SPD-Parteichef Dejan Perc bestätigt Absprache mit Grünen über gemeinsamen Kandidaten.
Stuttgart - Die 47 Jahre alte parteilose Bettina Wilhelm, seit 2009 Erste Bürgermeisterin in Schwäbisch Hall, hat am Freitag offiziell ihre Kandidatur um das Amt des Oberbürgermeisters in Stuttgart bekanntgegeben. Den Gedanken hege sie seit der Absage von OB Wolfgang Schuster (CDU) auf eine dritte Amtszeit im Januar, sagte sie bei der Pressekonferenz im Restaurant im Haus der Geschichte. „Ich setze hier auf Sieg“, gab sich Wilhelm kämpferisch: „OB ist mein Traumberuf.“
Sie habe ihre Fühler in Richtung SPD ausgestreckt, korrigierte Wilhelm die bisherige Version des SPD-Kreisvorsitzenden Dejan Perc. „Wir haben Bettina Wilhelm gefunden“, hatte der gesagt. Wie auch immer: Kreisvorstand, Ortsvereinsvorsitzende und Fraktion sprachen der Frau, die in Stuttgart geboren wurde und 42 Jahre hier gelebt hat, am späten Donnerstagabend das Vertrauen aus. Die Nominierung soll am 4. Mai sein. Zuvor stellt sich Wilhelm am 24. und 25. April in Regionalkonferenzen der SPD-Basis.
„Ich bin eine gute Alternative für Stuttgart“
In ihrer Vorstellung verwies Wilhelm nicht nur auf ihre Stuttgarter Wurzeln – sie stammt aus einer Wengerterfamilie, die Eltern führten einen Groß- und Einzelhandelsbetrieb auf dem Großmarkt –, sondern bemühte auch sozialdemokratische Tugenden. Nach dem FH-Abschluss als Sozialpädagogin habe sie ihr weiteres Studium in Tübingen neben dem Beruf durchgezogen. Nur nach der Geburt der ersten Tochter sei sie einmal ein volles Jahr zu Hause geblieben. Beide Töchter sind inzwischen erwachsen. Wilhelms Mann arbeite in der Computerbranche.
Für Stuttgart wolle sie als Oberbürgermeisterin fünf große Chancen nutzen. Sie wolle die Bürger nach dem Streit über Stuttgart 21 einen, Projekte auch in den 23 Stadtteilen zusammen mit den Bürgern gestalten, Stuttgart kinderfreundlicher machen, die Wirtschaftskraft erhalten und für bezahlbaren Wohnraum sorgen. Der Slogan von der kinderfreundlichen Stadt sei zwar nett, so Wilhelm, es sei aber „ein Skandal, dass es hier Bezirke gibt, die den Anspruch auf einen Kindergartenplatz nicht erfüllen können“. Auch beim Thema eigene Energieerzeugung habe Stuttgart „großen Nachholbedarf“. Mit ihr werde ein neuer Politikstil ins Rathaus einzeihen. „Ich bin eine gute Alternative für Stuttgart“, warb Wilhelm.
Sie habe beim Volksentscheid zu Stuttgart 21 „gegen den Tiefbahnhof gestimmt“, könne mit der Niederlage aber „professionell umgehen“. Wichtig sei, das „aus der Stadtkasse nicht mehr Geld in das Projekt fließt, die Stadt die Risiken im Blick behält und kritisch begleitet“, so Wilhelm.
Fehlendes Parteibuch sei Nebensache
Ob die SPD durch schlechte Planung ohne Not die Unterstützung von Freien Wählern und FDP verpasst habe, diese Frage „müssen Sie Herrn Perc stellen“, wiegelte Wilhelm Fragen zum Findungsverfahren ab. Sie jedenfalls sei überzeugt, auch Stimmen aus dem Lager der Grünen oder anderer Parteien erhalten zu können. Perc verteidigte die Strategie, die Nominierung von Fritz Kuhn (Grüne) und Sebastian Turner (CDU) abgewartet zu haben. „Wir wollten bewusst eine Alternative aufzeigen.“ Wilhelm habe kommunalpolitische Erfahrung und Verwaltungskompetenz. Sie könne Stimmen aus anderen Lagern holen. Das fehlende Parteibuch sei nebensächlich. Perc stellt klar, dass es bei einem zweiten Wahlgang Gespräche mit den Grünen über den Rückzug eines Kandidaten geben werde. „Wir wollen einen anderen Stil, das bedeutet, keinen CDU-OB.“
Man habe zwar vor Monaten mit der SPD über eine gemeinsame Kandidatin gesprochen, sagt Jürgen Zeeb von den Freien Wählern. Er finde es auch gut, dass nun eine Frau ins Rennen gehe, die Empfehlung der Freien Wähler für Turner werde aber nicht geändert.
„Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“, zitiert FDP-Fraktionschef Bernd Klingler einen Nobelpreisträger. Eine weitere Bewerberin um den OB-Posten tue der Stadt gut, die Liberalen hätten sich aber festgelegt – auf Turner, dem er selbst „lange Zeit kritisch“ gegenübergestanden habe.
Wilhelm sei eine „respektable Kandidatin“, sagt Grünen-Fraktionschef Peter Pätzold. Verwunderlich sei aber , dass CDU und SPD versuchten, ihre Kandidaten in „neutraler Verpackung“, also ohne Parteizugehörigkeit, zu präsentieren.