Die Zahl der Obdachlosen in Leinfelden-Echterdingen ist von 31 im Jahr 2011 auf mehr als hundert gestiegen Foto: Philipp Braitinger

Eine wachsende Zahl von Menschen hat kein eigenes Zuhause. Die Stadt Leinfelden-Echterdingen bezuschusst die Obdachlosenhilfe des Vereins Heimstatt für weitere drei Jahre.

Leinfelden-Echterdingen - Es kann jeden treffen. Längst sind es nicht mehr nur jene Menschen, die beispielsweise Sucht- oder psychische Probleme haben und deswegen obdachlos sind. Inzwischen finden immer häufiger auch Leute mit geregelten Lebensverhältnissen und trotz eines Arbeitsplatzes keinen bezahlbaren Wohnraum mehr in Leinfelden-Echterdingen.

„Die Obdachlosigkeit ist bei uns in der Stadt ein drängendes Thema“, erklärte der Ordnungsamtsleiter Gerd Maier während der jüngsten Sitzung des Verwaltungs-, Kultur- und Sozialausschusses am vergangenen Dienstagabend in der Filderhalle. Die Zahl der Obdachlosen ist von 31 im Jahr 2011 auf mehr als hundert gestiegen, und ein Ende des Anstiegs ist nicht abzusehen. Einstimmig hat das Gremium daher beschlossen, eine 50-Prozent-Stelle des Vereins Heimstatt für weitere drei Jahre mit rund 46 000 Euro pro Jahr zu bezuschussen. Zwei Mitarbeiter des Vereins betreuen Wohnungslose in Leinfelden-Echterdingen und unterstützen sie auf dem Weg in ein selbstständiges Leben.

Mangel an bezahlbarem Wohnraum

Als Hauptursache für die steigende Zahl an Obdachlosen nennt die Stadtverwaltung den Mangel an bezahlbarem Wohnraum. „Der Wohnungsmarkt ist sehr begrenzt, es ist alles sehr, sehr teuer“, stellt der Ordnungsamtsleiter Maier fest. Immer wieder komme es zu Zwangsräumungen. Bei manchen Menschen reiche das Geld trotz Transferleistungen nicht mehr für eine Mietwohnung aus. Besonders Alleinerziehende oder große Familien hätten unter den hohen Mieten zu leiden. Zuweilen seien es auch aus dem Gefängnis entlassene Personen, die zunächst keinen Ort zum Wohnen hätten. Und selbst, wer nur einen negativen Schufa-Eintrag habe, könne Probleme bei der Wohnungssuche bekommen.

Hinzu kommen jene Personen, die im Jahr 2015 als Geflüchtete nach Deutschland gekommen waren und in den Folgejahren von der Stadt untergebracht werden mussten. Etwas entspannter sei die Situation inzwischen bei jenen Menschen, die in der Sitzungsvorlage als „Gestrandete“ bezeichnet werden. Gemeint sind Menschen, die über den Flughafen nach Leinfelden-Echterdingen gekommen sind und dann nicht mehr weiterkommen. Weil während der Corona-Krise kaum noch geflogen wird, „stranden“ auch kaum noch Menschen in Leinfelden-Echterdingen.

Sorgenvoller Blick in die Zukunft

Die Unterkünfte der Stadt werden vor diesem Hintergrund dringend benötigt. Schließlich ist die Obdachlosenunterbringung eine kommunale Pflichtaufgabe. Insgesamt unterhält L.-E. derzeit 21 Sammelunterkünfte und Wohnungen für Obdachlose. „Wenn der Trend so weitergeht, werden wir in den kommenden Jahren Probleme bekommen“, weiß der Ordnungsamtsleiter Maier. Wohl auch deshalb denkt die Stadt darüber nach, in den Zimmern des einstigen Hotels Maestral in Oberaichen künftig zehn bis 15 Menschen unterzubringen. Entschieden ist aber noch nichts. Eine Entspannung der Situation kann aus Sicht des Bürgermeisters Carl-Gustav Kalbfell am ehesten dadurch erreicht werden, dass wie geplant weitere Wohnungen in Leinfelden-Echterdingen gebaut werden. „Das beste Rezept gegen Obdachlosigkeit ist es, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“, erklärte er.

Auf die Arbeit des Vereins Heimstatt ging Karlheinz Harigel während der Sitzung des Verwaltungs-, Kultur- und Sozialausschusses ein. Er ist Mitarbeiter beim Sozialdienst des Vereins. „Wir begleiten Menschen in den kommunalen Notunterkünften“, erklärte er. Häufig entstünden in den Zwangswohngemeinschaften zwischenmenschliche Konflikte. Auch Sucht und Schulden seien Themen, denen sich die Vereinsmitarbeiter häufig widmeten. Hinzu komme das Hilfeleisten beim Ausfüllen von Anträgen, beispielsweise wenn Obdachlose ihnen zustehende Mittel nicht beantragt haben.

„Menschen, die lange in so einer Situation gewesen sind, die haben aufgegeben“, berichtete Harigel von seiner Arbeit. Deshalb gehe es besonders am Anfang auch darum, erst einmal eine Beziehung aufzubauen. Die Corona-Pandemie erschwere es derzeit jedoch, neue Kontakte aufzunehmen. Dabei gebe es Möglichkeiten, der Obdachlosigkeit zu entkommen, betonte er. „Wenn man dranbleibt, gelingt oft etwas.“