Gerd Leiter erklärt einer Anfängerin, wie man richtig zielt und schießt. Foto: Martin Tschepe

Niederthai im Ötztal ist für Langlaufeinsteiger, Wiedereinsteiger und für Familien mit kleinen Kindern ein nahezu idealer Urlaubsort in Österreich.

Fünf Schuss, fünf Treffer. Bombig. Das Biathlontraining für jedermann auf der Hochebene am Ortsrand von Niederthai im Ötztal fängt wirklich gut an. Okay, liegend geschossen und auch ohne größere Anstrengungen vorher, also quasi mit Ruhepuls. „Kompliment“, sagt Gerd Leiter. Er ist der Instruktor, der die Novizen in die Geheimnisse dieses nordischen Schießsports einweist. In Österreich sind fast alle Sportler im Nu per Du. Auch an diesem Vormittag nach einer Nacht, in der Frau Holle im Ötztal für ein paar Zentimeter Neuschnee gesorgt hat. Der Gerd ist richtig gut drauf. Seine beiden Kollegen, die Langlauflehrer Michael Leiter und Joachim Neurauter, grinsen mit Gerd um die Wette, als dieser die Urlauber aus Deutschland auffordert, in die Loipe zu steigen. Ordentlich Gas geben und anschließend gleich noch mal auf die fünf Zielscheiben schießen, diesmal indes nicht liegend, sondern im Stehen - so lautet die nächste Aufgabe.

 

Training am Schießstand

Schon nach ein paar Sekunden auf der Piste rinnt der Schweiß. Das Herz pumpt wie wild. Pulsschlag geschätzt fast 180. Die Runde ist schnell absolviert. Ankunft am Schießstand. Kurz durchschnaufen. Das Gewehr anlegen und die Luft anhalten. Denn wer atmet, der trifft ganz bestimmt nicht. Mann oh Mann, ist das schwierig. Ein elendes Gewackel. Das Ruhighalten des Gewehrs ist kaum möglich. Der Respekt vor Arnd Peiffer, Laura Dahlmaier und den anderen Stars der Biathlonszene wächst ins schier Unermessliche. Der erste Schuss geht daneben. Der zweite auch. Gerd grinst schon wieder. Wäre das hier ein Wettkampf, die Konkurrenten stürmten bestimmt längst auf und davon. Ist aber kein Rennen, sondern ein Kurzurlaub für Langläufer, kombiniert mit ein bisschen Schnupperschießen. Mittlerweile sind bestimmt zwei Minuten vergangen seit der Ankunft am Schießstand. Dritter Schuss - erster Treffer in dieser Runde. Immerhin. Der vierte geht wieder daneben, der fünft sitzt. Zwei von fünf - nicht ganz so schlecht wie zunächst befürchtet.

Biathlon für jedermann wird in Niederthai zweimal die Woche angeboten. Geschossen wird mit Lasertechnik. Ansonsten seien die Gewehre aber identisch mit jenen, die die Asse im Weltcup verwenden, sagt Gerd. Gleiches Gewicht, gleiches Zielfernrohr. Auch die Distanz zum Ziel ist die gleiche: 50 Meter. Gerd erzählt, dass auch die Profis gelegentlich mit solchen Laserwaffen trainierten. Einziger Unterschied zu den Wettkampfgewehren: der Rückstoß, den alle Feuerwaffen erzeugen, der fehle halt. Es ist also ein bisschen angenehmer, mit Lasertechnik zu üben. Nach dem fünften Schuss die nächste Runde in der Loipe, dann wieder zum Schießstand und noch mal eine Runde auf den schmalen Brettern. Schweißtreibend. Das Langlaufzentrum Niederthai oberhalb von Umhausen ist ein nahezu idealer Urlaubsort speziell für (Wieder-)Einsteiger und für Familien mit Kindern, denn gleich neben der Loipe gibt es zwei Skilifte für Anfänger. Eltern können ihre Runden drehen und kommen, wenn sie denn wollen, alle paar Minuten bei ihren Sprösslingen im Skikurs vorbei.

Der klassische Langlaufstil und das Skating

Wer will, der kann sich aber auch die etwa sieben Kilometer lange Tour bis zur Schweinfurter Hütte vornehmen und ist länger unterwegs. Nach dem Mittagessen im Hotel Falknerhof direkt an der Loipe die nächste Trainingseinheit: Technikübungen mit Michael und Joachim. Die beiden leben im Ötztal. Sie sind in Tirol aufgewachsen und haben in frühester Kindheit Skifahren gelernt. „Ich kann mich gar nicht mehr an den ersten Tag auf Skiern erinnern, ich war noch zu klein“, sagt Michael. Seine Familie betreibt einen Gasthof und hält Rinder. Joachim erzählt, dass er im Sommer als Maurer arbeite. Der klassische Stil sei für Langlaufeinsteiger einfacher zu lernen. Das Skating sei schwieriger, weil der Schlittschuhschritt anstrengender ist als das Parallellaufen.

Dennoch wollten viele Schüler sofort mit dem Skating einsteigen, weiß Michael, denn die Biathlonstars im Fernsehen skateten halt auch. Michael schickt seine Schützlinge zunächst ohne Stöcke in die Spur. Diese Übung sei gut, um den Gleichgewichtssinn zu trainieren, sagt er und empfiehlt allen Schülern, schon im Sommer das zu üben. „Putzt euch auf einem Bein stehend die Zähne.“ Dann mit Stöcken laufen: vorn in den Schnee bohren und mit ordentlich Einsatz der Armmuskulatur nach hinten schieben. Bergab gelte es, so gut und so weit wie möglich zu gleiten. Bergauf immer in kleinen Schritten laufen. Langlaufen ist kein Hexenwerk. Auch blutige Anfänger haben die klassische Technik schon nach kurzer Zeit einigermaßen drauf. Beim Skating hingegen kommen manche Neulingen schnell an ihre körperlichen Grenzen. Skating ist nämlich viel anstrengender.

Mittags und an den Abenden lassen sich die Langläufer im Ötztal Tiroler Spezialitäten servieren. Mal Kässpätzle, mal Kaiserschmarrn, mal Wild, mal Fisch. Und dazu süffiges Bier, einen Riesling oder einen Grünen Veltliner. Im Kurzentrum Umhausen können ausgemergelte Langläufer nach dem Sport ganz prima regenerieren. Wie in vielen Wintersportquartieren im Schwimmbad oder in der Sauna - aber auch in einer Kältekammer bei minus 110 Grad Celsius. Der Direktor des Kurzentrums, Michael Rupp, preist diese Ganzkörperkältetherapie als wahres Wundermittel an, das gegen fast jedes Wehwehchen helfe. Ausdauersportler nutzten die Eiskammer nach einer harten Trainingseinheit. Die Kälte wirke aber auch gegen Rheuma und lindere die Beschwerden bei multiple Sklerose, sie helfe bei Depression und bei Neurodermitis, gegen chronische Schmerzen und bei Arthrose. Topmodells wie Fußballprofis schwören auf Kältekammern, das jedenfalls schwört Herr Rupp. Also dann: hineinspaziert. Aber bitte nur für maximal drei Minuten drinnenbleiben. Fühlt sich gar nicht so bitterkalt an wie erwartet. Zu vorgerückter Stunde wird im Gasthof Krone in Umhausen hochprozentiger Zirbengeist serviert, eine österreichische Spezialität. Zielwasser, sagt einer der Möchtegern-Biathleten augenzwinkernd, grinst und kippt den Schnaps hinunter. Wer weiß, vielleicht trifft er am nächsten Morgen beim Schießtraining stehend ja tatsächlich öfter als bei der Premiere an diesem Vormittag.

Infos zu Österreich

Österreich

Anreise

Für die rund 300 Kilometer von Stuttgart nach Umhausen beziehungsweise nach Niederthai im Ötztal in Tirol benötigt der Autofahrer etwa dreieinhalb Stunden.
Die Fahrt mit der Bahn bis ins Ötztal kostet hin und zurück knapp 100 Euro, mit Sparpreisen eventuell weniger ( www.bahn.de ). Man muss mehrmals umsteigen. Vom Bahnhof fahren Busse nach Umhausen und nach Niederthai.

Unterkunft

Eine Woche im Kurzentrum Umhausen kostet inklusive Übernachtung und Vollpension sowie 14 Therapieanwendungen rund 700 Euro. www.kurzentrum.com
Ein Doppelzimmer im Hotel Falknerhof in Niederthai direkt an der Langlaufloipe kostet ab 73 Euro, www.falknerhof.com

Allgemeine Infos

Niederthai liegt auf rund 1500 Höhenmetern. Die Wintersaison beginnt Ende November und dauert bis Ende April. Alle Gäste müssen täglich eine Kurtaxe bezahlen, fünf Euro (bis drei Tage) beziehungsweise drei Euro (bei längeren Aufenthalten). Die rund 30 Kilometer langen Loipen in Niederthai können von den Gästen kostenfrei genutzt werden. Eine 1,5 Kilometer lange Loipenrunde wird werktags bis 21 Uhr von einer Flutlichtanlage beleuchtet. www.oetztal.com

Biathlon

Biathlon für jedermann kostet für zwei Stunden pro Person acht Euro. Die komplette Anlage können Gruppen eineinhalb Stunden lang inklusive Trainer für 150 Euro buchen. Skiausrüstung leihen und Trainingsstunden buchen können die Urlauber bei der Skischule Niederthai: www.schischule-niederthai-umhausen.com