Mit deutlichen Worten will OB Kuhn gegen Zwangsprostitution vorgehen. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die Plakat-Kampagne von Stuttgarts OB Fritz Kuhn gegen Zwangsprostitution scheint unter keinem guten Stern zu stehen. Einige stoßen sich an der vulgären Sprache, und nun wirft auch noch eine Werbeagentur ihm indirekt persönliche Motive vor.

Stuttgart - Eines hat Fritz Kuhn in jedem Fall erreicht. Über seine Plakat-Kampagne gegen Zwangsprostitution wird gesprochen, und zwar bundesweit. Dass die Stadt Stuttgart Wörter wie „Ficken“ und „Nutten“ benutzt, um Freier für das Thema zu sensibilisieren, macht seit mehreren Tagen Schlagzeilen. Zumindest in Stuttgart aber wird dabei weniger über das Problem der Zwangsprostitution diskutiert, sondern vielmehr darüber, ob man wirklich in der ganzen Stadt Plakate aufhängen muss mit provokativen Sprüchen wie „Die Würde des Menschen ist auch beim Ficken unantastbar“. Hätte das nicht im Rotlichtviertel gereicht? Nein, sagt man bei der Stadt, man wolle potenzielle Freier flächendeckend erreichen und nicht nur jene, die schon auf dem Weg ins Bordell sind.

Fragwürdiges Zustandekommen der Kampagne?

Jetzt hat ein Geschäftsführer einer Stuttgarter Werbeagentur auch noch ein Fragezeichen hinter das Zustandekommen der Kampagne gesetzt. Der Auftrag war öffentlich ausgeschrieben worden, drei Agenturen haben sich dem Vernehmen nach beworben und ihre Vorschläge der Kommunikationsabteilung des OB präsentiert, aus deren Etat das Ganze bezahlt wird. Anschließend hat man die Ausschreibung fristgerecht wieder aufgehoben, weil die Vorschläge der drei Agenturen „allesamt die Jury nicht überzeugt hatten“, wie ein Sprecher der Stadt sagt. Daraufhin habe man sich das Feld jener Werbeagenturen noch einmal angeschaut, die sich zwar interessiert gezeigt, aber nicht beworben hatten. Und dann wurde der Auftrag freihändig vergeben.

„Das Budget beträgt für die Gesamtkampagne 125 000 Euro - somit ist eine Direktvergabe rechtlich möglich“, so der Sprecher der Stadt. Erst ab einem Volumen von über 200 000 Euro muss ein städtischer Auftrag über eine Ausschreibung vergeben werden.

Nach weiteren Gesprächen auf Arbeitsebene und mit dem OB habe dann die Stuttgarter Werbeagentur „Werbung etc“ den Zuschlag erhalten, so der Sprecher weiter. Er bestätigt, was auch kein Geheimnis ist: Diese Agentur hat auch die Kampagne für Kuhns OB-Wahlkampf im Jahr 2012 gemacht.

Monatelang von der Stadt nichts gehört

Michael Horlacher, Geschäftsführer von einer der drei abgelehnten Werbeagenturen (agencyteam), problematisierte diese Entscheidung am Mittwoch im SWR-Hörfunk. Das sei eine Kampagne für Herrn Kuhn, sagte er und beschwerte sich darüber, nach der Präsentation seiner Vorschläge monatelang von der Stadt nichts gehört zu haben.

Der Vorwurf, dass diese Auftragsvergabe „ein Gschmäckle“ habe, wie man im Schwäbischen sagt, war vereinzelt bereits im August 2015 laut geworden, als sie bekannt gegeben wurde. Ein Sprecher von Kuhn begründet die Entscheidung schlicht mit Qualität: „Die Agentur, die im vorigen Frühjahr auch die erfolgreiche Bewerbung des Deutschen Turnerbundes um die Turn-WM für Stuttgart gestaltet hat, gilt als innovativ und durchaus unkonventionell in ihren Ansätzen.“ Wie unkonventionell diese Arbeit ist, davon kann man sich gerade in Stuttgart überzeugen.