Die Mülleimer am Eckensee in der Stuttgarter Stadtmitte quellen auch unter der Woche über. Foto: Haar

Im Kampf gegen den wilden Müll fordern das Ordnungsamt und der Abfallwirtschaftsbetrieb (AWS) mehr Geld und härtere Strafen. OB Fritz Kuhn will das Thema in den Haushaltsberatungen auf den Tisch bringen und die Müllverursacher, unter ihnen auch die Gastronomie, in die Pflicht nehmen.

Stuttgart - Natalia Aristov ärgert sich. Wenn sie in ihrem Wohngebiet im Stuttgarter Stadtteil Hausen spazieren geht, stolpert sie regelmäßig über alle Arten von Müll. Gebrauchte Taschentücher, Kippen, Kaffeebecher, Fast-Food-Verpackungen, Scherben. „Ich bin entsetzt über das Verhalten unserer Nachbarn: Schließlich handelt es sich um ihre eigene Straße, ihre eigene Nachbarschaft – wollen sie wirklich in einem versauten Viertel leben“, schreibt sie unserer Redaktion.

Nicht nur Natalia Aristov ärgert sich, auch die Stadt hat die Nase voll vom wilden Müll. 2012 entsorgte sie ganze 5629 Tonnen davon. Am Dienstag stand das Thema auf der Agenda des Ausschusses für Technik und Umwelt. OB Fritz Kuhn (Grüne) sagte den Stuttgarter Nachrichten, dass die Stadt künftig auch die Gastronomen mit in die Pflicht nehmen will: „Natürlich müssen auch die Verursacher ihren Beitrag leisten, sei es durch Müllvermeidung oder die Bereitstellung von Abfallbehältern.“ Außerdem soll das Thema wilder Müll auf Straßen und Plätzen bis hin zur Frage nach neuen Mülleimern Thema der Beratungen für den Doppelhaushalt 2014/15 werden. „Letztlich ist auch das Thema Müll in der Stadt eine Frage der Finanzmittel: für Sachkosten wie Personal.“

Genau daran nämlich mangelt es den zuständigen Ämtern und Betrieben mittlerweile. Die AWS arbeitet laut ihrer Sprecherin Annette Hasselwander bereits jetzt am Limit: Sechsmal pro Woche reinigen die Mitarbeiter die Königstraße von 3.45 bis 21 Uhr, an Sonn- und Feiertagen gibt es Grobreinigungen von 6 bis 10 Uhr. Auch in den Unterführungen Klett-Passage und Rotebühlplatz ist der Reinigungstrupp am Werk. „Eventuell wird das Gebiet in den nächsten Jahren auf ein weiteres Stadtviertel ausgeweitet“, sagt Hasselwander. Dazu kommen Einsätze an Brennpunkten: Ruft die Polizei oder der städtische Vollzugsdienst, kommen die Mitarbeiter der AWS und räumen auf.

Zehn bis 15 Täter werden pro Jahr ertappt

2012 ließ die Stadt weitere 144 Mülleimer aufstellen, macht insgesamt 4808 Papierkörbe. Trotzdem entsorgt die AWS an einem Wochenende von Freitagnacht bis Sonntagmorgen ca 11,2 Tonnen Müll, den die Stuttgarter einfach auf die Straße geworfen haben. Rund 16,7 Millionen Euro kostete die Straßenreinigung 2012 – ohne den Winterdienst. Zur Verfügung hat die AWS aber nur ein Budget von 14,7 Millionen Euro. Das Garten- und Friedhofsamt, zuständig unter anderem für die Spielplätze, kommt auf rund 670.000 Euro im Jahr für Entsorgung, Personal und den Einsatz von Fahrzeugen.

Werden die Täter nicht erwischt, bleiben Ämter und Eigenbetriebe auf den Kosten für die Entsorgung sitzen. Und das ist häufig der Fall. „Im Jahr erwischen wir rund zehn bis 15 Müllsünder auf frischer Tat“, sagt Hans-Jörg Longin, Fachgebietsleiter des städtischen Vollzugsdienstes. 262-mal finden sie zwar größere Mengen Müll, die Täter allerdings sind über alle Berge. Insgesamt hat der städtische Vollzugsdienst 57 Mitarbeiter, nur rund 21 kümmern sich um den Müll, allerdings gleichzeitig auch um wildes Campen, Grillen im Park, Fußgängerzonenüberwachung, Konflikte zwischen Fußgängern und Radfahrern, Straßenmusiker und Bettler. An Wochenenden sind pro Schicht sogar nur fünf Mitarbeiter unterwegs.

Bei der Suche nach Lösungen scheinen alle ratlos. „Höhere Strafen, die richtig wehtun, wären sicher angebracht, zumal die Entsorgung ja auch immer teurer wird“, sagt Longin. Was aber bringen höhere Strafen, wenn zu wenig Personal da ist, um die Täter zur Kasse zu bitten?

Letztlich bleibt der Appell an die Vernunft der Einzelnen: „Wer sein Stuttgart liebt, schmeißt nichts wild weg. Denn Müllvermeidung fängt bei jedem Einzelnen an und ist eine Einstellungssache wie auch eine Frage der Erziehung,“ sagt Fritz Kuhn.