Abgewählt: Noch-OB Dieter Salomon vor dem Freiburger Rathaus Foto: dpa

Überraschung in Freiburg: Grünen-Politiker Dieter Salomon unterliegt bei der Oberbürgermeisterwahl. Er muss das Amt an einen politischen Neuling abgeben. Salomon hat den Gegenwind offenbar zu spät gespürt, kommentiert Heinz Siebold.

Freiburg - Die Sensation ist perfekt, und es stimmt, was der Kabarettist Matthias Deutschmann befürchtet hat: Man kann mit Floskeln und Händeschütteln Oberbürgermeister werden. Aus dem Stand heraus, mit ein paar Wochen Dauerwahlkampf, als Parteiloser, aber unterstützt von einer überaus motivierten SPD. Ob Horn und seine Unterstützer wirklich geahnt haben, dass ein untergründig gewachsener Unmut den seit 16 Jahren amtierenden Grünen Salomon tsunamiartig aus dem Amt fegen könnte, zählt jetzt nicht mehr.

Tatsächlich ist der nette Herr Horn eine Projektionsfläche für alle, denen Dieter Salomon ein- oder mehrfach auf die Nerven gegangen ist: als er die städtischen Wohnungen verkaufen wollte und per Bürgerentscheid davon abgehalten werden musste; als zunächst Gegner, dann Befürworter eines Stadionneubaus für den Bundesligisten am Rande von Flugplatz und Wohngebiet; als Liebling des „Freiburger Teig“ genannten Establishments; als mehr Schwarz- als Rot-Grüner, dem man nicht abnimmt, die immensen Probleme der Wohnungssuchenden wirklich anzupacken. Zu spät hat der grüne Realo den aufkommenden Gegenwind gespürt.

Horn steht unter hohem Erwartungsdruck

Die Freiburger Wähler haben im ersten Wahlgang keinen Denkzettel verteilt, sondern einen Wechsel gefordert, den sie jetzt mit deutlicher Mehrheit erzwungen haben.

Ob das gewünschte Neue auch das Bessere ist, wird die Zukunft zeigen. Horn steht unter hohem Erwartungsdruck. Und muss nun inner- und außerhalb des Gemeinderats beweisen, dass er mehr kann als Händeschütteln und Lächeln. Und die Grünen? Auch sie müssen klären, warum einer ihrer Vorzeigepolitiker mit dem Establishment-Malus geradezu brutal abgestraft werden konnte.

politik@stzn.de