvollziehbar, welche Maßnahmen nach den Flüchtlingsgipfeln genau geplant seien. „Uns fehlt es ein bisschen am Konkreten“, kritisierte er. Land und Bund müssten endlich Druck von den Kommunen nehmen. Alle Großstädte ohne Lea hätten extreme Schwierigkeiten, Unterkünfte für Asylbewerber zu finden. Die Wohnungsmärkte seien langsam erschöpft. Für Container gebe es monatelange Lieferzeiten. Die Lage sei dramatisch.

Die Stadt Pforzheim habe sich sehr viel Mühe gegeben, um ein dezentrales Unterbringungskonzept für Flüchtlinge auf die Beine zu stellen. Bisher habe das Land jeden Monat 61 Asylbewerber nach Pforzheim vermittelt, sagte der Sprecher. Diese Zahl sei jedoch seit Juli sprunghaft gestiegen und habe sich im August mehr als verdoppelt. Es zeichne sich ab, dass zum Jahresende 300 Plätze und bis Ende 2016 sogar 1000 Plätze für Flüchtlinge fehlen werden. Die Aufforderung des Landes, Asylbewerber in Mehrzweckhallen und Turnhallen einzuquartieren, habe die Stadt abgelehnt, weil dies einen zu großen Eingriff in das soziale Leben bedeuten würde. Man wolle die Willkommenskultur erhalten. Dazu sei es aber wichtig, die Bürger in die Planungen einzubinden und genau zu informieren.

Täglich kommen Hunderte Flüchtlinge ins Land

Ein Sprecher der Stadt Heilbronn sagte, die Kommune habe zunehmend Probleme, Flüchtlinge adäquat unterzubringen. Von Herbst an werde es voraussichtlich große Engpässe geben. Die Stadt nutzt neben Flüchtlingswohnheimen auch leerstehende Wohnquartiere für die Unterbringung von Asylbewerbern. Zudem wurden die Bewohner aufgerufen, Privatwohnungen zur Verfügung zu stellen.

Täglich kommen Hunderte Flüchtlinge nach Baden-Württemberg. Sie werden inzwischen unter anderem in öffentlichen Gebäuden, Fabriken und einem Zeltlager einquartiert. Am Montag gab der Rhein-Neckar-Kreis bekannt, dass die Kreissporthalle in Wiesloch vorübergehend mit Flüchtlingen belegt werden muss. 120 Menschen sollen dort untergebracht werden. Es handele sich um eine befristete Notlösung, die man bis zuletzt habe verhindern wollen, sagte Wieslochs Bürgermeister Ludwig Sauer.

Der Andrang von Flüchtlingen ist nach wie vor groß. In der Nacht zum Montag wurden 52 illegal eingereiste Flüchtlinge in einem ICE von München nach Stuttgart entdeckt. Ein Zugbegleiter verständigte die Bundespolizei. Bereits am Wochenende hatte die Bundespolizei Stuttgart in Zügen 45 Asylsuchende festgestellt. Sie alle wurden an die Landeserstaufnahmestelle nach Karlsruhe weitergeleitet.

Den offenen Brief gibt es hier als Pdf zum Download.