Ein Herz und eine Seele: Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm (links) mit Papst Franziskus bei seinem Besuch im Vatikan. Foto: AP

Der Papst und Deutschlands Protestanten im Ökumene-Höhenrausch. Die konservativ-klerikale Opposition in der katholischen Kirche formiert sich.

Rom/Stuttgart - Sie haben sich alle so lieb! Der Papst und die Altvorderen des deutschen Protestantismus und Katholizismus. Nach dem Treffen von Franziskus mit den Spitzen der Evangelischen Kirche in Deutschland herrscht Friede, Freude, Eierkuchen allerorten. Der 266. Bischof von Rom sieht das Reformationsjubiläum als Riesenchance für die Ökumene, auch wenn er gewisse Hürden auf dem Weg zur Einheit nicht verhehlt.

Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm seinerseits ist voll des Lobes über den Mann, der im Vatikan regiert. Wenn sich die Konfessionen „mit all unseren Kräften“ bemühten, könne die „schmerzhafte Realität“ der Kirchentrennung überwunden werden, glaubt der Lutheraner. Wenn er sich da mal nicht irrt.

500 Jahre nach Luthers Thesenanschlag

Vor fast 500 Jahren nagelte Martin Luther (der Legende nach) seine 95 Thesen an das Tor der Schlosskirche zu Wittenberg. Auch wenn die Aktion historisch so nie stattgefunden hat, gilt die Veröffentlichung der „Propositiones wider das Ablas“ – wie die Thesensammlung im Original heißt – als Beginn der Reformation in Deutschland.

Der weitere Verlauf der Kirchengeschichte ist hinlänglich bekannt: Luther blieb unnachgiebig und Papst Leo X. doktrinär. Was mit dem Reformeifer eines Überzeugungstäters begann, endete in Spaltungen, Religionskriegen und jahrhundertelangem Zwist zwischen Christen. Und jetzt – Anno Domini MMXVII – soll alles anders, alles besser, alles ökumenischer werden?

Der Wunsch ist auch in diesem kirchlichen Fall Vater des Gedankens. 500 Jahre des Trennenden, Auseinanderlebens und Gegeneinanders kann man nicht mir nichts, dir nichts beiseitewischen, nur weil ein halbes Milleniumsjubiläum ansteht. Bedform-Strohm will sie, Kardinal Reinhard Marx, der oberste deutsche Katholik genauso, und Franziskus sowieso: die ökumenische Einheit der Kirchen.

Die katholischen Granden opponieren

Doch, was sagen die episkopalen Granden? Es ist gerade mal ein Tag her, dass Stadtbedienstete in Rom mehr als 200 papstkritische Plakate von den Häuserwänden abkratzten. Die Drahtzieher des Plakatprotests sind bisher nicht bekannt, doch dürften sie in jenen erzkonservativen Vatikan-Kreisen zu suchen sein, die seit langem gegen den als Reformer angetretenen Papst opponieren.

Seit der Bischofssynode im vergangenen Oktober werden die tiefen Gräben immer deutlicher sichtbar. Franziskus’ Gegnern in der Kurie sind so einige Dinge ein Dorn im Auge: Der Papst treibt den interreligiösen Dialog voran, geißelt Klerikalismus und Reformunwilligkeit, lobt Luther und die Reformation, lockert die Sexualmoral und geht demonstrativ auf wiederverheiratete Geschiedene zu.

Kräftemessen mit den Ewiggestrigen

Der Brandbrief von vier konservativen Kardinälen – unter ihnen der frühere Kölner Erzbischof Joachim Meisner – ist nur die Spitze des Eisberges der innerkirchlich stetig wachsenden Opposition. Benedikt XVI., Franziskus’ Vorgänger, ist an diesem Kräftemessen mit den Ewiggestrigen gescheitert. Franziskus ist angetreten den vatikanischen Augiasstall auszumisten. Doch der Widerstand gegen notwendige und moderate Reformen, zu denen Fortschritte in der Ökumene zuvorderst gehören, ist weit größer als sich Jorge Mario Bergoglio bei seiner Wahl am 13. März 2013 gedacht haben dürfte.

Der Kampf um die Reform der Kirche hat gerade erst begonnen

Im Dezember wird Franziskus 81 Jahre alt. Die Herkulesaufgabe, mit der er begonnen hat, erfordert eine Robustheit und Kondition, die weit Jüngere an ihre Grenzen bringen würde. Die konservativ-klerikale Anti-Franziskus-Bewegung wird dieses Pontifikat aussitzen. Schon jetzt schlägt sie Pflöcke für die Nachfolge ein.

Der Kampf um die Reform der Kirche hat – 500 Jahre nach Luthers Reformation – gerade erst richtig begonnen.