Die Truhe lüftet ihr Geheimnis: Hier gibt’s ein Bastelset. Foto: KS-Images.de

Mit Wintermärchen-Wanderungen in den heimischen Wäldern will Stefanie Keller auch zu Coronabedingungen unterhaltsame und gesunde Impulse setzen.

Oberstenfeld - Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur unpassende Kleidung.“ An diesem Sprichwort hat sich auch die in Murr lebende Familie Nägele orientiert. Warm eingepackt und perfekt vor Nässe geschützt folgen die Kinder Louisa und Mattis wie auch die erwachsenen Begleitpersonen erwartungsfroh einer neuen Idee der Märchenerzählerin Stefanie Keller. Die nämlich hat eine Winter-Märchenwanderung nach Coronaregeln kreiert und lässt die Familien in dieser Zeit alleine durch den Wald wandern.

Auf zauberhafte Einflüsse, geheimnisvolle Momente und sorgfältig ausgewählte Märchen müssen die Teilnehmenden dennoch nicht verzichten. Die Märchenerzählerin kommt nämlich akustisch per Smartphone dazu. Familie Nägele wandert deshalb suchend – und an diesem Nachmittag von dauerhaftem Nieselregen begleitet – durch den Wald, der ihnen von Stefanie Keller vorgegeben wurde.

Ihr Blick geht dabei zielgerichtet auf die Zweige der Bäume. Denn dort sollen ihnen kleine rote Bändchen den Weg weisen. Und das tun sie auch. „Hier“, ruft der dreijährige Mattis hocherfreut, als er ein rotes Band erspäht und mit dem Finger darauf zeigt. Einige Bänder und Gehminuten später, durch Pfützen und schlickrige Wegstrecken hinweg, hat seine bald sechsjährige Schwester ein goldenes Band gesichtet: Das Zeichen für einen QR-Code. „Hier muss er sein“, ruft sie laut und lässt ihre Mutter näher kommen, die ihr Mobiltelefon einsatzbereit und dabei Ausschau nach einem laminierten QR-Code hält. Der ist geschützt, aber dennoch sichtbar, im Unterholz angebracht und wird rasch gefunden.

Von der App aktiviert, ertönt schließlich mitten im Wald die weiche Stimme der Märchenerzählerin. Auch wenn Stefanie Keller mittels Technik ihrer leibhaftigen Wirkung beraubt ist: Die Familienmitglieder lauschen in der mystisch anmutenden Stimmung fasziniert dem Gesprochenen und verfolgen die Worte, die Wichtel und andere Fabelwesen zum Leben erwecken, mit Spannung. Die Augen der Kinder weiten sich mit jedem Satz. Und als es zum Schluss hin heißt, dass sich ganz in der Nähe eine kleine Schatztruhe versteckt hält, geht das fieberhafte Suchen erneut los.

Der Erfolg ist bei dem ausgeklügelten Konzept, das Stefanie Keller in Abstimmung mit dem Forstamt und den entsprechenden Ordnungsämtern entwickelt und dezidiert geplant hat, natürlich vorprogrammiert; ein unnötig langes Suchen der Kinder entfällt. Schon bald heben die Kleinen den erhofften Schatz, der in diesem Fall in der Hand glitzert, und der sich passend zu dem gehörten Märchen zeigt. Bei den nachfolgenden Stationen finden die beiden dann auch Bastelmaterialien, ein Rezept oder Inspirationen, die zum Mitmachen aktivieren. Vom Inhalt der Schatztruhe darf sich jedes Kind eine Tüte mitnehmen. Zuhause kann es dann – mit Anleitung und den entsprechenden Materialien – basteln. Und wer sich aufmerksam im Wald zeigt, der kann die diversen „Waldbewohner“ sogar an den Zweigen entdecken und weiß, wie das Bastel-Ergebnis ausschauen soll.

Die Zeit zwischen den Stationen nutzt Mattis auf seine eigene Weise. Ihn interessieren Stöckchen und die vielen Blätter gleichermaßen wie die zu suchenden Bänder. Dass die Erde matschig und teilweise aufgeworfen ist, droht den kleinen Mann mitunter zwar zu Fall zu bringen, doch der Junge zeigt mit seinen Gummistiefeln größtes Vergnügen an seinem Umfeld, das gelegentlich auch mal im Nebeldunst liegt und die Atmosphäre umso geheimnisvoller zeichnet. Louisa hingegen geht die Sache gezielt an. Sie weiß mittlerweile, worauf zu achten ist und geht zügig die Wegstrecke entlang, die sich durch die Kennzeichnung ergibt. Und schon wartet das nächste Schatzabenteuer auf die Kinder, das jeweils mit dem Hören eines etwa drei- bis sechsminütigen Märchens beginnt.

Insgesamt sechs liebevoll gestaltete Stationen sind es, die nicht nur den Regen vergessen machen, sondern eine ganz eigene Welt erschaffen. Eine, die fern von Trubel, Lautstärke und Oberflächlichkeit ist und die obendrein der Erholung dient. Und ganz ohne zu meckern laufen die Kinder die Wegstrecke und bewegen sich in der Natur. In ihr nehmen sie nicht nur die Märchenstimmung wahr, sondern auch waldtypische Geräusche. Für Louisa und Mattis, die sich diesem freudigen Suchen und Finden widmen, zeigt sich der Nachmittag als faszinierendes Erlebnis. „Ich glaube, wir haben die Märchen und die Natur noch nie zuvor mehr gebraucht, als gerade heute“, sagt Stefanie Keller, die weiß, dass „die Menschen zu Coronazeiten zwar hinaus in die Natur wollen, ihnen aber bei dem grauen, kalten Wetter oft der Antrieb dazu fehlt“.