Joachim Mergenthaler aus Waiblingen bietet Erdbeeren auf Wunsch der Kunden bereits ab Mai an – wissend, dass die Saison eigentlich im Juni beginnt. Foto: Gottfried Stoppel

Die Erdbeeren im Remstal sind später dran als sonst, bei Spargel hat sich der vergangene trockene Sommer auf die Stärke der Stangen ausgewirkt – und Frost hat die Kirschblüte geschädigt. Die Kundschaft will dennoch große Auswahl. Wie passt das zusammen?

Ist der Mai kühl und nass, füllt es den Bauern Keller und Fass: Ein alter Spruch, der für den vergangenen Monat zum Zusammenhang von Regenwetter und Ernteglück zu passen scheint. Für moderne Zeiten allerdings scheint die landwirtschaftliche Daumenregel nicht mehr aussagekräftig genug. Weil sich Verbraucher den Einkaufskorb immer früher mit schmackhaftem Spargel oder süßen Erdbeeren füllen wollen, rückt der Erntetermin entsprechend weiter nach vorn. Auch für regional erzeugte Produkte ist immer früher Saison.

Dem Geschmack der Früchte tut die verkürzte Reifezeit nicht immer gut. Das beste Beispiel für diese Beobachtung sind die bis weit in den Mai unter kühlen Temperaturen und bisweilen sogar frostigen Nächten wachsenden frühen Erdbeersorten. Joachim Mergenthaler aus Waiblingen-Hegnach etwa weiß sehr gut, dass die Hochsaison fürs rote Gaumenglück eigentlich im Juni startet. Dennoch hat auch er sich dem Kundenwunsch gebeugt und seine Erdbeeren vom Freiland bereits seit Anfang Mai im Verkauf. Auch wenn sie mit deutlich weniger Süße über den Tresen gegangen sind.

Ein Landwirt gibt Erdbeeren auf

Verkauft wird ausschließlich am Stand am Ortseingang von Hegnach. Früher war Mergenthalter mit Obst und Kartoffeln auch auf mehr als zwei Dutzend Wochenmärkten vertreten. Jetzt hat er gut zehn verschiedene Erdbeersorten im Direktverkauf. Bei den Saisonkräften, die sich für die Beeren bücken, arbeitet der Landwirt mit Matthias Kilburger aus Weinstadt-Beutelsbach zusammen. „Das erleichtert die Sache enorm“, sagt Mergenthaler über die Flexibilität.

Ein paar Kilometer weiter in Fellbach Schmiden hat Harald Kauffmann den Erdbeeranbau aufgegeben. Das Geschäft mit den süßen Früchten ist dem Landwirt zu unsicher geworden, er konzentriert sich auf Getreide und Kartoffeln. Mit ein Grund ist das unstete Wetter: Mal setzen hohe Temperaturen den Erdbeeren zu, mal ist Frost ein Problem, mal leiden die Früchte unter Sonnenbrand, dann scheint der Regen nicht aufhören zu wollen. 2016 ist Kauffmann wegen nicht enden wollender Feuchtigkeit mehr als die Hälfte der Erdbeerernte buchstäblich auf dem Feld verfault. Ein Jahr später war bei den Landwirten in Fellbach und im Remstal der späte Frost ein Grund für Frust. Die Kälte hat auch dieses Jahr ihre Spuren hinterlassen.

Bei Gemüse-Haap in Kernen-Rommelshausen hat es frühe Erdbeersorten getroffen, die Blüte wurde in der Mitte schwarz. Bei Philipp Bauerle in Schmiden wurden die Kirschbäume vom Frost erwischt, der Landwirt rechnet nur mit einem Fünftel des sonst üblichen Ertrags. Jochen Heß vom Sonnenbühlhof im Lindle bei Fellbach erwartet ebenfalls Einbußen. Beim Steinobst habe die Blüte noch vor dem Start des Insektenflugs begonnen, den Früchten fehlten die Bestäuber. Weil sich gleichzeitig aber seine Pfirsiche und Nektarinen gut entwickeln, zeigt sich der Landwirt gelassen: „Jedes Jahr ist anders, aber insgesamt ist es bisher ein gutes Jahr“, sagt Jochen Heß.

Bei Gemüse Merz in Rommelshausen läuft unterdessen die Salaternte auf Hochtouren. Täglich karrt Christian Merz frisch gepflückten Batavia oder Eisbergsalat auf den Großmarkt nach Stuttgart, auch Kohlrabi, Brokkoli und Fenchel stehen auf dem Ernteprogramm. Nach der Lieferung setzt sich der Landwirt oft wieder auf den Schlepper, um seine Felder zu bewässern. Trotz des vielen Regens der vergangenen Wochen hat der stete Wind die Krume schon wieder ausgetrocknet, nur in tieferen Schichten hat der Boden viel Feuchtigkeit.

Warum ist Spargel dünner als sonst?

Mehr Sorgen bereitet Merz freilich, dass auch beste Qualität nicht verkäuflich ist, wenn der Kundschaft mehr auf den Preis als auf regionale Herkunft achtet. Um Salatgurken beispielsweise, von Merz selbst gar nicht angebaut, tobe eine derartige Dumping-Schlacht, dass lokale Erzeuger keine Chance gegen die Gewächshausware aus dem Ausland hätten – und in der Region gezogenes Gemüse vernichtet werde.

Die Ansprüche der Verbraucher bei der Optik wiederum sind Philipp Bauerle ein Dorn im Auge. Bei seinem Spargel stellt der Landwirt fest, dass ein großer Teil der edlen Stangen etwas dünner aus dem Boden kommt als in vergangenen Jahren. Der Grund für die unterdurchschnittliche Dicke liegt für den Schmidener auf der Hand: Durch den Hitzesommer 2022 sind die Pflanzen aus Sicht von Bauerle noch geschwächt und tun sich mit ganz dicken Dingern schwer.

Ein Qualitätsmangel allerdings ist der fehlende Umfang keineswegs. „Geschmacklich ist der dünne Spargel perfekt“, sagt der Erzeuger – und verweist aufs Angebot, den Spargel maschinell zu schälen, damit auf Hobbykoch und Hausfrau nicht mehr Arbeit zukommt. Müdigkeit beim Spargelkonsum, in der Branche teilweise besorgt formuliert, sieht Philipp Bauerle bei den Verbrauchern jedenfalls nicht. Nach der Hochzeit des Spargels hat der Betrieb vom Schmidener Feld längst die Erdbeerernte gestartet. Beim Termin nachgeholfen wird bei Bauerle auf den Feldern nicht, weder mit Folie noch mit Vlies. Nur Stroh wird ausgelegt, damit die Früchte bei Regen nicht verschmutzen: Das Auge isst schließlich immer mit.