Nach wochenlanger Abstinenz öffnen am Montag Friseursalons wieder. Foto: dpa/Carsten Rehder

Endlich wieder ein professioneller Haarschnitt: Tausende von Kunden im Südwesten zieht es in die Friseursalons, die nach wochenlanger Zwangspause wieder öffnen. Doch vieles ändert sich.

Reutlingen/Freiburg - Der Countdown zur Öffnung der rund 11 500 Friseursalons im Südwesten läuft: Von Montag an heißt es wieder Waschen, Schneiden, Legen. Nach siebenwöchiger Abstinenz wegen der Corona-Krise gibt es einen Andrang auf die Haarkünstler, die sich vor Terminwünschen kaum retten können. Manch eine Kundin will endlich die im Selbstversuch verunglückte Haarfarbe loswerden, den ergrauten Haaransatz kaschieren oder den Pony begradigen lassen. „Viele Kundinnen freuen sich auf den Friseurbesuch wie auf Weihnachten“, erzählt Roberto Laraia, der zwei Salons in Tübingen und Reutlingen betreibt. Auch beim Freiburger Friseur Ingmar Schettler sind in der ersten Woche alle Termine vergeben. Die Nachfrage sei von Männern wie Frauen gleich riesig.

Lesen Sie hier: Von Montag an wird der Friseurbesuch anders aussehen

Manch einer mag sich wundern, dass die Friseure ihre Arbeit eng am Kunden wiederaufnehmen, aber etwa Museen geschlossen bleiben. Friseurbesuche gehörten in gewisser Weise zur Grundversorgung und seien für viele Menschen Teil der persönlichen Hygiene, heißt es im Gesundheitsministerium. „Einen Museumsbesuch kann man immerhin noch virtuell genießen“, betont eine Sprecherin. Eine Weile auf das professionelle Haareschneiden zu verzichten, sei sicherlich möglich, aber nicht über Monate hinweg. Selbstverständlich müssten die Friseure strenge Hygienemaßnahmen einhalten. Schettler bringt es auf den Punkt: „Man fühlt sich einfach besser, wenn man weiß, auf dem Kopf sieht es ordentlich aus.“

Stillstand hat viel Geld gekostet

Den Friseuren fällt ein Stein vom Herz, dass das Land sie jetzt wieder ihre Scheren schwingen lässt. „Ich sehe endlich Licht am Ende des Tunnels“, sagt Schettler erleichtert. Die Zwangspause hat ihn finanziell zurückgeworfen, aber dank Soforthilfe sei er nicht in die roten Zahlen gerutscht. Das Kurzarbeitergeld hat ihm geholfen seine zwölf Mitarbeiter zu halten. Auch die Stundung der Mieten für seine zwei Salons habe geholfen. Den Reutlinger Kollegen Laraia hat der wochenlange Stillstand 80 000 Euro gekostet.

Angesichts immenser Einnahmenausfälle sieht der Fachverband Friseur und Kosmetik eine Marktbereinigung voraus. Landesgeschäftsführer Matthias Moser: „Von Insolvenz sind insbesondere Betrieb ohne Rücklagen bedroht.“ Vor fünf Jahren waren es noch 10 800 Friseurläden.

Die Kleinunternehmer sind aber nicht nur durch fehlende Einnahmen gebeutelt. Denn auch die neuen Regeln zum Schutz vor Ansteckung mit dem Coronavirus schlagen heftig zu Buche: Weil der Abstand zwischen den Arbeitsplätzen mindestens 1,5 Meter voneinander entfernt sein muss, werden Kapazitäten verringert. Das bedeutet etwa in Laraias Salon einen Verlust von 30 Prozent der Arbeitsplätze.

Der Coiffeur zählt auf, welche Kosten auf das Handwerk wegen Corona noch zukommen: Desinfektionsmittel, die vor und nach jedem Kundenbesuch zu verwenden sind - und deren Preis sich verdreifacht habe; Einmalumhänge und ein Reservoir von Schutzmasken für Mitarbeiter und Kunden, die ihren Mund-Nasen-Schutz vergessen haben.

Mehraufwand kostet Kunden mehr

Für die Kunden wird sich der Mehraufwand im Geldbeutel wohl bemerkbar machen. Laraia: „Die Preise werden etwas nach oben angepasst werden.“ Die zusätzlichen Kosten würden aber nicht eins zu eins weitergegeben, sondern mit Rücksicht auf die zum Teil ebenfalls coronabedingt klammen Kunden.

Auch für die Kunden beginnt eine neue Ära: Sie müssen Termine laut Richtlinie des Landes online oder telefonisch vereinbaren, um Warteschlangen vor den Salons zu vermeiden. Die oft sehr preisgünstigen „Walk in“-Betriebe müssen sich am meisten umstellen. Friseurmeister Laraia hofft, dass diese Vorgabe erfüllt wird. „Sonst könnten wir alle wieder geschlossen werden.“ Kunden müssen ihre Telefonnummern hinterlassen, damit im Ernstfall Infektionsketten nachverfolgt werden können. Überdies sind sogenannte „Face-to-Face“-Dienstleistungen wie Rasur oder das Tönen von Augenbrauen und Wimpern tabu.

Die Friseursalons als Orte des Wohlfühlens und der Entspannung im stressigen Alltag gehören vorerst der Vergangenheit an. Bei der Anmeldung müssen die Kundenwünsche gleich aufgenommen werden. So soll laut Richtlinie des Landes die Kommunikation auf ein Minimum reduziert werden. Auch auf die liebgewonnen Boulevard-Blättchen, die man sonst nie kaufen würde, fallen dem Infektionsschutz zum Opfer. Es müssten einige Abstriche gemacht werden, sagt Laraia, der auch Art Director des Fachverbandes im Südwesten ist. „Das wollen wir mit einer schönen Kopfmassage erträglicher machen.“ Gerade bei der „Arbeit hart am Mann oder an der Frau“ sei es Ziel, Ängste gar nicht erst aufkommen zu lassen und das Vertrauen der Kunden zu gewinnen.