Boris Palmer, der OB Tübingens, versucht es bei der nächsten Wahl als unabhängiger Kandidat. Foto: imago images/ULMER Pressebildagentur/Markus Ulmer

Unbekannte haben die Unterschriftenliste der Initiative zur Wiederwahl des Tübinger OBs gekapert. Weder der CDU-Kreisvorsitzende Christoph Naser noch die frühere SPD-Oberbürgermeisterin Brigitte Russ-Scherer haben dort ihren Namen eingetragen.

Tübingen - Die Wahlinitiative, die den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer im Rennen um das Rathaus unterstützt, hat auf ihrer Homepage eine öffentliche Pro-Palmer-Unterschriftenliste angelegt. Doch längst nicht alle Unterzeichner haben sich dort selbst eingetragen. „Da sind leider Fakes darunter“, sagt Christoph Melchers, Grünen-Mitglied und einer der Initiatoren.

Die Namen der früheren Tübinger SPD-Oberbürgermeisterin Brigitte Russ-Scherer oder Langzeit-FDP-Gemeinderat Dietmar Schöning seien wieder von der Liste gestrichen worden. „Wir werden künftig die einzelnen Unterschriften überprüfen, bevor sie online gestellt werden“, kündigt Melchers an. Über ein einfaches Formular auf der Homepage lässt sich bisher ein automatisierter Listeneintrag bewerkstelligen. „Das wird geändert, wir werden das abstellen“, sagt Melchers und wundert sich, wer hinter dem Störfeuer steckt. „Das Ganze ist wirklich ärgerlich.“

CDU-Stadtverband ist empört

Der CDU-Stadtverband zeigt sich empört über die falschen Namen. Es seien gezielt Personen verschiedener Parteien als vermeintliche Unterstützer auf die Liste gesetzt worden, die dies weder wussten noch wollten, heißt es in einer Pressemitteilung am Sonntag. Es falle „auch der CDU-Kreisvorsitzende Christoph Naser darunter, ebenso wie die Ofterdinger CDU-Ortsvorsitzende Birgit Walter, die jedoch ausdrücklich keine Unterstützung für Boris Palmer bekanntgaben“. Die Homepage verlange lediglich eine Bestätigung via E-Mail, das sei ein System, das sich leicht missbrauchen ließe und keineswegs fälschungssicher sei.

„So kann nämlich jeder beliebige Name mit jeder beliebigen Adresse eingetragen werden, alles was es benötigt ist eine ‚Wegwerf‘-E-Mail-Adresse.“ Aus Sicht des Stadtverbands zeige sich „eine unüberlegte Vorgehensweise der Verantwortlichen der Bürgerinitiative, die massiv dem demokratischen Prozess schadet und Wähler erheblich verunsichern kann“.

Proteste vor Palmers Wohnhaus

Ungemach erlebte Tübingens Oberbürgermeister aber auch auf eine sehr beklemmende und direkte Weise. Mehrere Menschen protestierten vor Palmers Wohnhaus gegen die Impfpflicht, sie feindeten ihn verbal und lautstark offen an. Der Vorfall habe sich bereits am Montag vergangener Woche ereignet, sagte Palmer an diesem Montag. Als er am Abend von einer Ausschusssitzung nach Hause gekommen sei, hätten sich etwa zwei Dutzend Menschen vor seinem Haus versammelt gehabt. Er sei zur Sicherheit in eine Seitenstraße gegangen und habe die Polizei verständigt.

Seine Frau habe ihm berichtet, dass die Protestierenden „Palmer verrecke“ gerufen hätten. Er gehe davon aus, dass es sich um sogenannte „Spaziergänger“ handele, die gegen die Corona-Maßnahmen protestierten. Von einer Anzeige habe er aufgrund der Aussichtslosigkeit des Erfolgs abgesehen.