Mit einer langen Mail bittet der OB Werner Spec um Wahlkampfhilfe – und stellt ganz nebenbei den geplanten Bau der Stadtbahn in Frage. Foto: factum/Weise

Eine Mail und ihre Folgen: Werner Spec will seine Unterstützer auf die heiße Phase des Wahlkampfs einschwören. Mit teils scharfen Formulierungen greift er politische Gegner an – und entfacht einen alten Streit neu.

Ludwigsburg - Der Ton im Wahlkampf um den Chefsessel im Ludwigsburger Rathaus wird rauer. Verwunderung hat jetzt eine E-Mail ausgelöst, die der Oberbürgermeister Werner Spec vor wenigen Tagen an seine Unterstützer verschickt hat. In dem Schreiben, das Spec nach eigenen Angaben an etwa 25 Personen adressiert hat, ruft er zu einem entschlossenen Wahlkampf in der entscheidenden Phase auf und wirbt um eine hohe Präsenz an seinem Wahlstand an den kommenden Samstagen. Das allein ist nicht ungewöhnlich, wohl aber die Qualität einiger Aussagen in der Mail, die inzwischen die Runde in der politischen Szene der Stadt macht. Spec attackiert weite Teile des Gemeinderats und erklärt überdies indirekt, dass er nicht daran glaubt, dass die geplante Stadtbahn im Kreis Ludwigsburg jemals realisiert wird.

Vor allem einige Stadträte reagieren mit Besorgnis auf die Äußerungen des Stadtoberhaupts, denn Spec zeichnet ein düsteres Bild der künftigen Stadtpolitik und des gerade erst neu gewählten Gemeinderats. Die Grünen, so Spec in der Mail, seien radikaler geworden und würden als größte Fraktion künftig „kompromisslos grüne Ideologien umsetzen wollen“. Bei ihrer einseitigen Politik gegen das Auto würden sie von der SPD unterstützt, „obwohl die SPD die Grünen eigentlich nicht ausstehen kann“. Trotzdem würden beide Parteien „massiv versuchen“, das geplante BRT-Schnellbus-Netz in der Stadt „noch abzuwenden“.

Fallen die Zuschüsse für die Bahn geringer aus?

Denn, so Spec: Den Grünen und der SPD sei bewusst, dass die Bürger keine Stadtbahn mehr haben wollten, sobald die Schnellbusse eingeführt seien. „Ich bin überzeugt, dass die neuen Mobilitätslösungen die Schienenlösungen der Vergangenheit überholen werden“, schreibt Spec. Darüber hinaus deutet der OB an, dass er damit rechne, dass die Kosten für den Bau der Bahn wesentlich höher werden als erwartet. Die Zuschüsse für das Großprojekt, unkt Spec, „werden viel geringer als vom Landrat angegeben“.

Die Aussagen sind brisant, weil Spec und der Landrat Rainer Haas monatelang um die Lösung der Verkehrsprobleme im Kreis gerungen hatten. Haas und die meisten Bürgermeister befürworten den Bau einer Stadtbahn von Remseck über Ludwigsburg bis nach Markgröningen, Spec hingegen setzt auf Schnellbusse, also große, elektrisch angetriebene Busse, die teils auf eigenen Spuren fahren. Schließlich einigte man sich auf die Doppelstrategie: Auf manchen Strecken sollen schon bald Busse fahren, aber langfristig soll ein großes Stadtbahnnetz aufgebaut werden.

Auch die CDU bekommt ihr Fett weg

Das Landratsamt treibt die Planungen für die Bahn derzeit voran – während Spec in seiner Mail deutlich macht, dass er gar keine Bahn mehr will. Er sei „nicht überrascht“ von den Aussagen des Oberbürgermeisters, sagt Haas jetzt, bei dem die Mail auf Umwegen ebenfalls angelangt ist. Den Vorwurf, seine Behörde setze die Kosten für die Bahn bewusst zu niedrig an, will er nicht stehen lassen. „Alle Zahlen, die wir nennen, fußen auf einer gutachterlichen Untersuchung eines renommierten Ingenieurbüros“, sagt Haas. Für die von Spec‘ favorisierten BRT-Busse hingegen fehle eine solche unabhängige Untersuchung. Alle Studien dazu stammten von der Stadt Ludwigsburg selbst, seien also hausgemacht. „Ob die einer gutachterlichen Überprüfung standhalten, ist völlig unklar.“ Ein paar Wochen schwelte der Streit um die Bahn und die Busse auf Sparflamme. Die Aussagen von Spec und die Reaktion von Haas zeigen jedoch, dass die Fronten nach wie vor verhärtet sind.

Auch andere Beteiligte kommen in der Mail nicht gut weg, allen voran der Ludwigsburger CDU-Fraktionschef Klaus Herrmann. Dieser habe, schreibt Spec, „erst die Landtagswahl verloren“ und nun „erhebliche Einbußen bei der Gemeinderats- und Kreistagswahl hinnehmen“ müssen. „Jetzt stünde er in einer grün-rot-schwarzen Allianz als Juniorpartner gegenüber einem möglichen OB Knecht.“ Zum Hintergrund: Die CDU unterstützt, wie Grüne und SPD, den OB-Kandidaten Matthias Knecht. Über diesen schreibt Spec, dass er „von Grün-Rot massiv unter Druck stehen würde“. Inhaltlich komme wenig Konkretes von Knecht.

Knecht: Wahlkampfklima war bislang moderat

„Die Not muss bei Herrn Spec schon sehr goß sein“, kommentiert Klaus Hermann, der ansonsten nur sagen möchte, dass es wichtig sei, dass das Vertrauen in den Beschluss zur Doppelstrategie wieder hergestellt werde. Christine Knoß, die grüne Vize-Fraktionschefin, stellt klar, dass es keine Absprachen oder Pläne gebe, den BRT abzuwenden. „Wir haben eine Entscheidung. Dazu muss man stehen.“ Margit Liepins (SPD) fragt sich, wie man noch sachlich arbeiten könne, falls Spec wieder gewählt würde. „Es wird keine Ruhe reinkommen.“ Auch Matthias Knecht äußert sich zu der Mail. Die Lektüre habe ihn betroffen gemacht, sagt er. Bisher sei das Wahlkampfklima moderat gewesen. Dass der OB nun ein solches „Weltuntergangsszenario“ zeichne, sei schade. Es gebe keinen Grund, Gräben aufzureißen.

Reinhardt Weiss, dessen Freie Wähler Spec im Wahlkampf unterstützen, bewertet die Mail hingegen als „legalen Weckruf“. Es sei nichts Böses dabei, strategisch alle Hebel in Bewegung zu setzen. Die Konkurrenz mache das auf ihre Weise. Spec selbst bezeichnet sein Schreiben auf Nachfrage als „sehr persönliche Wahleinstimmung“. In Wahlkampfzeiten sei der Ton eben etwas „intensiver“. Dass im Falle seiner Wiederwahl die Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat schwer werden könnte, glaubt er nicht. „Ich habe gute Kontakte zu den Lagern.“

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