Nachfolger von Amtsinhaber Fritz Kuhn: Frank Nopper. Foto: imago/Horst Rudel, Lg/Achim Zweygarth

Im Interview erklärt Stuttgarts künftiger Oberbürgermeister Frank Nopper, welche Stadt er sich zum Vorbild nimmt und warum er sich in S-21-Gegner hineinversetzen kann.

Stuttgart - Eine Wahlparty gab’s nicht. Coronabedingt. Und der Rosé im Hause Nopper floss „nur in Maßen“. Die Erfüllung seines „Jugendtraumes“ genoss der künftige Stuttgarter Oberbürgermeister Frank Nopper (59) eher im Stillen. Um Stuttgart aber soll es künftig nicht still sein.

 

Herr Nopper, herzlichen Glückwunsch zur gewonnenen Wahl. Was hat den Ausschlag gegeben?

Ich denke, dass die Stuttgarterinnen und Stuttgarter frei nach Adenauer vielleicht keine Experimente mit einem unerfahreneren Kandidaten wollten und sich auch bei der Mobilität, beim Klimaschutz und der Arbeitsplatzsicherung bewusst für Maß und Mitte entschieden haben. Am Ende war ich wohl derjenige, dem man es am ehesten zugetraut hat, diese Stadt als Oberbürgermeister so zu prägen, dass sie voran kommt. Nach bayerischem Modell wäre ein zweiter Wahlgang wie am vergangenen Sonntag in Stuttgart übrigens gar nicht möglich gewesen. Dort wäre es so gelaufen, dass die beiden Erstplatzierten aus dem ersten Wahlgang gegeneinander antreten, also Nopper gegen Kienzle. Wie das ausgegangen wäre, das weiß der liebe Herrgott.

Wie bewerten Sie Ihr Ergebnis von 42,3 Prozent?

Ich glaube, dass dies unter den gegebenen Umständen am Ende ein klares Ergebnis ist.

Haben Sie immer daran geglaubt zu gewinnen?

Ich habe zumindest das tragende Gefühl, dass ich viele Menschen mit meinem Konzept erreichen konnte. Ich war viel bei den Leuten, auf den Straßen und Plätzen und habe viele Gespräche geführt, die mich zuversichtlich stimmten. Als routinierter Wahlkämpfer habe ich in den letzten Tagen gespürt, dass es noch mal nach oben geht. Ich hatte ein gutes Bauchgefühl. Aber natürlich ist man am Sonntagnachmittag trotz alledem auch nervös.

Warum war die Wahlbeteiligung so niedrig?

Ich vermute, dass einige Kienzle-Wähler nicht mehr zur Wahl gegangen sind.

Wie können Sie als Oberbürgermeister mehr Interesse für die Kommunalpolitik wecken?

Ich werde natürlich mein Bestes geben, um etwas gegen die kommunalpolitische Enthaltsamkeit zu tun. Aber sind wir doch mal ehrlich: das ist ein sehr altes Phänomen. Mein Vater hat bei der OB-Wahl 1966 gegen Arnulf Klett kandidiert; damals musste man noch ein bestimmtes Quorum erreichen. Er hat Klett nur deshalb in den zweiten Wahlgang gezwungen, weil die Wahlbeteiligung so niedrig war. Weder Manfred Rommel noch Wolfgang Schuster noch Fritz Kuhn haben da viel ausrichten können.

Woran liegt das?

Sie müssen sehen, dass in Stadtbezirken wie Sillenbuch und Degerloch weit über 60 Prozent der Leute abgestimmt haben, in Stadtbezirken wie Zuffenhausen oder Stammheim zum Teil nur 35 Prozent. Viele Leute dort beschäftigen offensichtlich andere Themen. Es sind überwiegend auch die Älteren, die sich beteiligen. Die Jüngeren sind eher unterrepräsentiert. Das hat vielleicht auch mit der Lebenssituation zu tun.

Der frühere Ministerpräsident Günther Oettinger, der Sie unterstützt hat, meint, Sie müssten in Ihrer Amtszeit ein, zwei große Nopper-Projekte verwirklichen. Sehen Sie das auch so? Wenn ja, welche?

(lacht) Das ist ein typischer Günther Oettinger. Ich glaube, er hat recht. Aber da bitte ich noch um Geduld bis zur Amtseinführung im Januar. Da werde ich dann mehr dazu sagen.

Sie wollen Stuttgart zum Leuchten bringen, haben Sie angekündigt. Was haben Sie vor?

Ich habe da eine ganze Reihe von Ideen. Klar ist für mich schon jetzt: Wir müssen am Image arbeiten, möglicherweise gestützt auf eine Agentur. Und eine Kampagne wird da nicht reichen. Wir haben in den vergangenen Jahren zu sehr das Negative in den Vordergrund gestellt. Ich will Stuttgarts Stärken herausstellen. Wir brauchen ein ansteckendes Stuttgart-Gefühl. Es muss wieder richtig Freude machen, in Stuttgart zu leben und zu arbeiten.

An welchen Städten orientieren Sie sich?

Die Stadt München hat ein unglaublich gutes Image – es ist zum Teil sogar besser als das, was real existiert. Sie ist ein leuchtender Stern am leuchtenden Städte-Himmel. Das hätte auch Stuttgart verdient, aber wir sind es bisher nicht.

Sie werden sich im Gemeinderat mindestens in den nächsten vier Jahren einer öko-sozialen Mehrheit gegenübersehen. Erschwert das Ihre Vorhaben?

Ich werde sehr bald mit allen Fraktionsvorsitzenden Gespräche führen. Ich bin bereit und in der Lage, auch mit anderen Kräften zusammenarbeiten. Das ist mir schon in Backnang gelungen. Ich bin da guten Mutes.

Volksfesteröffnung, S-21-Einweihung, Internationale Bauausstellung. Worauf freuen Sie sich am meisten?

Auf alles! Die größte Bedeutung für Stuttgart hat natürlich Stuttgart 21. Das Eröffnungsfest für den neuen Bahnhofs muss ein großes Versöhnungsfest werden. Ich bringe da gute Voraussetzungen mit, weil ich aus meiner Familie größte Widerstände gegen Stuttgart 21 gewohnt bin. Mein Vater war ein entschiedener Kritiker von S 21. Jedes Mal, wenn ich ihn besuchte, hatte er einen Zettel mit Fragen vorbereitet und befragte mich dann investigativ. Wir haben uns aber immer vertragen. Den Andersdenkenden respektieren mit seiner Position – das ist mir ganz wichtig. Ich kann mich in die Position der S-21-Gegner reindenken. Das muss man umgekehrt allerdings auch erwarten dürfen.

Bleiben Sie Regionalrat?

Ja, mit voller Überzeugung! Ich bin – wenn ich es richtig sehe – der einzige Regionalrat, der ein einem Kreis gewählt worden ist (Stuttgart) und dann in einen anderen gewechselt ist (Rems-Murr-Kreis). Jetzt kehre ich wieder nach Stuttgart zurück. Ich bin also innerhalb der Region ein Wanderer zwischen den Welten.

Was bedeutet der CDU-Erfolg bei der OB-Wahl für die Landtagswahl im März?

OB-Wahlen sind zuallererst Persönlichkeitswahlen und erst in zweiter Hinsicht politische Richtungswahlen. Eine gewisse Bedeutung für das Land dürfte die OB-Wahl dennoch haben.

Welcher Glückwunsch hat sie am meisten gefreut?

Da gibt es kein Ranking bei mir. Viele haben mir gratuliert, und das war teilweise sehr bewegend. Gefreut habe ich mich, dass Hannes Rockenbauch am Wahlabend auf mich zugekommen ist und wir uns wechselseitig ein gutes persönliches Verhältnis versprochen haben – bei allen inhaltlichen Unterschieden.