Daimler-Betriebsratschef Michael Brecht: „Eine solche Vorverurteilung habe mit einem fairen Verfahren nicht viel zu tun.“ Foto: dpa

Erst eine Razzia, dann die Ansagen des Bundesverkehrsministers: Beim Diesel werden Behörden nach Ansicht des Daimler-Betriebsratschefs in Stuttgart nicht immer ihrer Verantwortung gerecht.

Stuttgart - Daimler-Betriebsratschef Michael Brecht übt scharfe Kritik am Vorgehen der Justiz im Zusammenhang mit Durchsuchungen bei Daimler. „Meines Wissens gibt es in Deutschland noch immer das gute rechtsstaatliche Prinzip, wonach jeder, der nicht schuldig gesprochen wurde, als unschuldig zu gelten hat“, sagte Brecht unserer Zeitung.

„Wenn Untersuchungen aber derart medienwirksam geführt werden wie das derzeit der Fall ist, gleicht das in der öffentlichen Wirkung einem Schuldspruch, obwohl noch lange kein Urteil gefällt ist.“ Eine solche Vorverurteilung habe mit einem fairen Verfahren nicht viel zu tun.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart wies die Vorwürfe zurück. Gerade weil man die Unschuldsvermutung ernst nehme, habe man Presseanfragen „äußerst restriktiv“ beantwortet, sagte ein Sprecher.

„Verantwortung für Deutschlands Leitindustrie“

Zum Vorgehen von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer im Zusammenhang mit dem Dieselskandal sagte Brecht, dieser müsse natürlich für die Einhaltung der Abgasvorschriften sorgen, habe aber auch „eine große Verantwortung für die Leitindustrie der deutschen Wirtschaft, an der direkt im Inland 880 000 Arbeitsplätze hängen“. Neben den Altlasten beim Diesel gebe es auch wichtige Zukunftsthemen zu bewältigen - die immer weitere Verbrauchssenkung beim Verbrennungsmotor und die Elektromobilität. „Wir haben hier drei riesige Themen vor uns, die wir parallel bearbeiten müssen und von denen jedes gewaltige Summen beansprucht“, so Brecht. „Konzentrieren wir uns zu sehr auf eines der Themen, leiden die anderen.“

Die Entscheidung der deutschen Autoindustrie gegen eine Batteriefabrik fürs E-Auto hält Brecht für falsch. Asiatische Hersteller verkauften ihre Produkte zu Preisen unterhalb ihrer Produktionskosten. Doch sobald die Nachfrage die Produktionskapazität übersteige, werde „der Preis kippen. Dann können diese Anbieter ihre Marktmacht voll ausspielen, und die Autohersteller werden darum betteln, beliefert zu werden.“