Das Neue Schloss mit Ehrenhof. Der Mitteltrakt soll den Bürgern künftig offen stehen. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Das Neue Schloss im Herzen der Landeshauptstadt soll ein Schloss für alle sein – das wird höchste Zeit, findet Lokalchef Jan Sellner.

Stuttgart - Es gibt Stuttgarter – und das nicht wenige – , die halten den Schlossplatz für einen der schönsten Plätze Europas. Vergleiche sind immer schwierig, jeder Platz ist anders, aber besonders ist der Schlossplatz mit seiner barocken Gartenanlage, dem Musikpavillon, der Jubiläumssäule und den Brunnen zweifellos. Zu dem großartigen Eindruck trägt vor allem auch das Neue Schloss bei. Seit mehr als 200 Jahren thront die frühere Residenz der württembergischen Könige im Herzen Stuttgarts. Es ist der Nabel der Stadt.

Die Bürger nehmen das einst von Leopoldo Retti konzipierte Schloss indes vornehmlich als Kulisse wahr – für das Trickfilmfestival, das Kinderfest, das Stadtfest, die Jazz Open oder zuletzt für das historische Volksfest. Das Innere des Schlosses hingegen ist der Öffentlichkeit weitgehend verschlossen. Die sogenannte gute Stube des Landes und der Stadt erinnert an die früher in vielen Haushalten geübte Praxis, das ansonsten ungeheizte Wohnzimmer nur zu besonderen Anlässen zu öffnen. Jetzt soll im Neuen Schloss in übertragenem Sinne dauerhaft eingeheizt werden. Und das wird höchste Zeit.

„Wir wollen da rein!“

Bereits seit sieben Jahren wird in Stuttgart über eine Öffnung des Schloss debattiert – ausgehend von einem Konzept des Kommunikationsfachmanns Johannes Milla. Sein Anliegen war es, das Neue Schloss als Ganzes in ein leicht zugängliches Demokratie-Labor zu verwandeln. Viel passiert ist seitdem nicht. Der Grad der Offenheit nach der Abdankung des letzten württembergischen Königs Wilhelm II., als das Neue Schloss mehrere Museen, Schauräume und eine Gaststätte beherbergte, wurde jedenfalls nicht wieder erreicht.

Die notwendige Sanierung des Mitteltrakts und der Schloss-Technik lässt solche Überlegungen jetzt endlich weniger vage erscheinen. Hausherr Kretschmann, scheint entschlossen mit der Bürgernähe an diesem Ort Ernst zu machen. Er kommt damit einem weit verbreiteten Wunsch nach. Oder um es mit einem früheren Bundeskanzler zu sagen: Wir wollen da rein! Und es gibt auch bereits konkrete Vorstellungen, was die Bürger im Inneren sehen wollen: ein Stück Schlossgeschichte in Form von Ausstellungen und rekonstruierten Räumen. Begrüßenswert ist außerdem der Ansatz, den dann zugänglichen Teil des Schlosses zu einem Ort zu machen, in dem sich ein politischer Diskurs entfalten kann – speziell auch für Jüngere.

Ein Gesamterlebnis schaffen

Gut, dass die Ideenskizze noch kein fertiger Entwurf ist, sondern ein Diskussionspapier. Diskutiert werden sollte beispielsweise die Art der Querung des Gebäudes vom Ehrenhof zum Akademiegarten. Ist eine Art Tunnellösung, wie jetzt angedacht, tatsächlich sinnvoll? Oder öffnet man das Neue Schloss nicht besser im Erdgeschoss zum Landtag, dem Akademiegarten und der Landesbibliothek hin – etwa nach dem Vorbild des Stadtpalais mit seiner einladenden Foyer-Situation? Schließlich geht es nicht darum, das Schloss irgendwie zur durchqueren, sondern als Gebäude zu erleben.

Wichtig ist auch eine enge Abstimmung mit den anderen im Kulturquartier versammelten Kultureinrichtungen wie dem Haus der Geschichte sowie dem Kunstgebäude, das während der Sanierungsphase zum Ersatzspielort für offiziellen Veranstaltungen der Landesregierung werden soll. Es muss mehr sein als ein Ausweichquartier – nämlich ein Teil des Gesamterlebnisses Schlossplatz. Das Potential ist groß. Hoffentlich wird es genutzt.