Steht das Projekt Östliche Bahnstadt in Nürtingen vor dem Aus? Foto: 7aktuell/Daniel Jüptner

Nach dem Rosensteinviertel steht auch das Nürtinger Projekt Östliche Bahnstadt auf der Kippe. Etwa 200 Wohnungen sollen hier entstehen. Grund ist eine Gesetzesänderung. Die Rathausspitze hat sich ans Bundesbauministerium gewandt.

Ein autofreies Wohnquartier in Nachbarschaft zum Nürtinger Bahnhof: Ist dieser Traum nun geplatzt? Zumindest gab es für die Verwaltungsspitze in der Sommerpause ein böses Erwachen. Denn es stellte sich heraus, dass die Ende 2023 im Bundestag beschlossene Novelle des Allgemeinen Eisenbahngesetzes das geplante städtebauliche Vorzeigeprojekt Östliche Bahnstadt vereiteln könnte. „Da wurde ein Gesetz gemacht, das nicht zu Ende gedacht wurde“, sagt Nürtingens Oberbürgermeister Johannes Fridrich. Er fordert eine schnelle Lösung und richtete seine Kritik auch an Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD). Die rief ihn prompt am Donnerstag an.

Die Stadt plant seit Jahren eine bauliche Neuordnung der Bereiche rund um den Bahnhof. Im Osten der Gleise soll ein Quartier mit rund 200 neuen Wohnungen entstehen, das weitgehend frei von motorisiertem Verkehr ist. Um das zu realisieren, hat die Stadt bereits einen Großteil der Flächen gekauft. Einige mussten auf Antrag beim Eisenbahnbundesamt von sogenannten Bahnbetriebszwecken freigestellt werden – doch das ist bis zur Gesetzesänderung nicht bei allen geschehen. In Paragraf 23 wird nun dem Bahnbetriebszweck ein „überragendes öffentliches Interesse“ zugeschrieben. Das Interesse der Antragssteller muss dieses überwiegen – und Wohnraum erfüllt wohl nicht die Kriterien.

Probleme gelten nicht für „Gleis 13“

Das fällt den Planern der Stadt nun auf die Füße. Derzeit stehe der Kauf einer kleinen Fläche am nördlichen Ende des Areals kurz vor dem Abschluss. Auf den Antrag zur Freistellung von den Bahnbetriebszwecken habe das Eisenbahnbundesamt zurückgemeldet, dass das nicht gehe. Zudem habe sich herausgestellt, dass auch die Entwidmung weiterer bereits gekaufter Flächen, um die sich die Deutsche Bahn kümmern wollte, nicht umgesetzt werden konnte. Betroffen sind Flächen entlang der Bahntrasse, wo unter anderem ein Parkhaus und eine Straße gebaut werden sollen. Aber nach Angaben von Bernd Schwartz, dem Leiter des Amtes für Liegenschaften, auch eines der fünf Baufelder für Wohnen. Das auf der anderen Seite der Schienentrasse liegende Projekt Gleis 13, auf dem ein Investor 300 Wohnungen bauen will, ist nicht betroffen.

Geywitz will neue Regelung finden

Wenn sich das Problem nicht lösen lasse, würde das Neuplanungen von Grund auf bedingen und Verzögerungen, sagt Schwartz. „Das wäre eine Katastrophe.“ Schließlich sei die Bahnstadt Teil der Iba-Projekte und man wolle bis 2027 etwas vorweisen. Zudem wolle man dringend benötigten Wohnraum schaffen. Es seien bereits mehrere Millionen Euro investiert worden. Nürtingen ist nicht die einzige Stadt, deren Pläne von der Gesetzesänderung durchkreuzt werden. Im Juli war bekannt geworden, dass das Rosensteinviertel in Stuttgart auf der Kippe steht. „Ich kannte das Thema, wusste aber nicht, dass es auch ein Nürtinger Thema ist“, so Fridrich. Die infrage stehenden Flächen seien seit dem Zweiten Weltkrieg nicht von der Bahn genutzt worden. Mit dieser gebe es auch keine Probleme. Vielmehr handele die Stadt auch in deren Sinne.

Geschlagen gibt sich Fridrich nicht. Der Rathauschef hat bereits lokale Bundes- und Landtagsabgeordnete angeschrieben – und Geywitz. Er zeigt sich guter Dinge, dass das Problem gelöst werde. Die Ministerin versuche, eine Regelung zu finden, berichtet Fridrich aus dem Gespräch. Es liege jetzt an der Bundespolitik, zu reagieren. „Sonst fährt das Ziel des Wohnungsbaus in Deutschland voll gegen die Wand.“