Auch im Hauptklärwerk Stuttgart-Mühlhausen laufen bereits Versuche zur Entfernung von Spurenstoffen aus dem Abwasser. Foto: Grohe

Der Zustand der Gewässer hat sich zuletzt weiter verbessert, vor allem dank hoher Investitionen in die Kläranlagen des Landes. Doch noch immer gelangen zu viele Spurenstoffe sowie Phosphor in Bäche und Flüsse.

Stuttgart - Der ökologische Zustand der Bäche und Flüsse in Baden-Württemberg hat sich verbessert – aber er ist noch weit davon entfernt, das von der EU vorgeschriebene „gut“ zu erreichen. Laut der letzten Berichte der Landesanstalt für Umwelt (LUBW) erreicht derzeit von 139 untersuchten Gewässern im Südwesten nur eines diese Note, wenn man den Fischreichtum als Indikator betrachtet. 62,8 Prozent kommen zumindest in die nächste Notenstufe „mäßig“. Nimmt man die am Flussgrund lebenden Insekten, Schnecken und Würmer (den sogenannten Makrozoobenthos) als Maßstab, dann sind die Werte allerdings besser; mehr als 50 Prozent der Flüsse werden dann schon in „gut“ oder sogar „sehr gut“ eingestuft. „Wir werden aber in den kommenden Jahren weitere erhebliche Summen investieren müssen“, sagte der Landes-Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) jetzt.

Diese mangelnde ökologische Qualität der Bäche und Flüsse hat viele Ursachen. Dass viele Flüsse kanalisiert und durch Wasserkraftwerke quasi abgeriegelt sind, ist eine davon. Mittlerweile hat man aber teils gesamt Flussläufe, so etwa die Murg, wieder durchgängig gemacht für Fische. Eine weitere Ursache ist der Dünger, der von den Äckern in die Bäche geschwemmt wird. Die Landeswasserversorgung (LW) kritisiert seit Jahren massiv, dass die Politik zu wenig unternehme, um den Nitratgehalt mancher Quellen auf der Alb und im Donauried zu senken. Die LW liefert Trinkwasser für drei Millionen Menschen.

Die Säuberung des Abwassers ist eine Erfolgsgeschichte

Eine ganz zentrale Ursache sind aber die Schadstoffe, die aus den 924 baden-württembergischen Kläranlagen weiterhin in die Gewässer gelangen. Dazu hat das Umweltministerium jetzt einen neuen Lagebericht vorgelegt. Insgesamt ist der Ausbau der Kläranlagen eine Erfolgsgeschichte – in den Jahren 2009 bis 2015 wurden 270 Kläranlagen aufgerüstet und 340 Regenüberlaufbecken neu gebaut oder saniert; seit dem Jahr 2000 sind bereits rund 2,5 Milliarden Euro in Abwasseranlagen investiert worden. Bis 2021 sollen 590 Maßnahmen für fünf Milliarden Euro hinzukommen.

Mittlerweile ist nur noch ein Prozent der Bevölkerung im Südwesten nicht direkt an die Kanalisation angeschlossen. 74 000 Kilometer lang sind alle Abwasserrohre im Land – fast zweimal würden diese Rohre also um die Erde reichen. Die Stickstoffe im Abwasser werden heute zu 79 Prozent herausgefiltert, die Phosphorfracht sogar zu 92 Prozent. Heute gelangen bereits 300 Tonnen Phosphor weniger in die Flüsse als noch vor wenigen Jahren. Allerdings zeigt sich, dass die kleineren Kläranlagen deutlich schlechtere Werte aufweisen – das Land übt deshalb Druck auf die Kommunen aus, sich beim Thema Abwasser zusammenzuschließen.

Phosphor und Spurenstoffe gelangen noch in Flüsse

Zwei zentrale Probleme aber müssen noch gelöst werden. Erstens müsse der Phosphor weiter deutlich reduziert werden, so der Lagebericht – denn die Qualität der Pflanzenwelt in den Gewässern zeige „in weiten Landesteilen Defizite auf“. Zweitens ist es das Ziel, die sogenannten Spurenstoffe – darunter versteht man Rückstände von Medikamenten, Chemikalien oder Pflanzenschutzmitteln – in den Kläranlagen herauszufiltern. Das ist möglich über Aktivkohlefilter, die im Fachjargon als „vierte Reinigungsstufe“ bezeichnet werden. Bisher sind in Baden-Württemberg 13 (von 924!) Kläranlagen damit ausgestattet, fünf weitere bauen oder planen derzeit. Da aber meist die sehr großen Kläranlagen die Initiative ergreifen, können bereits acht Prozent des Abwassers so behandelt werden; in absehbarer Zeit sollen es 20 Prozent sein. Im großen Klärwerk von Stuttgart-Mühlhausen für 1,2 Millionen Einwohner werden seit längerem Versuche angestellt, dennoch wird die Fertigstellung laut Auskunft des Stuttgarter Tiefbauamts vermutlich bis Ende 2027 dauern. In Wendlingen (Kreis Esslingen) steht man dagegen vor der Fertigstellung. In der Kläranlage Böblingen-Sindelfingen läuft die vierte Reinigungsstufe bereits.

Der Landesnaturschutzverband (LNV), ein Zusammenschluss zahlreicher Verbände wie etwa auch dem Schwäbischen Albverein, ruft in einem neuen Flyer die Menschen auf, selbst etwas dafür zu tun, dass Spurenstoffe erst gar nicht in die Kläranlagen gelangen. Das Schmerzmittel Diclofenac führe zum Beispiel bei Fischen zu Schäden an Kiemen, Leber und Niere. Durch Rückstände aus der Antibabypille, die über die Ausscheidungen in die Flüsse kommen, habe man sogar die Verweiblichung männlicher Fische beobachtet. Keine Arznei dürfe über die Toilette entsorgt werden, so der LNV. Und beim Kauf von Kleidung, Schuhen oder Zelten solle man darauf achten, dass bei der Herstellung keine PFC-Chemikalien verwendet worden seien.

Leider ist nun bereits das nächste Problem in den Gewässern aufgetaucht: Mikroplastik. Die Ergebnisse einer länderübergreifenden Studie haben vor wenigen Tagen gezeigt, dass sich „kleinste Kunststoffteilchen inzwischen in praktisch allen Flüssen und Seen nachweisen lassen“, so Umweltminister Untersteller. Aber es ist noch weitgehend unbekannt, wie Mikroplastik in die Gewässer gelangt, welche Auswirkungen es auf Flora und Fauna hat und ob es in den Kläranlagen über die Aktivikohle herausgefiltert werden kann oder ob man eventuell sogar eine eventuell „fünfte Reinigungsstufe“ benötigt. Ein Forschungsprojekt startet in diesem Frühjahr.