Claudia Moosmann will es werden, Roland Klenk will es bleiben: die wichtigste Person in der Verwaltung von Leinfelden-Echterdingen. Foto: Judith A.Sägesser

Am Sonntag, 12. November, wird es ernst. Dann wählen die Bürger von Leinfelden-Echterdiungen ihren Oberbürgermeister. Was sie trennt und was sie verbindet, erklären der Amtsinhalber Roland Klenk und die Herausforderin Claudia Moosmann hier.

Leinfelden-Echterdingen - Die Bürger von Leinfelden-Echterdingen haben am Sonntag, 12. November, bei der Oberbürgermeisterwahl nun doch eine Auswahl. Auf dem Stimmzettel stehen zwei Namen. Die Filder-Zeitung hat Amtsinhaber Roland Klenk und seine Herausforderin Claudia Moosmann zum Streitgespräch gebeten. Ein Gespräch über Demokratie, Integration und die Finanzen der Stadt.

Herr Klenk, Sie lieben Ihren Beruf und die Stadt L.-E. Haben Sie auch einen Lieblingsort – außer dem Rathaus?
Ich liebe es, ausgedehnte Spaziergänge ins Siebenmühlental zu unternehmen. Dort kann ich die Seele baumeln lassen.
Frau Moosmann, Sie fühlen sich insbesondere in Leinfelden zu Hause...
Ja, ich liebe das dortige Vereinsleben: eine vielfältige, lebendige Gemeinschaft.
Wie und wo fiebern Sie am Sonntag dem Wahlergebnis entgegen?
Claudia Moosmann: Ich hoffe auf ein zweistelliges Ergebnis – also zwischen zehn und 99 Prozent. Dieses wollen wir mit einer Party in einer Kneipe in meiner Nachbarschaft feiern.
Roland Klenk: Ich werde spazieren gehen. Nachmittags erwarte ich Besuch von Verwandtschaft und Freunden. Wir werden Kaffee trinken und dann gegen 18 Uhr zum Rathaus Leinfelden aufbrechen, um dort den Ergebnissen entgegenzufiebern.
Frau Moosmann, wer wird Sie wählen?
Es gibt Bürger, die finden es gut, was ich mache. Sie kommen auf mich zu und sagen, es muss eine inhaltliche Auseinandersetzung stattfinden. Dies wollen sie auf jeden Fall unterstützen.
Herr Klenk, wer wird Sie nicht wählen?
Frau Moosmann wird wohl bei den Linken eher abräumen als ich. Ansonsten kann ich das nicht verorten. Es liegt eine sehr bewegte Zeit hinter uns. Nach 16 Jahren im Amt kann man nicht mehr nur Freunde haben. Mir war immer wichtig, dass man mich als objektiven Sachwalter wahrnimmt, dass jeder bei mir gleiches Gehör findet. Wenn Entscheidungen nicht so ausgefallen sind, wie es der eine oder andere erwartet hat, ist das der ganz normale Verlauf der Dinge. Der Entschluss, erneut zu kandidieren, ist bei mir auch deshalb gereift, weil ich von vielen Ehrenamtlichen unserer Stadt angesprochen worden bin. Sie baten mich weiterzumachen. Das war für mich ausschlaggebend.
Angenommen es klappt nicht, haben Sie einen Plan B?
Dann werde ich dafür Sorge tragen, dass ich ab dem 15. Januar meine Pension ausbezahlt bekomme. Einen anderen Plan B habe ich nicht.
Frau Moosmann, Sie haben sich sehr spontan entschieden zu kandidieren. Warum?
Ich habe sechs Tage vor dem Bewerbungsschluss festgestellt, dass es keinen Gegenkandidaten gibt. Da habe ich mich zur Kandidatur entschieden. Wir leben nicht in der DDR. Die Zeiten sind vorbei, wo ein Kandidat 99 Prozent der Stimmen bekommt. Wir stehen zur Demokratie. Da gibt es mindestens zwei Personen zum Auswählen.
Es geht Ihnen eher um ein Zeichen als um das Amt?
Ich würde das Amt annehmen, falls ich gewählt werde. Eigentlich geht es mir aber um die demokratische Auseinandersetzung und um die Inhalte, die dieses Amt mit sich bringt. Es gibt viele Leute im Rathaus, die meinen es gut mit dem Herrn Klenk. Viele arbeiten ihm zu. Es gibt aber zu viele nicht öffentliche Entscheidungen.
Herr Klenk, hat sich sonst niemand getraut, gegen Sie anzutreten?
Das ist eine Frage, die Sie mir nicht stellen müssen. Frau Moosmann hat sich auf den letzten Drücker entschlossen zu kandidieren. Andere haben es nicht getan. Ich nehme das als Ausweis, dass jemand von außen, der sich mit dem Gedanken getragen hat, sich zu bewerben, erkennen musste, dass in diesem Rathaus nicht unbedingt jemand sitzt, der auf einem Schleudersitz Platz genommen hat.
Jetzt haben Sie doch noch eine Gegenkandidatin bekommen. Ist der Wahlkampf für Sie dadurch spannender geworden?
Ja, das muss ich schon sagen. Ich bin noch motivierter geworden. Die Kampfeslust ist größer geworden. Es macht Spaß.
Frau Moosmann: Warum sind Sie die richtige Frau für den obersten Rathaussessel?
Ich liebe diese Stadt. Leinfelden muss mit Echterdingen Schritt halten. Mir ist es wichtig, die Versorgungslage der Bürger zu betrachten. Es gilt, die Grundstücksbesitzer mitzunehmen und Gebiete beispielsweise mit Glasfasernetzen aufzuwerten. Zudem bin ich eine Frau, und Frauen können besser zuhören. Und ich kandidiere nicht mehr in acht Jahren.
Herr Klenk: Warum sind Sie weiterhin der richtige Mann für diesen Posten?
Ich denke, die vergangenen 16 Jahre hat die Stadt eine Entwicklung gemacht, die unter dem Strich gut ist. Wir sind ein sehr begehrter Standort. Ich habe klar gesagt, was ich in den nächsten acht Jahren für vordringlich halte. Das ist ein Haufen Arbeit, dem ich mich gerne verschreiben will. Die Bevölkerung soll weiterhin sehen: Der Gemeinderat, die Stadtverwaltung und der OB ziehen an einem Strang.
Erklären Sie doch bitte noch einmal kurz Ihre obersten Ziele.
Wir verfügen über das Glück guter Finanzen. Das müssen wir nutzen, um die bestehende Infrastruktur der Stadt instand zu halten und auch um neue zu schaffen. Das heißt für mich, Schulen und Kindergärten zu sanieren und auch neu zu bauen. Wir werden neue Räume brauchen für die Betreuung an unseren Schulen. Wir müssen Bauland entwickeln und damit auch für eine Entspannung an der Preisfront sorgen. Ich hoffe auf Erfolg unseres Baulandentwicklungskonzeptes. Dass also die Menschen bereit sind, uns ihre Grundstücke zu geben, damit wir anderen Menschen weiterhin das Wohnen in unserer Stadt ermöglichen können. Mir ist es zudem wichtig, das Ehrenamt zu stützen, wo es nur geht.
Frau Moosmann, Herr Klenk, wie stehen Sie zu einer Wohnungsbaugesellschaft in städtischer Regie?
Klenk: Bei diesem Thema muss man mehrgleisig fahren. Fachleute raten uns zurzeit von der Gründung einer eigenen GmbH ab. Die Überlegung ist – und dieser stehe ich nahe – diesen Bereich in eine Art Eigenbetrieb auszugliedern. Und eventuell noch etwas Personal anzustellen. Dann muss das Ganze wachsen. Gleichzeitig handeln wir bereits. Wir haben Häuser gekauft, wir wollen Grundstücke bebauen.
Das aktuelle Projekt ist das Haus in Leinfelden in der Nähe der Kant-Schulen...
Klenk: Ja, wir werden das Haus demnächst kaufen. Ein Teil der Wohnungen muss hergerichtet werden. Dann kann es bezogen werden.
Moosmann: In Sachen städtischer Wohnungsbaugesellschaft hätte ich mich schon vor Jahren festlegen können. Die Stadt hat viel Geld. Wir könnten uns dies auch als Kommune leisten. Das besagte Haus in Leinfelden stand aber bisher dem normalen Wohnungsmarkt zur Verfügung. Das kauft jetzt die Stadt und richtet es für viel Geld her. Wir haben damit keinen zusätzlichen Wohnraum geschaffen.
Klenk: Sie haben recht. Es ist teurer Wohnraum, der schon besteht. Aber er bekommt eine neue Qualität. Er wird bezahlbar. Deshalb bekenne ich mich zu diesem Projekt.
Thema Mobilität: Hier geht es mancher Fraktion und manchem Bürger zu langsam.
Klenk: Die Umsetzung von Konzepten kann unterschiedliches Tempo haben. Ein Beispiel dafür ist die U 5, die mir sehr am Herzen liegt. Vor acht bis zehn Jahren bekommen wir die Verlängerung nach Echterdingen nicht. Deshalb setze ich auf deutlich mehr Busverkehr.
Der Bus fährt auch auf Straßen. Die Straßen in L.-E. sind nicht bekannt dafür, leer zu sein.
Auch hier muss man an verschiedenen Strängen ziehen. Ich muss die Fußgänger im Auge behalten, das Radwegenetz und auch das Busfahren attraktiver machen. Haltestellen müssen überdacht und abends beleuchtet sein. Es ist die Zuverlässigkeit und der Komfort und nicht nur der Preis, der den Zuspruch beim ÖPNV regelt.
Frau Moosmann, was sagen Sie dazu?
Die U 5 bis mindestens Echterdingen umzusetzen, braucht einen langen Atem und Rücklagen, die wir jährlich bereit stellen müssen. In Leinfelden haben wir zudem seit 20 Jahren das Problem, dass die Marktstraße nie für den Busverkehr gebaut wurde. Nun aber fahren sämtliche Busse hindurch. Die Anwohner haben alle Auswirkungen zu tragen. Da brauchen wir eine Lösung. Zudem verdrängen Radfahrer die Fußgänger. Die Radler fahren oft in die falsche Fahrtrichtung.
Thema Flüchtlinge: Lange Zeit ging es nur darum, Wohnraum für Zuwanderer zu schaffen. Es geht aber auch um Integration. Wie kann diese gelingen?
Moosmann: Integration kann gelingen, indem wir einfache Arbeitsplätze anbieten. Sie passiert im Alltag und findet im Kleinen statt. Es gilt, Frauen und Kinder im Vereinsleben einzubinden. Wir kämen weiter, wenn wir nicht nur Arbeitsplätze beim Sozialamt schaffen, sondern den Betroffenen direkter helfen.
Klenk: Wir brauchen hier sicher noch weiteres Personal. Wir haben jetzt die Möglichkeit sogenannte Integrationsmanager einzuführen. Zudem gibt es die Pro-Kopf-Pauschale von 1100 Euro pro Jahr. Das wird aber nicht reichen. Das ist ein Nasenwasser. Die Aufgabe der Integration ist angesichts der sehr hohen Anzahl an Menschen nicht so zu schaffen, wie wir sie eigentlich schaffen müssten. Integration kann aber durch eine dezentrale Unterbringung der Menschen besser gelingen. Dann ist die Verführung nicht so groß, unter sich zu bleiben, sich sprachlich nicht fortzubilden. Durch das Projekt „L.E. mietet“ haben wir bereits 80 Menschen in Privatwohnungen untergebracht. Ich setze zudem weiter auf die Mithilfe aus der Bevölkerung.
Moosmann: Das Geld wird auf der Zwischenebene verbraucht. Es kommt nicht bei den Flüchtlingen an. Wir brauchen hier eine offene Auseinandersetzung im Rathaus, um den besten Weg zu finden.
Die Stadt hat sehr viel Geld auf der hohen Kante. Wohin soll diese Summe fließen?
Klenk: 75 Millionen Euro – ein solch hohe Liquidität gab es noch nie in unserer Stadt. Wir haben aber Projekte und Vorhaben, die weit über diese Summe hinausgehen. Wir müssen also auswählen, Prioritäten setzen. Das ist die oberste Aufgabe des Gemeinderates und nicht des Oberbürgermeisters. Da lasse ich das Gremium in den nächsten Jahren nicht mehr aus der Zange. Ich werde den Gemeinderat zu Entscheidungen drängen. Mir persönlich liegen die Schulen und Kindergärten am Herzen. Auch für die U 5 bin ich bereit, Geld hinzulegen. Wir werden zudem nicht wenig Geld brauchen, um den Lärmschutz an der S-21-Strecke, die durch unsere Stadt führt, so zu gestalten, dass L.-E. seinen Reiz behält.
Moosmann: L.-E. braucht ein behindertengerechtes Standes- und Ordnungsamt in Leinfelden über der S-Bahn. Wir sollten am Leinfelder Bahnhof gemeinsame Abteilungen der Rathäuser planen. Die Stadtwerke sollten für drei Millionen Euro im Jahr Glasfaserhaus-Anschlüsse schaffen. Es gilt, die Kinderbetreuung weiter auszubauen – als Standortvorteil für L.-E.
Klenk: Beim Glasfasernetz sind wir am weitesten von allen Kommunen. Wir haben 35 Kilometer Leerrohre liegen, 21 Kilometer sind belegt. Vor sieben Jahren haben wir damit angefangen. Und drei Millionen Euro bekommen wir gar nicht verarbeitet.
Nehmen wir an, Herr Klenk, Sie bleiben Oberbürgermeister von L.-E. und Sie, Frau Moosmann, bleiben Stadträtin. Wie sieht die weitere Zusammenarbeit aus?
Klenk: Frau Moosmann hat meinen vollen Respekt. Den hat sie bisher gehabt, und den hat sie auch jetzt, wo sie gegen mich kandidiert. Wir ringen mit Argumenten. Der bisherige Wahlkampf ist fair verlaufen. Ich sehe keinen Grund, warum wir nicht weiter gut zusammenarbeiten sollten.
Moosmann: Das ist auch mein demokratisches Verständnis. Dann war es auch nicht falsch, mich zu bewerben.