In der Dämmerung geht der Jäger, auch der ökologische, auf die Pirsch. Foto: dpa

Nicht Anfüttern – und bloß keine Trophäen: Die ökologischen Jäger schießen auch, aber anders. Am Samstag haben sie in Möhringen getagt.

Möhringen - Wie äußert sich das Verständnis der deutschen Gesellschaft von Jagd? Klaus Borger hat sich dazu auf der Internetseite des Spielzeug-Herstellers Playmobil umgetan. Eine idyllische Plastikfiguren-Szenerie hat er dort gefunden und auf Folie gebannt – die perfekte Einleitung für seinen Vortrag. Der Ökologische Jagdverein Baden-Württemberg hatte zur Jahresversammlung ins Möhringer Waldheim geladen. Borger – Jäger, Grüner und bis zu den Wahlen im Saarland Staatssekretär im dortigen Umweltministerium – referiert über die „Fehlprägung von Wild, Jäger und Gesellschaft“.

„Hier eine Fichte, sie überlebt den Wildverbiss am besten“, sagt er und deutet mit dem Zeigestift auf ein Spielzeugbäumchen. Der Zeigestift wandert weiter. Ein Playmobil-Männchen sitzt als Jäger auf einem Hochsitz. Daneben die Futterkrippe. „Und an der Futterkrippe ein Hirsch. Mit stattlichem Geweih natürlich“, fügt er ironisch hinzu. Das konventionelle Verständnis von Jagd – „es wird bereits im Kinderzimmer eingeübt“.

Legeres in Tarngrün und Hellbraun

Auf den ersten Blick unterscheiden sich die ökologischen Jäger wenig von den konventionellen Jägern in Freizeit-Kluft: Im Möhringer Waldheim dominiert Legeres in Tarngrün und Hellbraun, Janker aus Cord- und Tweedstoffen. Die meisten Hemden werden von Hirschhornknöpfen zusammengehalten. Hunde – darunter viele Dackel – kläffen durcheinander. Vielleicht ist der Altersschnitt ein wenig niedriger, möglicherweise die Zustimmung zur aktuellen grün-roten Landesregierung größer als auf einem Kongress konventioneller Jäger. Sicherlich ist ihre Verteilung über das Land gering. 324 Mitglieder hat der Ökologische Jagdverein in Baden-Württemberg. Dem stehen laut Christian Kirch, dem Vorsitzenden der Südwest-Sektion, mehr als 20 000 Jäger im Landesjagdverband gegenüber. Aber in punkto Einfluss, etwa auf die Ausgestaltung des neuen Jagdrechts in Baden-Württemberg, fühle man sich aber nicht machtlos. „Wir haben die Umweltverbände, etwa den BUND, hinter uns.“

Die ökologischen Jäger setzen sich für ein anderes Verständnis von Jagd ein. Kein Anfüttern mehr. Das Nahrungsüberangebot mache die Tiere krank. Von den Folgen spricht der zum Vortrag geladene Wildtierforscher Klaus M. Scheibe vom Leibnitz-Institut aus Berlin. Durch das Füttern verendeten weniger Tiere an Hunger. „Gewonnen ist damit jedoch wenig: Es verhindert die natürliche Auslese.“ Durch das untypisch große Nahrungsangebot leide das Wild an Übergewicht und Entzündungen in den Füßen. Besonders im Winter sei Anfüttern problematisch. „Ihr Körper ist dann auf Mangel eingestellt.“ Füttern, das bewirke die Verhausschweinung des Wildes, sagt Scheibe.

So wenig wie möglich in die natürlichen Bedingungen des Wildes eingreifen – das sind die zentrale Forderungen des Ökologischen Jagdvereins. Vorne projiziert Klaus Borger Werbung für einen Salzleckstein an die Wand. „Mehr Geweih, mehr Fruchtbarkeit“, liest er die Verheißungen des Wundermittels vor. „Mehr Fruchtbarkeit, genau das, was wir brauchen“, kommentiert er sarkastisch.

„Mit Sicherheit schießen wir mehr“

Auf die Frage, ob er mehr oder weniger Wild als ein konventioneller Jäger schieße, antwortet Hans-Friedrich Kächele: „Mit Sicherheit mehr.“ Kächele ist Gründungsvorsitzender der ökologischen Jäger von Baden-Württemberg. „Es muss in vielen Revieren mehr gejagt werden. Sonst ist der Wildverbiss zu groß, die naturnahe Verjüngung des Waldes gefährdet.“ Das von konventionellen Jägern oft vorgebrachte Argument, dass irgendwann die Wälder leer geknallt seien? Kächele glaubt das nicht: „Weil trotz des Verbotes so viel gefüttert wird, vermehren sich die Tiere so stark.“