...Günther Oettinger nach Brüssel. Erst wurde öffentlich bekannt, dass er allenfalls die dritte Wahl der Kanzlerin für das Amt des EU-Kommissars war (nach Norbert Röttgen und Roland Koch). Dann verzögert sich sein Amtsantritt auf frühestens Anfang nächsten Jahres. Und davor muss er auch noch die EU-Parlamentarier von sich überzeugen. Das wird kein Spaziergang, heißt es aus Brüssel. Und Stefan Mappus? Auf der Überholspur in die Villa Reitzenstein steht er nun im Stau und muss warten, dass Oettinger die Hindernisse, also vor allem sich selbst, aus dem Weg räumt. Nicht dass am Ende doch noch ein Gegenkandidat für das Amt des Ministerpräsidenten auftaucht. Foto: dpa

Das Europaparlament muss die neue EU-Kommission bestätigen, doch der Zeitplan gerät durcheinander. Und so müssen sich Günther Oettinger und Stefan Mappus noch gedulden.

Stuttgart/Brüssel - Das Europaparlament muss die neue EU-Kommission erst noch bestätigen, doch der Zeitplan gerät durcheinander. Und so müssen sich Günther Oettinger, der scheidende Ministerpräsident, und Stefan Mappus, sein Nachfolger gedulden.

Die bulgarische EU-Kommissionskandidatin Rumjana Schelewa hat überraschend das Handtuch geworfen. Zu groß ist die Kritik an ihrer Person, an ihren Voraussetzungen für das Amt. Und zu schwer wiegt der Verdacht, sie habe bei der Anhörung in Brüssel pikante Details aus ihrem Privatleben und den finanziellen Verhältnissen verschwiegen.

Die Botschaft vom Verzicht der 40-Jährigen verbreitet sich wie ein Lauffeuer im Landtag. Günther Oettinger, der ein letztes Mal in dieser Funktion auf der Regierungsbank sitzt und aufmerksam die Debatte um den Landeshaushalt 2010/2011 verfolgt, erfährt die Nachricht als einer der Ersten. Und wenn nicht alles täuscht, verfinstert sich in jenem Moment seine Miene.

Wer mag es ihm verdenken. In Gedanken hatte der 56-Jährige bereits die Koffer gepackt. Ende Januar sollte das Europaparlament die künftige EU-Kommission mit allen Kommissaren offiziell wählen. Amtsantritt wäre der 1. Februar gewesen. Dass Oettinger, der nach dem Willen von Kommissionspräsident José Manuel Barroso das EU-Energieressort übernehmen soll, dann dabei ist, stand seit seiner Anhörung in Brüssel außer Frage. Dort hatte er fraktionsübergreifend einen blendenden Eindruck gemacht.

Und so hatten sie in Stuttgart bereits die Pläne für die Amtsübergabe verfeinert. Zwei Tage später, am 28. Januar, sollte der Noch-Fraktionschef im Landtag, Stefan Mappus, zu Oettingers Nachfolger gewählt werden, wenige Stunden später wollte die Landtags-CDU ihren neuen Vorsitzenden küren. Nun aber ist die gesamte Planung reif für den Papierkorb. Durch den Amtsverzicht der Bulgarin und die Tatsache, dass die Regierung in Sofia nun die bisherige Weltbank-Vizepräsidentin Kristalina Georgiewa entsenden will, diese aber noch durch die Anhörung muss, gilt die Zeitplanung nicht mehr.

Im Landtag freilich hoffen sie zu diesem Zeitpunkt noch, Oettinger möge vorzeitig sein Amt in Stuttgart abgeben. "Dass er der künftigen EU-Kommission angehört, steht doch außer Frage. Da geht nichts mehr schief", sagt FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Soll heißen: Den Amtsbonus, auf den Oettinger stets Wert gelegt hat, braucht er nicht mehr für die Wahl in Brüssel. "Wir wollen ihn nicht drängen, er muss es selbst entscheiden", betont Rülke, fügt aber hinzu: "Wir haben in Baden-Württemberg mittlerweile eine dreimonatige Übergangszeit. Es gibt gute Gründe, sie nicht auszudehnen." Zur Erinnerung: Am 24. Oktober 2009 war aus heiterem Himmel die Entscheidung der Bundeskanzlerin bekanntgeworden, Oettinger als EU-Kommissar nach Brüssel zu entsenden. Wenige Stunden später hatte Mappus als Einziger seine Kandidatur für die Nachfolge erklärt.

Nun wartet er auf seine Kür. Und die Zeit drängt, denn in gut einem Jahr ist Landtagswahl. Doch die Hoffnung in der CDU-FDP-Koalition, Oettinger möge nun seinen Platz für Mappus räumen, platzt nur wenige Stunden nach der Nachricht aus Brüssel. Noch am Morgen hat Oettinger betont: "Wenn sich die Sache ein halbes Jahr verschiebt, werde ich mein Ministerpräsidentenamt mit Sicherheit nicht so lange behalten." Nun aber, da das EU-Parlament am 9. Februar die neue Kommission komplett wählen soll, will Oettinger in Stuttgart nicht vorzeitig das Feld räumen, sondern sich als amtierender Ministerpräsident bei der EU der Wahl stellen. "Das gebietet der Respekt vor dem Europaparlament, dessen Entscheidung ich nicht vorgreifen will", lässt er durch seinen Sprecher ausrichten. Ob es wirklich beim 9.Februar bleibt oder sich die Entscheidung in Brüssel womöglich bis Ende Februar hinauszögert, bleibt vorerst unklar. Womit klar ist: Auch der Zeitpunkt für die Kür von Stefan Mappus in Stuttgart ist wieder offen - vielleicht noch vor, vielleicht auch erst nach den Faschingsferien.