Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) will ein Gesetz verabschieden, dass Migranten dabei hilft, ihre Berufsabschlüsse in Baden-Württemberg schneller anerkennen zu lassen. Foto: dpa

Migranten in Baden-Württemberg sollen ihre im Ausland erworbenen Berufs- oder Hochschulabschlüsse künftig leichter anerkannt bekommen. Damit soll der Fachkräftemangel bekämpft werden.

Stuttgart - Langwierige Verfahren und Gänge von Pontius zu Pilatus zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse sollen künftig der Vergangenheit angehören. Migranten sollen ihre im Ausland erworbenen Berufsabschlüsse bei einem Ansprechpartner und schneller anerkannt bekommen. Ein entsprechendes Gesetz gab das Kabinett am Dienstag in Stuttgart zur Anhörung frei. „Damit leisten wir einen Beitrag für mehr Chancengerechtigkeit für die Menschen und zur Deckung des Fachkräftebedarfs im Land“, sagten Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne).

Nach dem vom Kabinett gebilligten Gesetzentwurf haben Menschen mit ausländischen Wurzeln für 260 landesrechtlich geregelte Berufe einen Anspruch darauf, dass geprüft wird, ob ihre Qualifikation gleichwertig mit einem deutschen Referenzberuf ist. Der Bescheid darüber soll spätestens nach drei Monaten ergehen.

Rechtsanspruch auch für Nicht-EU-Bürger

Zu den vom Land reglementierten Berufen gehören Ingenieure, Techniker, Lehrer, Erzieher und Krankenpflegehelfer. Dies sind vor allem solche Berufe, die eine gewisse Sorgfaltspflicht oder potenzielle Gefahren mit sich bringen. Während EU-Angehörige bislang schon einen solchen Rechtsanspruch hatten, wird dieser nun auf Menschen von außerhalb der EU und solche mit Abschlüssen aus Nicht-EU-Staaten ausgeweitet.

Nach Schätzungen gibt es im Südwesten rund 51.000 potenzielle Antragsteller für die sogenannte Gleichwertigkeitsprüfung. Unter den 2600 Menschen, die sich im Rahmen des im April 2012 erlassenen Bundesanerkennungsgesetz für Berufe wie Bürokaufmann, Informatiker oder Industriemechaniker um die Anerkennung ihrer Abschlüsse bemühten, waren bislang 580 aus Baden-Württemberg. Von diesen seien zwei Drittel voll anerkannt worden.

Flankiert wird das Gesetz von einem flächendeckenden Netz von Beratungsangeboten im Südwesten. So gibt es neben zwei vom Bund finanzierten Beratungsstellen für die Anerkennung ausländischer Abschlüsse in Mannheim und Stuttgart seit dem vergangenen Jahr zwei weitere vom Land eingerichtete Stellen in Ulm und Freiburg. Diese vier Kompetenzzentren unterstützen die Migrationsberatungsstellen der Liga der Freien Wohlfahrtspflege in den Stadt- und Landkreisen. Deren Mitarbeiter wurden bereits für Fragen der Anerkennung ausländischer Abschlüsse geschult.

Gesetz kostet das Land nichts

Die Gebühren für das Anerkennungsverfahren bei Regierungspräsidien, Architekten- oder Ingenieurkammer sollen 600 Euro nicht überschreiten. Öney geht von durchschnittlichen Kosten von 250 Euro aus. Die Umsetzung des Gesetzes sei für das Land kostenneutral. Über die Arbeitsagenturen seien auch Nachqualifizierungen möglich, um die volle Anerkennung zu erlangen.

Das Gesetz könne dazu beitragen, vorhandene Qualifikationen transparent und für den Arbeitsmarkt besser verwertbar zu machen, sagte der Hauptgeschäftsführer der IHK Region Stuttgart, Andreas Richter. Die Arbeitgeber im Südwesten begrüßen zwar das Gesetz, das im kommenden Jahr in Kraft treten soll. Sie beklagen aber, dass das Ministerium sich damit zu viel Zeit gelassen habe.

Auch FDP-Landeschefin Birgit Homburger warf Öney vor, Migranten durch Tatenlosigkeit den Weg zum Aufstieg versperrt zu haben. Die CDU-Fraktion sieht in der langen Dauer bis zur Vorlage des Gesetzes den Beweis für die schwache Stellung des Integrationsministeriums.

Öney verteidigte die Arbeit ihres Ressorts, das den Referentenentwurf für das Gesetz bereits 20 Tage nach dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes im April 2012 vorgelegt habe. In einem aufwendigen Verfahren seien die fachgesetzlichen Änderungen von den beteiligten Ministerien - etwa vom Kultusministerium für die Erzieherinnen - erarbeitet worden. Auch aus ihrer Sicht sei die lange Dauer „ärgerlich“ gewesen.

In Hamburg, Niedersachsen, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland sind die jeweiligen Anerkennungsgesetze bereits verabschiedet worden.