So friedlich ist es nur selten in den Ludwigsburger Zugwiesen – an den Wochenenden wird das 17 Hektar große Ökoparadies bei schönem Wetter von einer Besucherwelle überrollt. Foto: Leif Piechowski

Lust und Frust liegen nah beieinander im Ökoparadies in den Zugwiesen. Weil sich das Naturschutzprojekt am Neckar- ufer wachsender Beliebtheit erfreut, will die Stadt Ludwigsburg den Besucherstrom bremsen – und stellt nun Verbots- schilder auf. Denn bei der Suche nach Naherholung kommt die Natur zu kurz.

Ludwigsburg - Das Neckarbiotop in den Zugwiesen gilt als ökologisches Aushängeschild der Barockstadt – und kommt beim Publikum so gut an, dass Ludwigsburg den Besucherandrang in verträgliche Bahnen lenken muss. Mit der Ausbildung von elf Zugwiesen-Guides, die an Wochenenden und Feiertagen in dem 17 Hektar großen Areal unterwegs sind, ist es jedenfalls nicht getan. Weil es den ehrenamtlichen Helfern an Durchsetzungsfähigkeit fehlt, sollen nun Verbotsschilder die schlimmsten Auswüchse in naturverträgliche Bahnen lenken.

Wer am frühen Morgen auf die Aussichtsplattform im Neckarbiotop Zugwiesen steigt, kann den Blick noch ungestört über ein ökologisches Idyll schweifen lassen. Von der Flussbiegung bis zur Staustufe Poppenweiler herrscht Natur pur. Zwitschernde Vögel und der auf einer Wiese still und starr auf fette Frösche lauernde Graureiher prägen das Bild. Ruhe liegt über dem Areal am Neckarufer, das acht Millionen Euro teure Projekt scheint ein echter Glücksfall für die Tier- und Pflanzenwelt zu sein.

Doch nur ein paar Stunden später ändert sich in den Zugwiesen die Atmosphäre: Die ersten Spaziergänger gönnen ihren Hunden ein Planschbad in dem neu geschaffenen Neckar-Seitenarm, eilig hasten Jogger und Radfahrer am Uferbereich des Naturareals vorbei. Rudelweise lärmen Schüler den Steg zur Aussichtsplattform hoch, Jugendliche kühlen die Füße in dem kleinen Bachlauf. Am Rand des Biotops wirft eine Großfamilie den Grill an, ein Reiter steigt ab und wäscht im als Laichzone für die Fischbrut gedachten Flachwasserbereich sein Pferd. Hundert Meter weiter in Richtung Neckarschleuse sind mittlerweile Modellflieger eingefallen – und lassen röhrende Propellermaschinen ferngesteuert in die Luft steigen. An den Wochenende wirken die Zugwiesen zeitweise wie ein Rummelplatz, der Ludwigsburger Freie-Wähler-Stadtrat Reinhard Weiss sprach jüngst beim Blick auf den unerwartet großen Besucherandrang schon von der „Partymeile am Neckarufer“.

„Wenn ihr die Krokodile trefft, gebt ihnen Futter“

Im Ludwigsburger Rathaus wird deshalb seit der Flutung des künstlich geschaffenen Neckar-Seitenarms vor einem Jahr überlegt, wie der ökologische Anspruch des von Bund, Land und Region mitfinanzierten Biotopprojekts und die Interessen erholungsuchender Bürger in Einklang zu bringen sind. Seit Ostern etwa sind elf sogenannte Zugwiesen-Guides im Einsatz, die Besucher vor allem am Wochenende über den Wert der naturnahen Auenlandschaft für Tiere und Pflanzen aufklären. Die freiwilligen Helfer, von der Umweltakademie des Landes in einem 90-stündigen Lehrgang ausgebildet, bieten Führungen an – und weisen Besucher bei eklatantem Fehlverhalten schon mal zurecht. „Wenn ihr die Krokodile trefft, gebt ihnen Futter“, sagt Guide Ulrich Ostarhild gern, wenn Schüler den Bachlauf im Biotop mit dem nah gelegenen Freibad verwechseln.

Auch wenn der kleine Scherz mitunter die gewünschte Wirkung zeigt, ist es mit der Durchsetzungsfähigkeit der Naturführer nicht allzu weit her. Viele Besucher wissen, dass die Zugwiesen-Guides keine Hilfspolizisten für den Naturschutz sind – und kein Recht haben, als Ordnungshüter auch einen Strafzettel auszustellen. „Du hast mir doch eh nichts zu sagen“, reagieren Querfeldein-Radler und Hobby-Griller achselzuckend auf die Schelte. Deshalb will das Rathaus nun mit in den Zugwiesen neu aufgestellten Verbotsschildern plakativ machen, was im Neckarbiotop erlaubt ist – und was brütende Vögel, laichende Fische und seltene Pflanzen nicht vertragen.

Hintergrund der Verbote ist eine jüngst beschlossene Verordnung zum Schutz des Ökoprojekts vor seinen Fans. Gravierende Verstöße können künftig mit einer Geldbuße von bis zu 10.000 Euro geahndet werden. Nach einer Schätzung der Stadt verhalten sich etwa zehn Prozent der Besucher nicht so, wie es im Neckarbiotop wünschenswert wäre. Bleiben sie künftig wenigstens auf den Wegen,ist den Zugwiesen schon gedient.