Wo die Gelben Bänder wehen, winkt reiche Ernte. Foto: Ines Rudel

In Filderstadt können Streuobstwiesenbesitzer schon seit Jahren Bäume markieren, die sie zur Ernte für jedermann freigeben. Andere Städte kritisieren das Konzept. Wie erfolgreich ist es wirklich?

Die sogenannten Gelben Bänder gelten als Erfolgsgeschichte. Sie werden von Streuobstwiesenbesitzer um Bäume gebunden, damit geben sie sie zum Abernten für jedermann frei. Filderstadt hat dieses Konzept schon 2015 aufgegriffen, als eine der ersten Kommunen überhaupt. Dennoch, in anderen Städten ist die Skepsis gegenüber den Gelben Bändern groß, so zum Beispiel in Stuttgart. Noch Anfang Oktober schrieb die Pressestelle der Stadt in einer Stellungnahme: „Nach unseren Recherchen funktionieren die Gelben Bänder nicht, da viele Obstwiesenbesitzer keinen Überblick haben, wer dann wie erntet. Bei unsachgemäßer Ernte können Bäume zum Beispiel geschädigt werden.“ Wie erfolgreich ist das Konzept also wirklich?

Das Interesse am Selbsternten sei groß, betont Claudia Arold, die Leiterin des Umweltschutzreferats in Filderstadt. Das betreffe aber nicht nur die Gelben Bänder, sondern auch die Obstbörse, die es noch viel länger gebe. Bei dieser werden Anbieter und Nachfrager direkt zusammengebracht. Das heißt, der Baumbesitzer weiß, wer auf seiner Wiese erntet. Das sei bei den Gelben Bändern anders, und in der Tat seien manche Baumbesitzer daher zurückhaltender. Insbesondere in diesem Herbst habe es keinen großen Ansturm gegeben. Das hänge aber auch damit zusammen, dass 2022 ein schlechtes Obstjahr sei und es insgesamt nur wenig zu ernten gebe. In Filderstadt können die Gelben Bänder beim Umweltschutzreferat bestellt oder auch direkt abgeholt werden. Das hätten in den vergangenen Wochen aber nur etwa zehn Streuobstwiesenbesitzer getan, räumt Claudia Arold ein.

Es habe noch nie negative Rückmeldungen gegeben

Um so größer sei das Interesse jedoch seit jeher bei denjenigen, die gerne pflücken wollen. Sie würden das Konzept mit den markierten Bäumen als unkomplizierter und flexibler empfinden als die Obstbörse, berichtet die Leiterin des Umweltschutzreferats. „Es gab schon Jahre, da sind die Leute von Ludwigsburg bis nach Filderstadt gefahren, um auf unseren Streuobstwiesen zu ernten.“ Die Gelben Bänder würden „dem Zeitgeist entsprechen“. Und die Menschen auf den Fildern scheinen die Bäume pfleglich zu behandeln. Negative Rückmeldungen von Streuobstwiesenbesitzern, beispielsweise wegen heruntergerissener Äste, hat Claudia Arold jedenfalls noch nie bekommen.

In diesem Jahr stellt Filderstadt erstmals auch die Früchte von den eigenen Streuobstwiesen für alle zur Verfügung. Die Verwaltung spricht von einem „Soforthilfeprogramm“ wegen der gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise. Auf der Internetseite www.filderstadt.de findet sich eine Übersicht mit allen städtischen Obstbäumen und Flächenlosen. Jeder kann frei wählen. Eine Rückmeldung an die Stadt hinsichtlich des gewählten Obstbaumes ist nicht notwendig. Die Kennzeichnung und Reservierung von einzelnen Bäumen ist untersagt.

Stuttgart testet Gelbe Bänder in Weilimdorf

Und auch in Stuttgart gibt es ein Novum: Im Stadtbezirk Weilimdorf werden in diesem Herbst zum ersten Mal die sogenannten Gelben Bänder getestet. Die Idee sei beim Runden Tisch Landwirtschaft aufgekommen und im Beisein verschiedener Akteure mit Oberbürgermeister Frank Nopper diskutiert worden, erklärt die Pressestelle auf Nachfrage. Das Garten-, Friedhofs- und Forstamt sei aufgefordert worden, diese zu prüfen und nach Möglichkeit umzusetzen. Die Flächen, auf denen die Gelben Bänder nun getestet werden, würden sich in städtischer Verwaltung befinden und keine sensiblen Biotope betreffen, so die Auskunft der Pressestelle. Nach Ende der Erntezeit werde man die Bäume auf eventuelle Schäden prüfen. Ob die Aktion in den kommenden Jahren fortgeführt werde, sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt offen.

Kulturgut Streuobstwiese

Gelbe Bänder
In Filderstadt gibt es die Gelben Bänder seit 2015. Der Landkreis Esslingen griff diese Idee 2019 auf und übernahm die Leitung der Aktion. Dafür erhielt er 2020 sogar den Bundespreis „Zu gut für die Tonne“.

Streuobstwiesen
In Baden-Württemberg stehen nach aktuellen Erhebungen des Naturschutzbundes (Nabu) rund 9,7 Millionen Streuobstbäume. Allein in Stuttgart wachsen davon schätzungsweise 67 000. Im Landkreis Esslingen sind es etwa 9600 Hektar an Streuobstwiesen mit geschätzt 768 000 Obstbäumen. Neben der Aufgabe als Nahrungslieferant bieten sie Lebensraum für zahlreiche Pflanzenarten, Vögel, kleine Säugetiere sowie Insekten und tragen somit zur Biodiversität bei. atz