Trauer, Entsetzen und Rufe nach einem schärferen Waffenrecht: Nach dem Schulmassaker von Newtown mit 27 Toten steht Amerika unter Schock und sucht verzweifelt nach Erklärungen. Foto: dpa

Verzweifelt suchen Angehörige, Ermittler und Politiker nach dem Amoklauf von Newtown Antworten auf die Frage nach dem Warum. Immer mehr Details zeigen, wie grausam der 20-jährige Täter vorging.

Newtown - Trauer, Entsetzen und Rufe nach einem schärferen Waffenrecht: Nach dem Schulmassaker von Newtown mit 27 Toten steht Amerika unter Schock und sucht verzweifelt nach Erklärungen. Eltern der erschossenen Kinder und der Vater des Täters wandten sich in ihrem Schmerz an die Öffentlichkeit. Gerichtsmediziner zeigten sich erschüttert, wie grausam die 20 Schulkinder und sechs Erwachsenen erschossen wurden. US-Präsident Barack Obama wollte den Trauernden persönlich beistehen und am Sonntagabend (Ortszeit) in Newtown auf einer Gedenkfeier sprechen. Die Polizei kündigte noch für Sonntag weitere Details zur Tat an.

Bis zu elf Mal schoss der Täter auf die zwölf Mädchen und acht Jungen im Alter von sechs und sieben Jahren, auf fünf Lehrerinnen und die Schulpsychologin, bevor er sich selbst tötete. Vor dem Massaker an der Sandy-Hook-Grundschule soll er seine Mutter erschossen haben. Die Toten in der Schule hätten „verheerende Verletzungen“ aufgewiesen, sagte der leitende Gerichtsmediziner H. Wayne Carver am Samstagabend sichtlich erschüttert: „Es ist das schrecklichste, das ich in mehr als 30 Berufsjahren gesehen habe. Und für meine Kollegen gilt das gleiche.“

Forderungen nach strengeren Waffengesetzen werden lauter

Angesichts des Schocks über das Massaker wurden die Forderungen nach strengeren Waffengesetzen immer lauter. Der demokratische Politiker Jerry Nadler meinte: „Wenn der Präsident jetzt handelt und einen Kreuzzug anführt, wäre das wunderbar.“ Obama hatte zwar bereits zu „bedeutsamem Handeln, um weitere Tragödien wie diese zu verhindern“ aufgerufen. Doch die Waffenlobby ist extrem mächtig, in über 40 Prozent der US-Haushalte existieren Schusswaffen. In Newtown seien die Menschen „wie gelähmt“, berichtete die Psychologin Jeannie Pasacreta. „Viele fühlen sich schuldig, weil sie schon den Weihnachtsschmuck an ihren Häusern hatten, der fröhlich blinkte, während ein paar Straßen weiter die Kinder starben.“

Die Mutter des Amokläufers war nach einem Bericht der „New York Times“ eine Waffennärrin, die ihren Sohn zu Schießständen mitnahm. Die 52-jährige Frau besaß nach Informationen von Ermittlern fünf Waffen, die auf ihren Namen registriert gewesen seien. Darunter waren das halbautomatische Sturmgewehr und zwei Pistolen, mit denen ihr 20-jähriger Sohn das Massaker anrichtete. Die Frau sei seit 2008 geschieden gewesen und habe mit ihrem Sohn zurückgezogen in einem großen Haus in Newtown gelebt. Sie habe Schwierigkeiten gehabt, mit den psychischen Problemen ihres Sohnes fertig zuwerden, schrieb das Blatt.

Der Vater eines erschossenen sechsjährigen Mädchens äußerte sich in einer bewegenden Rede vor Journalisten über seine Tochter. Emilie sei „klug, kreativ und sehr liebevoll“ gewesen, erzählte der 30 Jahre alte Robbie Parker. „Es ist eine schreckliche Tragödie, und ich möchte, dass alle wissen, dass wir in unseren Herzen und Gebeten bei ihnen sind. Das gilt auch für die Familie des Schützen.“

Vater des Amokläufers spricht tiefes Bedauern aus

Der Vater des Amokläufers drückte den Angehörigen der Opfer sein tiefes Bedauern über die „enorme Tragödie“ aus. In einer vom Sender CNN veröffentlichten Mitteilung erklärte er, dass seine Familie mit den Ermittlern eng zusammenarbeite. Sie seien schockiert und hätten keine Erklärung für die Tat. Obama wollte nicht nur auf der Gedenkfeier sprechen, sondern auch Familien der Opfer treffen. Er hatte sich kurz nach der Bluttat vom Freitag in einer Ansprache auch als Vater von zwei Mädchen bestürzt gezeigt.

An allen öffentlichen Gebäuden in den USA wurden die Flaggen auf halbmast gesetzt. In das Entsetzen über das Verbrechen drängt sich vor allem auch die Frage, warum der Täter in die Schule stürmte und Dutzende Male um sich feuerte. Welche Verbindung hatte er zur Sandy-Hook-Grundschule? Am Samstag wurde bekannt, dass entgegen ersten Berichten seine Mutter dort nicht als Lehrerin arbeitete. Unklar ist auch, ob der Täter selbst dort zur Schule gegangen war. Der Täter wird als klug, sehr scheu und introvertiert beschrieben. Laut Polizei verschaffte sich der Todesschütze gewaltsam Zutritt zur Schule. Erst vor kurzem wurde dort ein neues Sicherheitssystem installiert.

Die Kinder, die die Bluttat miterlebten, werden vermutlich ihr ganzes Leben darunter leiden, sagte der Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Charité Berlin, Andreas Heinz, der Nachrichtenagentur dpa. „Traumatisierungen sind besonders schwer, wenn man hilflos ist und die Gewalt gezielt ist. Ein Erdbeben, das alle gleichermaßen trifft und für das niemand etwas kann, verursacht viel weniger Traumatisierung als gezielte Gewalt.“

Auch Angela Merkel äußert ihr Mitgefühl

Weltweit bekundeten Politiker ihr Beileid. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte Mitgefühl. „Wieder einmal stehen wir voller Entsetzen vor einer Tat, die wir nicht begreifen können“, erklärte Merkel in einer am Samstag verbreiteten Mitteilung. Bundespräsident Joachim Gauck sprach in einem Brief an Präsident Obama seine Anteilnahme aus. Papst Benedikt XVI. bezeichnete den Amoklauf als „sinnlose Tragödie“.