Wolfgang Lützner ist neuer OB von Böblingen Foto: Kraufmann

Böblingens neuer OB Wolfgang Lützner (CDU ) glaubt nicht an eine baldige Städte-Fusion.

Er hat die OB-Wahl gewonnen: Wolfgang Lützner (CDU) hat sich am 21. Februar mit 56 Prozent der Stimmen durchgesetzt und wird neuer Stadtchef in Böblingen. Jetzt erklärt er im Interview, dass er an eine baldige Fusion mit der Nachbarstadt Sindelfingen nicht glaubt: "Es gibt zu viele, die es nicht wollen."

Herr Lützner, was überwiegt bei Ihnen gerade? Abschieds- oder Aufbruchstimmung?

Der Aufbruch. Das liegt daran, dass ich mich im Wahlkampf viele Wochen intensiv mit Böblingen beschäftigt habe. Da ist man automatisch schon tief in der Stadt drin.

Das heißt, Sie können es kaum noch erwarten. Wann starten Sie denn in Böblingen?

Wenn die Wahlprüfung glatt über die Bühne geht und wenn es keine Wahlanfechtung gibt am 1. April.

Wie stellen Sie sich denn die ersten Tage als Stadtchef in Böblingen vor?

Anstrengend.

So war die Frage nicht gemeint. Gibt es Themen, die Sie unverzüglich anpacken wollen?

Ja. Ich habe auch schon parallel mit OB Vogelgsang Termine gemacht. Ich war zum Beispiel auf der Hauptversammlung der Feuerwehr und bei einem Handballspiel. Ich merke einfach, die Menschen freuen sich, wenn sie mit dem neu gewählten OB zusammenkommen und sprechen können. Jetzt ist klar, es wird kein Wahlkampf mehr gemacht, jetzt kann man ernsthaft über die Dinge reden, die vorher immer in der Abwägung der Tatsache, dass Wahlkampf ist, bearbeitet wurden. Der Wahlkampf hat ja eigene Regeln.

Das fällt aber wohl eher in die Kategorie Hände schütteln und sich noch mehr bekannt machen. Gibt es politische Themen, die sie ganz schnell in Angriff nehmen wollen?

Die Bahnhofstraße, die Fußgängerzone werden soll, Stadtsanierung und Verkehr.

Was meinen Sie mit Verkehr?

Die A-81-Überdeckelung. Es gibt zwar die mündliche Finanzierungsvereinbarung, doch wir müssen schauen, dass sie auf Papier mit Unterschriften umgesetzt wird, damit bald gebaut werden kann. Ein zeitnahes Thema ist auch die Kinderbetreuung.

Lützner hat keine Angst um seinen Job

Die Fusion mit Sindelfingen steht demnach nicht auf ihrer Prioritätenliste. Wollen Sie mit ihrem Sindelfinger Kollegen und Parteifreund Bernd Vöhringer überhaupt darüber reden?

Wir werden uns sicher in den nächsten zwei, drei Monate zusammensetzen. Ich habe ihn bisher nur beim Spatenstich des Pflegeheims in Böblingen-Dagersheim getroffen. Ich kannte ihn bis dahin gar nicht. Das wird sicher interessant werden, wenn wir uns zusammensetzen. Als eines der ersten Themen wird sicher die geplante Ansiedlung von Möbel Hofmeister in Sindelfingen besprochen werden müssen. Da wird sich dann zeigen, ob er tatsächlich am Zusammenwachsen der Städte interessiert ist oder ob es so aussehen soll, dass die eine diktiert und die andere mitläuft.

Vöhringer hat ja mit seinem Vorstoß zur Doppelstadt im Oktober 2009 bundesweit für Aufsehen gesorgt. Er meint, dass Böblingen und Sindelfingen damit viel Geld sparen können. So um die zehn Millionen Euro jährlich. Was meinen Sie?

Das muss erst noch bewiesen werden.

Sicher ist: Ein Oberbürgermeister-Gehalt fällt weg. Und das von etlichen anderen Führungskräften wie Amtsleitern auch. Das ist doch schon etwas, oder?

Die These, dass es billiger wird, ist so einfach nicht zu untermauern. Wir müssten schon mal über 20 Feuerwehrleute neu einstellen, weil Städte mit über 100.000 Einwohnern eine 40-köpfige Berufsfeuerwehr brauchen. Ein OB einer so großen Stadt muss auch mehr machen. Er braucht also Mitarbeiter, die ihn entlasten. Die kosten auch wieder Geld. Es ist ja nicht so, dass die Arbeit weniger wird. Als Beispiel: Die Anzahl der Buchungsvorgänge auf der Kasse wird, wenn zwei Städte gleicher Größe fusionieren, doppelt so groß. Sie sparen dadurch also nicht automatisch Personal. Wenn man eine Fusion durchführt, um Kosten zu sparen, dann muss man Dienste für den Bürger verändern und Einrichtungen schließen.

Ihr Kollege Vöhringer will durch die Fusion auch Kräfte bündeln, um im regionalen und internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Mit fast 110.000 Einwohnern wäre die Doppelstadt nach Stuttgart die Nummer zwei in der Region und hätte politisch ein deutlich größeres Gewichts. Sehen Sie das anders?

Nein, das unterstreiche ich. Stuttgart hat bei politischen Entscheidungen der Landesregierung natürlich ein viel stärkeres Gewicht als Süßen oder Böblingen. Je größer eine Stadt ist, um so mehr hört man auf die Stimme ihrer Vertreter. Aber man darf sich auch keine Wunder erwarten.

Es gibt also durchaus Vorteile einer Fusion. Wie stehen Sie persönlich dazu?

Ich sehe es, was mich betrifft, emotionslos. Ich habe keinen Angst um meinen Arbeitsplatz, ich habe bisher immer Brot und Arbeit gefunden. Ich könnte mir auch vorstellen, OB einer Gesamtstadt zu sein. Nur das ist Zukunftsmusik. Wenn wir die Fusion wollen, müssen wir viele kleine Schritte tun.

Vöhringer wollte den ersten Schritt mit einer Untersuchung der Vor- und Nachteile machen. Er ist damit vorwiegend am Widerstand Böblinger Stadträte gescheitert. Werden Sie dem Gemeinderat ein Gutachten empfehlen?

Ich werde erst einmal eine Bestandsaufnahme machen, wie wir personell stehen und wo wir uns optimieren können. Ich muss auch erst einmal die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Organisation im Detail kennenlernen. Erst kann ich dem Gemeinderat guten Gewissens empfehlen, welche Vorgehensweise am besten ist und wie eine gemeinsame Stadt funktionieren kann.

Wagen Sie eine Prognose, in wie vielen Jahr es die Doppelstadt geben könnte?

Nach dem, was ich an Rückmeldungen aus der Bevölkerung habe, kann ich mir nicht vorstellen, dass innerhalb der nächsten zehn Jahre die Fusion besiegelt ist. Es gibt zu viele, die es nicht wollen. Die Menschen sehen ja auch, dass Fusionen in der Industrie nicht automatisch eine Stärkung des jeweiligen Unternehmens zur Folge haben.