Das Zögern, seinen Fehler einzugestehen, könnte Stephan Reichstein den Job im Esslinger Rathaus kosten Foto: Rudel/Hass

Der Esslinger Wirtschaftsförderer Stephan Reichstein hat auf der Suche nach einer zusätzlichen Einnahmequelle eine Immobiliengesellschaft gegründet, ohne das bei seinem Vorgesetzten anzumelden. Oberbürgermeister Jürgen Zieger hat ihm nun ein Ultimatum gestellt.

Esslingen - Das Esslinger Rathaus kommt nicht zur Ruhe. Nachdem die Kulturamtsleiterin Christine Mast beurlaubt worden ist, der Finanzbürgermeister Bertram Schiebel auf eine dritte Amtszeit verzichtet und der neue Leiter des Haupt- und Personalamts Stephan Baus noch während seiner Probezeit gekündigt hat, steht nun der städtische Wirtschaftsförderer Stephan Reichstein kurz vor einem Rauswurf.

Ins Rollen gebracht hat die Entwicklung die Handelsregister-Bekanntmachung am Samstag in der örtlichen Zeitung. Dieser hatte der CDU-Fraktionsvorsitzende Jörn Lingnau entnommen, dass Reichstein am 19. November eine SR Immobilien GmbH gegründet hat, deren Aufgabe laut Handelsregister-Bekanntmachung unter anderem darin bestehe, Gewerbeimmobilien und Gewerbeflächen zu vermarkten. Die CDU, erklärte Lingnau in einer Pressemitteilung, sehe hierin „einen massiven Interessenkonflikt mit Herrn Reichsteins Funktion als Wirtschaftsförderer der Stadt Esslingen“. Eine solche Tätigkeit könne nicht genehmigt werden. Oberbürgermeister Jürgen Zieger müsse „zu den Umständen dieser Nebentätigkeit Stellung nehmen und schnellstens entsprechende Konsequenzen ziehen.“

Dieser Forderung ist Jürgen Zieger bereits am Montagmorgen nachgekommen. In einem Gespräch mit Stephan Reichstein habe er ihm, so heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt, „die absolute Unvereinbarkeit der Tätigkeit als städtischer Wirtschaftsförderer mit der gleichzeitigen Ausübung einer Geschäftsführung in einer Immobiliengesellschaft erklärt“. Der Oberbürgermeister habe Reichstein „ultimativ aufgefordert, sich wegen des anzunehmenden Interessenkonflikts umgehend für die notwendige Neutralität als städtischer Wirtschaftsförderer oder für eine andere Tätigkeit, etwa als Geschäftsführer einer Immobiliengesellschaft, zu entscheiden“.

Das erste Ultimatum ist am Montag um 16 Uhr abgelaufen. Kurz danach erklärte Stephan Reichstein gegenüber den Stuttgarter Nachrichten, dass er sich nicht auf diese Weise unter Druck setzen lassen werde: „Ich hätte nie gedacht, dass mein Dienstherr derart harte Bandagen auspackt.“ Er habe ein reines Gewissen. Nie habe er die Absicht gehabt, mit seiner Immobiliengesellschaft „in irgendeiner Weise in Esslingen, rund um Esslingen oder für Esslinger tätig zu werden“.

Dass ihm dies nun unterstellt werde, sei ungerecht. Vielmehr habe er sein in den vergangenen acht Jahren erworbenes Wissen einsetzen wollen, um bundesweit beratend tätig zu werden. Die Formulierung in der Handelsregister-Bekanntmachung sei „deshalb ein wenig irreführend“, so der 48-Jährige. Bisher sei die Firma überhaupt noch nicht aktiv geworden.

Das werde frühestens im Januar geschehen, wenn sein Vertrag mit der Esslinger Wohnungsbau Gesellschaft (EWB) auslaufe. In einem Tochterunternehmen, der EWB-Projektentwicklungsgesellschaft, hat sich Stephan Reichstein als freier Mitarbeiter neben seiner Tätigkeit als Esslinger Wirtschaftsförderer seit April 2010 um die Entwicklung des Hengstenbergareals in Esslingen gekümmert. Diese Tätigkeit, so betonte der EWB-Geschäftsführer Hagen Schröter am Montag, sei vom EWB-Aufsichtsrat beschlossen worden. Reichstein habe dafür eine Aufwandsentschädigung erhalten, die nach den gearbeiteten Stunden bezahlt worden sei.

Reichstein kündigte an, dass er sich nun zunächst rechtlich beraten lassen werde. Ob er damit allerdings Erfolg haben wird, das bezweifelt der Vorsitzende der SPD-Gemeinderatsfraktion, Andreas Koch: „Die eine Tätigkeit ist mit der anderen schlicht unvereinbar. Herr Reichstein muss sich absolut zeitnah entscheiden. Sonst verspielt er jeden Kredit. Dabei zählt nach meiner Einschätzung jede Stunde.“