Bis sich das Ökosystem in der Jagst erholt, kann es zehn Jahre und länger dauern Foto: Bruno Fischer/Nabu Kirchberg/dpa

Giftiges Löschwasser aus einem Großbrand hat an der Jagst zu einem dramatischen Fischesterben geführt. Die Fischereivereine haben bereits vier Tonnen von Fischkadavern geborgen, ähnlich viele liegen am Grund. Das Ökosystem ist über Jahre geschädigt.

Kirchberg/Heilbronn - Auf den Millionenschaden bei einem Brand der Lobenhäuser Mühle bei Kirchberg (Kreis Schwäbisch Hall) folgt jetzt ein noch viel größerer Schaden von noch nicht überschaubarem Ausmaß: Die idyllisch gelegene Jagst wird durch giftiges Düngemittel im Löschwasser auf Jahre beeinträchtigt sein. Bis sie wieder Lebensraum wird für Fische wie Hecht, Sonnenbarsch, Wels, Regenbogenforelle, Zander, Schneider, Laube, Schmerle oder Aal, kann es zehn Jahre und länger dauern, meinen Fachleute.

Das kontaminierte Wasser verbreitet sich jetzt sukzessive flussabwärts und wird in einigen Tagen auch im Neckar erwartet. Die Behörden raten dringend, in den Flüssen nicht zu baden, kein Trinkwasser zu entnehmen und dort auch nicht Kanu zu fahren. Am frühen Dienstag hatte die Schadstofffahne den Gerabronner Ortsteil Elpershofen erreicht. Fachleute versuchten, am dortigen Wehr das giftige Wasser zu stoppen. Das weiter fließende Wasser wurde belüftet und mit Frischwasser versetzt, um die Schadstoffe zu verdünnen.

Das Unglück nahm am Samstagabend seinen Lauf mit dem Brand der ehemaligen Mühle im Ortsteil Lobenhausen von Kirchberg an der Jagst. Dort wurden offenbar große Mengen von Düngemittel gelagert, das Ammonium enthält. Nach Angaben des Landratsamtes Schwäbisch Hall sei das Löschwasser, wie vorgeschrieben, aufgefangen worden. Die Feuerwehr habe während der Löscharbeiten verhindert, dass das Rückhaltebecken überlief, indem es abgepumpt worden sei. Der Überlaufkanal sei ebenfalls verschlossen worden. Am frühen Sonntag bemerkte ein Feuerwehrmann das Fischesterben. Löschwasser war durch einen Damm in den Mühlkanal gesickert.

Kadaver schädigen Wasserqualität

Eine Wasserprobe ergab, dass die Konzentration an Ammoniumnitrat 200-mal über dem Wert lag, bei dem Fische sterben. Je nach Fischart ist eine Konzentration von 0,5 bis 1 Milligramm pro Liter tödlich.

Bei der Landesanstalt für Umwelt und Messungen Baden-Württemberg (LUBW) standen im Dienstag die Telefone nicht still. Fundierte Aussagen darüber, wie schwer das Ökosystem belastet sei, könnten erst in einigen Tagen getroffen werden. Bislang sei noch nicht einmal klar, wie viel Ammonium überhaupt in die Jagst gelangt sei. „Nach ersten Erkenntnissen aber doch relativ viel“, so eine Sprecherin. Für die Fische sei die Substanz hochtoxisch, bei Kleinlebewesen wie Teichmuscheln und Krebsen fehlten Erkenntnisse. Wie schnell sich das Gift ausbreite, hänge auch von der Strömung ab.

Hilmar Grzesiak, Fachbeauftragter des Nabu, wagt auch keine abschließende Prognose über den ökologischen Schaden. Entscheidend sei letztlich auch, wie stark die Nährtiere der Fische betroffen seien. Sobald die Düngerfahne weiter unten am Fluss angekommen sei, könne man versuchen, Muscheln, Krebse und andere Kleintiere aus dem Oberlauf wieder bei Kirchberg und weiter unten anzusiedeln. Dabei sei aber Vorsicht geboten, damit der Oberlauf nicht ebenfalls beeinträchtigt werde. Ein großes Problem sieht Grzesiak auch durch die Fische selbst: Bei vier Tonnen abgefischter Kadaver lägen bestimmt mindestens ebenso viele tot auf dem Grund. Dadurch leide die Wasserqualität der Jagst über lange Zeit erheblich.

Katastrophe für die Tierwelt

Am Dienstagabend war klar, dass die Maßnahmen in Gerabronn gewirkt und eine Verdoppelung des Sauerstoffgehalts im Wasser gebracht haben. Landwirte wurden angewiesen, der Jagst Wasser zu entnehmen und auf die Felder auszubringen. Mit Güllefässern wurde Frischwasser aus dem Kocher in die Jagst nachgeführt. Bis dahin war die Schadstoffahne in Langenburg-Bächlingen angekommen, wo das Wasser abgepumpt, geklärt und zurückgeführt wurde. Dennoch: „Schon jetzt ist feststellbar, dass sich für die Tierwelt in der Jagst eine Katastrophe ereignet hat, von der sich die Ökologie erst nach mehreren Jahren erholen wird“, teilt das Landratsamt Schwäbisch Hall mit.