In der Gegend um Bad Tölz grast Jungvieh friedlich auf der Weide. Unter gewissen Umständen können aber auch Rindviecher ziemlich ungemütlich werden. Foto: dpa

Auf Österreichs Almen greifen Kühe immer häufiger Wanderer und Spaziergänger an.  

Graz - Kühe gelten gemeinhin als äußerst gutmütige Tiere. Doch das Bild der friedlich grasenden Kuh stimmt mit der Realität nicht immer überein. In Österreich sind mehrere Wanderer von Wiederkäuern attackiert worden.

Österreichs Almen, einst Urbilder der Ruhe, ähneln immer öfter spanischen Stierkampfarenen: Erst wurden drei Wanderer im Salzburgischen von Kühen umgestoßen oder überrannt, ein paar Tage später vier Urlauber in der Steiermark. Alle sieben Opfer, darunter fünf Deutsche, mussten mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus. Statt friedlich zu grasen, hatte eine Kuh einer 51-Jährigen ihr Horn in den Oberschenkel gebohrt.

"Von der lieben Milka-Kuh muss man Abschied nehmen", meint der Innsbrucker Sozialwissenschaftler Bernhard Kathan. Der Kuh-Experte, der von einem Forschungsobjekt schon selbst auf die Hörner genommen wurde, glaubt die Gründe für die Angriffslust der Wiederkäuer zu kennen: "Wegen der modernen Tierhaltung sind Rinder an Menschen nicht mehr gewöhnt." Die Ställe, wo auch Almkühe von Oktober bis Mai zu Hause sind, werden immer mehr automatisiert. "Den Bauern", sagt Kathan, "kriegen die Rinder kaum mehr zu Gesicht."

Fleischrinder sind aggressiver als Milchkühe

Kuh ist aber offenbar nicht gleich Kuh: "Grundsätzlich sind Fleischrassen aggressiver als Milchrassen", erläutert der Stuttgarter Tierverhaltensforscher Klaus Zeeb - Kühe, die später im Schlachthof enden, haben meistens ihre Kälber dabei und wollen sie beschützen. Aber keine Regel ohne Ausnahme: Für Kathan gehören die zotteligen Galloways, eine typische Fleischrasse, zu den friedlichsten Rindern überhaupt.

Vollends verwirrend wird es, wenn die Fachwelt kuhentwöhnten Touristen für den Konfliktfall Verhaltenstipps geben soll. Das Bundesland Salzburg empfiehlt in einer Broschüre bei Alm-Alarm "Drohgebärden mit einem Wanderstock" und "laute Zurufe". Verhaltensforscher Zeeb rät jedoch heftig ab: Wer mit Kühen nicht vertraut sei, solle "nicht mit Stöcken hantieren". Schreien solle man nur, wenn man damit "Überlegenheit" vermittle, was das bei einem 600-Kilo-Ungetüm auch immer heißt: "Ängstliche Stimmen helfen nicht." Hunde soll man an der Leine halten und erst loslassen, wenn eine Kuh zum Angriff bläst, meint der Autor der Salzburger Empfehlungen, Tierschützer Alexander Geyrhofer. Eine Sennerin empfiehlt im ORF-Radio dagegen, Hunde immer freilaufen zu lassen. Zeeb schließlich würde "nie mit einem Hund auf die Alm gehen".

Schilder zur Abschreckung

Auf ihre Widersprüche hingewiesen, neigt die Fachwelt zu radikalen Empfehlungen. Könne man eine Rinderherde nicht, wie allseits empfohlen, "weiträumig umgehen", solle man halt wieder absteigen, meint Geyrhofer - selbst wenn man schon drei Stunden Aufstieg hinter sich hat. Rinderhalter schließlich zeigen sich allenfalls an Haftungsfragen interessiert. Die Landwirtschaftskammer in Kärnten etwa empfiehlt, zur Vorsorge gegen Klagen Tafeln aufzustellen: "Achtung Weidevieh! Halten Sie unbedingt Distanz. Betreten und Mitführen von Hunden nur auf eigene Gefahr." So könne man "den Wanderern die Gefahr bewusst machen", meint die Klagenfurter Juristin Doris Hattenberger, die für das Land die rechtlichen Folgen der Kuhattacken begutachtet. Was der Tourist mit seinem Bewusstsein dann anfängt, weiß Hattenberger aber auch nicht.

Bisher wurde erst ein einziger Bauer für seine Rowdy-Rinder zur Verantwortung gezogen: Seine Herde hatte in zwei Wochen gleich drei Wanderer niedergemäht.