Thomas Keck liegt im ersten Wahlgang ganz knapp vorne. Foto: privat

Im Kampf um die Rathausspitze in Reutlingen holt keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit – entschieden wird Ende Februar.

Reutlingen - Es ist gewählt worden in Reutlingen, entschieden ist nichts. Im Kampf um die Nachfolge von Oberbürgermeisterin Barbara Bosch, die nach zwei Amtszeiten nicht mehr angetreten ist, hat am Sonntag keiner der fünf Kandidaten eine absolute Mehrheit erhalten.

Es ist ein Zweikampf. Im Foyer des Reutlinger Rathauses blicken die Kandidaten auf eine große Leinwand und verfolgen das rot-schwarze Kopf-an-Kopf-Rennen. Das beste Ergebnis erzielt SPD-Kandidat Thomas Keck mit 29,6 Prozent der Stimmen, dicht gefolgt von Christian Schneider von der CDU, der es auf 29,5 Prozent bringt. Keck, der Bezirksbürgermeister von Betzingen, dem größten Stadtteil Reutlingens, ist begeistert über das Ergebnis. „Ich bin glücklich, als Erster ins Ziel eingelaufen zu sein“, sagt der 55-Jährige, das sei psychologisch sehr wichtig. „Ich habe sehr große Lust auf die Aufgabe an der Spitze des Rathauses.“

In der Lokalpolitik ist Keck bestens bewandert. Er sitzt seit 1994 im Reutlinger Gemeinderat und hat sich als Kreisrat bewährt. Der Geschäftsführer des Mieterbundes Reutlingen-Tübingen setzte vor allem auf die Themen bezahlbarer Wohnraum und Verkehrswende in einer Stadt, die aufgrund der hohen Schadstoffbelastung zu den dreckigsten Deutschlands zählt. Sicherlich werde er weitermachen, signalisiert Keck und hat vor allem eines als positiv empfunden: „Die vielen direkten Gespräche mit den Menschen der Stadt.“

Schneider: „Jetzt muss ich alle Kräfte mobilisieren.“

Der knapp Zweitplatzierte Christian Schneider stößt mit seinen Unterstützern in der Reutlinger Konditorei Sommer auf den Erfolg an. „Es sind nur wenige Stimmen Unterschied zum Lokalmatador“, sagt der 54-jährige Jurist. „Jetzt muss ich alle Kräfte mobilisieren.“ Schneider hatte sich den Januar frei genommen, um Wahlkampf zu machen. Der frühere Vizepräsident des Regierungspräsidiums in Tübingen ging von Haustür zu Haustür, von Podium zu Podium: „Es war kräftezehrend“, er habe nur wenig geschlafen in den vergangenen Wochen, gibt Schneider zu, aber es habe sich sehr gelohnt.

Der CDU-Mann, der bei seinen Vor-Ort-Terminen „das Parteiprogramm nicht im Tornister herumträgt“, hofft auf breite Unterstützung im zweiten Wahlgang.

Der von der FDP favorisierte Kandidat Carl-Gustav Kalbfell erhält 19,9 Prozent der Stimmen und ist somit drittplatziert. „Ich bin sehr dankbar für das gute Votum, ein großer Vertrauensbeweis der Bürger“, sagt der 41-jährige Sozialbürgermeister von Leinfelden-Echterdingen. Er tritt erneut an. Er hat mit Abstand am meisten Plakate aufhängen lassen und zweimal großflächig die Haushalte mit Flyern versorgt. „Das war es mir wert“, sagt Kalbfell über seine Werbestrategie. „Ich habe auf Visuelles gesetzt und auf Plakate, weniger auf Facebook“. Ein Paar Schuhe habe er im Haustürwahlkampf durchgelaufen, sagt Kalbfell, das direkte Gespräch, das Zuhören sei ihm sehr wichtig gewesen. „Das wollen die Leute.“

Holmberg: „Insgesamt war der Wahlkampf sehr grün.“

Die Grünen-Kandidatin Cindy Holmberg hat entgegen ihrer Hoffnung, ordentlich vom Kretschmann-Effekt zu profitieren, nur 16,3 Prozent der Stimmen erhalten. „Ich habe konkrete Ideen, die anderen reden viel“, sagt die 43-jährige Deutsch-Amerikanerin, die in Reutlingen geboren ist und im Wahlkreisbüro der Grünen-Bundestagsabgeordneten Beate Müller-Gemmeke arbeitet. „Insgesamt war der Wahlkampf sehr grün“, blickt Holmberg auf die vergangenen Wochen zurück. Alle hätten das Thema Mobilitätsmix aufgegriffen, angesichts des drohenden Dieselfahrverbots in Reutlingen ein naheliegendes Vorgehen. Ausgerüstet mit einem warmen Skianzug und Rucksack zog Holmberg den widrigen Wintertemperaturen trotzend durch die Stadtteile, rund 80 Termine standen auf der Agenda – von Besuchen bei Unternehmen und Vereinen über Infostände bis zu Stammtischstippvisiten.

Immerhin 2,7 Prozent erhält Andreas Zimmermann, der Kandidat der Spaßpartei Die Partei. Der 49-jährige Diplom-Ingenieur, der in Karlsruhe wohnt, lädt trotz des mageren Ergebnisses zur „Wahlsiegparty“ ins Schwarze Café in der Reutlinger Altstadt ein. Am Sonntag, 24. Februar, geht es in die nächste Runde, dann steht der zweite Wahlgang an. „Hoffentlich gehen dann mehr Bürger zur Urne“, sagt Etappensieger Thomas Keck. Die Wahlbeteiligung lag bei 39,5 Prozent, wahlberechtigt waren 87 874 Bürger.