Auch ein Pflichttermin für eine OB in Überlingen: Sabine Becker bei der Taufe eines neuen Fahrgastschiffes Foto: dpa

In Überlingen muss sich die Oberbürgermeisterin Sabine Becker am Sonntag den Wählern stellen. Vor zwei Jahren hat sie die CDU verlassen, heute lebt sie auf einem grünen Biohof. Nun könnte ihr ausgerechnet ein Streit um die Abholzung von Bäumen zum Verhängnis werden.

Überlingen - Manche finden ja, Sabine Becker habe sich ihren ersten Fehler geleistet, als sie als Oberbürgermeisterin von Überlingen (Bodenseekreis) noch gar nicht vereidigt war. Damals, vor acht Jahren, bat sie darum, erst acht Wochen später ihr Amt antreten zu müssen. Zuvor wollte sie ihr viertes Jahr als Bürgermeisterin der Nachbarstadt Meersburg noch voll machen. Jetzt könnte sich dieser Schachzug auszahlen. Am Sonntag ist wieder OB-Wahl, und Becker muss sich mit drei ernst zu nehmenden Gegenkandidaten auseinandersetzen. Sollte sie unterliegen, hätte sie mit zusammen zwölf Amtsjahren immerhin Anspruch auf eine Pension.

Gelassener ist sie deshalb nicht. „Ich bin nervös. Ich will ja gar nicht in Rente“, sagt die 51-Jährige mit entwaffnender Offenheit. Das kommt bei vielen Bürgern an. Und natürlich kokettiert die Juristin auch ein bisschen mit ihrem Lebenslauf: Nach einer gescheiterten Ehe war sie von Köln an den Bodensee gekommen, hatte den Neuanfang gewagt, Karriere gemacht und nebenbei allein zwei Mädchen groß gezogen.

Der Gemeinderat hat einen anderen Favoriten

„Frau Becker kann Wahlkampf“, sagt der lang gediente SPD-Stadtrat Oswald Burger. Doch viele im Gemeinderat wünschen sich einen Wechsel. Jan Zeitler heißt ihr Wunschkandidat. Für den 46-jährigen SPD-Verwaltungsbürgermeister aus Horb hat sogar die Junge Union plakatiert. Mit Becker hat die CDU hingegen eine Rechnung offen. Bei der Kommunalwahl vor zwei Jahren hatte sie auf einer eigenen Liste für den Kreistag kandidiert. Das kam nicht gut an, schließlich war sie da noch CDU-Mitglied. Kurz darauf trat sie aus. Sie sei eh schon länger eine Karteileiche gewesen, räumt Becker ein.

Heute bewegt sich die Oberbürgermeisterin eher im grünen Milieu der 22 000-Einwohner-Stadt. Es kam einem kommunalpolitischen Paukenschlag gleich, als sie vor sieben Jahren den Gemeinderat zur Nachsitzung in den Ochsen bat und eine wichtige Mitteilung ankündigte. Mit einem Stadtrat sei sie liiert, gab sie bekannt, und alle sahen sich fragend an. Es war der damalige Grünen-Fraktionschef Martin Hahn. Heute sitzt der Biobauer im Landtag.

Streit um 150 Platanen

Ihr Partner sei ihr größter Unterstützer, sagt Sabine Becker, die noch einiges vorhat. „Es wäre fies, wenn ich die angefangenen Dinge nicht zu Ende bringen dürfte.“ Zuvorderst denkt sie dabei an die Landesgartenschau. Dass sie im Jahr 2020 im Überlinger Westen stattfinden wird, ist zweifelsfrei auch ihr Erfolg. Allerdings bescherte ihr das Projekt einen handfesten Streit. Seit Monaten kämpft eine Bürgerinitiative dafür, dass eine Platanenallee mit 150 Bäumen stehen bleiben darf.

Der Konflikt dürfte Becker Stimmen kosten. Doch Zeitler nutzt dies wenig. „Der städtische Friede ist mir so wichtig, dass ich als OB gerne mit allen Gruppen reden würde“, sagt er. Die Erfolgsaussichten dafür sind gering, zumal eine pikante Personalie durchsickerte. Zeitlers Ehefrau leitete als Landschaftsarchitektin die gerade zu Ende gegangene Gartenschau in Öhringen. Nun will das Land sie offenbar in gleicher Funktion nach Überlingen schicken.

Für Georg Müller ist dies eine Steilvorlage. Der 56-jährige promovierte Lehrer aus Hessen, der ebenfalls OB-Ambitionen hat und auch schon im Stuttgarter Rathaus arbeitete, hat sich im Platanenstreit klar auf die Seite der Baumschützer geschlagen. Auch sonst versucht er, den Ton im Wahlkampf zu verschärfen. Im Gegensatz zu dem SPD-Mann Zeitler sei er wirklich unabhängig. Auch Müller besaß übrigens bis vor kurzem ein CDU-Parteibuch. Im vergangenen Jahr hatte er vergeblich bei der OB-Wahl in Filderstadt kandidiert.

Ein Mann aus den eigenen Reihen

Der vierte Bewerber ist ein Überlinger Eigengewächs: Klaus Kirchmann ist in der Stadt geboren und aufgewachsen, kommunalpolitisch bisher aber nicht in Erscheinung getreten. Interessant ist sein Werdegang gleichwohl. Fast 30 Jahre lang arbeitete er als Politikberater für die Uno und die Weltbank. Zuletzt betreute der 50-Jährige ein Projekt in Myanmar, wo er in 27 Landkreisen eine moderne Verwaltung installierte. „Ich stehe für Dialog“, sagt Kirchmann. Wenn er das in Myanmar geschafft hat, müsste er eigentlich auch im Platanenstreit vermitteln können.