Busse warten am Bahnhof in Bernhausen auf Fahrgäste. Foto: Caroline Holowiecki

Seit Januar 2020 gibt es in Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen die Stadttickets. Die Verkaufszahlen entwickeln sich erfreulich, gleichzeitig fuhr der ÖPNV unfreiwillig auf Sparflamme.

Von den Esslinger Zahlen ist man weit entfernt. In manchen Monaten seit der Einführung im April 2019 hat sich das Stadtticket dort mehr als 40 000-mal verkauft. In Leinfelden-Echterdingen sind im Jahr 2021 knapp 28 000 Stadttickets gekauft worden, in Filderstadt rund 24 000. Jeweils Einzel- und Gruppentickets zusammengerechnet. Eine gute Bilanz ziehen lässt sich in den beiden Kommunen trotzdem für das Stadtticket – aus verschiedenen Gründen.

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Zum einen haben die beiden Kommunen nur jeweils halb so viel Einwohner wie Esslingen. Zum anderen haben sich die Verkaufszahlen der Stadttickets von 2020 (dem ersten Jahr) bis 2021 deutlich nach oben entwickelt, trotz Corona. Zumindest in Filderstadt. Für Leinfelden-Echterdingen liegen keine Zahlen vor. In Filderstadt steigerte sich der Verkauf der Einzeltickets im genannten Zeitraum um rund 15 000 Stück (2020: 9418).

In allen Kommunen dieselben Preise

Die Einzeltickets sind sowohl in Filderstadt als auch in Leinfelden-Echterdingen weitaus beliebter als die Gruppenkarten. Beispiel Leinfelden-Echterdingen: 2021 wurden dort 27 060 Einzeltickets verkauft und 779 für Gruppen. Die beiden Filderkommunen sind nicht die Einzigen mit Stadtticket. Es gibt diese Fahrkarten, die zum Umstieg vom Auto auf Bus auf den ÖPNV ermuntern sollen, eben auch in Esslingen, in Ostfildern, Nürtingen, Ludwigsburg und weiteren Städten und Gemeinden. Bei allen gleich nach Auskunft des Verkehrsverbunds Stuttgart (VVS): die Preise. Sie liegen derzeit bei drei Euro für das Einzelticket und sechs Euro für Gruppen bis zu fünf Personen. Die Fahrkarte berechtigt zur Fahrt im gesamten Stadtgebiet an einem Tag.

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Das Stadtticket ist für die Kommunen nicht umsonst. Sie steuern bei jedem verkauften Ticket etwas bei. Fürs Jahr 2021 wurden in Filderstadt 21 600 Euro fällig, wie Jan-Stefan Blessing, Leiter des Ordnungsamts, auf Nachfrage mitteilt. Vom VVS prognostiziert worden seien 149 000 Euro. Das war vor Corona. Die Stadt spare sich zwar Geld, sagt Blessing, „aber wir wollen ja den ÖPNV-Anteil erhöhen“. Dass die Verkaufszahlen von 2020 auf 2021 erfreulich angestiegen sind, bestärke sie darin, aufs Stadtticket zu setzen.

Mehrheit für Abgabe für den ÖPNV offen

In Esslingen stehen Kommunalpolitiker dem besonderen Angebot auch kritisch gegenüber. Sie führen an, dass die Stadttickets gerade in Corona- und Homeoffice-Zeiten so gut verkauft würden, weil sich Leute damit ein Monatsticket sparen. Denn unter dem Strich hat Corona bewirkt, dass die Fahrgastzahlen im ÖPNV allgemein eingebrochen sind. Sie lägen weit hinter dem Niveau von 2019 zurück, teilt der Branchenverband VDV jüngst mit. Die Nachfrage liege etwa 22 bis 40 Prozent unter der von Ende 2019. Man arbeite „an geeigneten Lösungen und Maßnahmen, um Fahrgäste wieder dauerhaft zurückzugewinnen“, so VDV-Präsident Ingo Wortmann. Und Putins Krieg gegen die Ukraine und die damit steigenden Energie- und Spritpreise bringen aktuell neues Ungemach – auch für die Verkehrsbetriebe. Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann hat gerade einen Krisengipfel ins Gespräch gebracht.

Der Wille, mehr für Bus und Bahn zu tun, scheint in der Bevölkerung jedenfalls grundsätzlich vorhanden zu sein, wie eine Umfrage des Verkehrsministeriums von Baden-Württemberg ergeben hat. So würde es eine deutliche Mehrheit begrüßen, wenn Bus und Bahn ein engmaschigeres Angebot führen. Auch im ländlichen Raum; eine Mehrheit wäre der Umfrage zufolge sogar bereit, für den ÖPNV-Ausbau eine Abgabe zu bezahlen. Allerdings wünscht sich diese Mehrheit auch, dass die Abgabe bei einem Monatsticket angerechnet werden würde. Ein Szenario, in dem das Stadtticket mutmaßlich Geschichte wäre.