Im Freiburger Bermudadreieck versammeln sich zu später Stunde oftmals Hunderte und konsumieren erhebliche Mengen Alkohol. Foto: dpa

Polizei ermittelt mindestens zwölf Brennpunkte im Land, an denen Gewalt Alltag ist.

Stuttgart - Dass öffentliche Saufgelage ein Problem sind, räumen auch tolerante Beobachter ein. Aber deswegen gleich Alkohol verbieten? Die Polizei hat das Phänomen genauer untersucht und liefert für diese Zwangsmaßnahme gute Argumente.

Ein Vergnügen ist es sicher nicht, an pöbelnden Jugendlichen vorbeizugehen. Doch die Toleranzbereitschaft der Bürger ist unterschiedlich, und eher selten handelt es sich gleich um einen kriminellen Brennpunkt, wenn irgendwo ein paar Flaschen zu Bruch gehen.

Doch die Klagen über Saufgelage häufen sich seit Jahren - verbunden mit der kommunalen Forderung, das Polizeigesetz zu ändern, um Alkoholverbote aussprechen zu können. Um dafür argumentativ gerüstet zu sein, hat bereits die alte Landesregierung die Polizeidirektion Freiburg beauftragt, eine Umfrage unter allen Dienststellen im Südwesten zu machen. Das Ziel war, anhand objektiver Kriterien zu ergründen, wo es tatsächlich öffentliche Kriminalitätsbrennpunkte im Land gibt.

Untergrenze: mindestens 50 Straftaten

Seit einigen Wochen liegt die Auswertung nun vor, und sie ist so brisant, dass die Landtags-Grünen prompt ihre bisher ablehnende Haltung zu einem Alkoholverbot aufgegeben haben. Die Statistik zeigt nämlich, dass das Problem zwar nicht massenhaft, aber in einigen Städten massiver auftritt, als dies bis dato bekannt war: Mindestens zwölf solcher Brennpunkte hat die Polizei im Südwesten identifiziert.

Um dieses Etikett zu erhalten, muss eine Menge zusammenkommen. So wurden als Untergrenze mindestens 50 Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten pro Jahr zugrunde gelegt. Und zwar solche, die im Zusammenhang mit Alkoholkonsum stehen. Körperverletzung und Raub gehören dazu, aber auch Ordnungswidrigkeiten wie etwa Belästigungen, sofern diese an sensiblen Orten wie etwa in der Nähe von Schulen oder Kindergärten begangen wurden.

An fünf dieser Plätze werden laut Statistik jährlich jeweils mehr als Hundert Delikte begangen - häufig verbunden mit Gewalt. "Das bedeutet, an diesen Örtlichkeiten werden wöchentlich mehrere Straftaten angezeigt", heißt es in dem Bericht, der unserer Zeitung vorliegt.

Belastungsfaktoren errechnet

Belastungsfaktoren errechnet

Doch nicht nur die absolute Zahl der Straftaten und Ordnungswidrigkeiten spielte bei der Einstufung als Brennpunkt eine Rolle. Auch die Frage, inwieweit sich ein solcher Platz von vergleichbaren Orten einer Stadt abhebt, ist für die Polizei ein Anhaltspunkt. Sie errechnet dazu aus verschiedenen statistischen Werten sogenannte Belastungsfaktoren. Die gesamte Stadt Freiburg kommt dabei zum Beispiel auf den Wert 17,5, die Altstadt auf den Wert 770.

Das sogenannte Bermudadreieck jedoch, jener Bereich zwischen Martinstor, Bertoldsbrunnen und Werderring, wo Jugendliche regelmäßig über die Stränge schlagen, weist einen Belastungsfaktor von 5000 auf. Das ist 290-fach höher als im Durchschnitt der Stadt. "Als Ergebnis gilt festzuhalten, dass sehr viel dafür spricht, dass ein Brennpunkt vorliegt, wenn die vier- bis fünffache Belastung gegenüber der Vergleichsfläche vorliegt", heißt es in der Studie. Die Auswertung habe außerdem ergeben, dass Brennpunkte vor allem dort entstehen, wo man billigen Alkohol kaufen kann.

Noch ein weiteres Kriterium muss erfüllt sein, um als Brennpunkt und somit als Gebiet zu gelten, auf dem möglicherweise ein Alkoholverbot ausgesprochen werden kann: Es müssen viele Menschen zusammenkommen. Ein Brennpunkt werde dadurch charakterisiert, dass der Einzelne nicht mehr ohne weiteres identifizierbar sei, heißt es. Unüberschaubar sei eine Situation meist dann, wenn sich mehr als 100 Menschen auf einem Platz aufhalten.

Viele wollen einfach die Szene weghaben

Rein nach der Statistik dürfe man jedoch nicht urteilen, sagte Berthold Fingerlin, der Leiter der Studie, unserer Zeitung: "Die Entscheidung, ob ein Brennpunkt vorliegt, bedarf einer Gesamtbetrachtung." Eine leichte Belastungssituation sei nicht ausreichend für diese Einstufung. An strengen Kriterien gemessen sind also längst nicht alle jener 53 Plätze als Brennpunkte zu werten, die von den Kommunen nach Freiburg gemeldet wurden. Dabei schwingen nach Fingerlins Einschätzung Motive mit, "die keine oder nur bedingt eine polizeiliche Aufgabe darstellen". Soll heißen: Viele wollen einfach die Szene weghaben.

Welche Städte denn nun tatsächlich Brennpunkte aufzuweisen haben, geht aus der Studie allerdings nicht konkret hervor. Sie liefert lediglich anonymisiertes Datenmaterial. Stuttgart und Mannheim haben darüber hinaus überhaupt keine Brennpunkte gemeldet: "Für uns gab es dazu keinen Anlass, denn in Stuttgart gibt es keine solche Verfestigung der Szene", heißt es als Begründung im Polizeipräsidium.

Großstadt bedeutet also nicht automatisch Brennpunkt. Niemand kann nach dieser Studie jedoch behaupten, dass es das Problem im Land nicht gäbe.