95 000 Menschen besuchten am Sonntag den Abschlussgottesdienst auf dem Wasen Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Amen. 95 .000 Menschen setzten am Sonntag beim Abschlussgottesdienst einen feierlichen Schlusspunkt hinter den Evangelischen Kirchentag. Es waren fünf Tage des gegenseitigen Nutzens. Die Stadt profitierte vom Christentreffen. Und die Christen nahmen viel Gutes aus Stuttgart mit. Eine Bilanz.

Stuttgart - Image. Die Stadt hat das gehalten, was sich die Organisatoren von ihr erhofft hatten. Stuttgart ist wach, streitbar, diskussionsfreudig. „Das war stadtprägend“, sagt Bischof-Sprecher Oliver Hoesch. Auch Oberbürgermeister Fritz Kuhns ist von der Diskussionskultur, der Friedfertigkeit, aber auch der Ernsthaftigkeit begeistert, mit der um Gemeinschaft gerungen wurde. Stuttgart war aus Kuhns Sicht ein guter Boden für ökologische Themen und Denkanstöße. „Ich bin stolz auf die Stadt“, sagt Kuhn, „wir konnten Akzente setzen und beispielsweise bei der Flüchtlingsdebatte zeigen, dass wir mit unserem Stuttgarter Weg richtig liegen.“ Die Strahlkraft dieser vielen Botschaften im Zusammenhang mit Stuttgart ist laut Kirchentags-Sprecher Stephan von Kolson groß. Der tägliche Pressespiegel, der die nationale Berichterstattung dokumentiert, hatte im Schnitt 170 Seiten.

smileyTouristik. „Der Kirchentag war ein Geschenk für Stuttgart“, sagt Oberbürgermeister Kuhn, „eine bessere Werbung kann sich die Stadt gar nicht wünschen.“ Viele Besucher hätten zu Kuhn gesagt: „Ich komme wieder.“ Auch von Kolson gesteht: „Vor dem Kirchentag wäre ich nie auf den Gedanken gekommen, Stuttgart zu besuchen.“ Jetzt ist er ein Liebhaber der Stadt: „Ich glaube, die Stuttgarter sind manchmal selbst blind für die Schönheit ihrer Stadt. In welcher Großstadt gibt es schon einen Weinberg direkt neben dem Bahnhof?

smileyProfit. Taxifahrer rieben sich die Hände, Gastronomen frohlockten. Dienstleister und Handeltreibende machten Kasse. „Fragen Sie doch mal bei den Einzelhändlern nach, ob sich der Kirchentag für sie gelohnt hat“, sagt Kuhn spitz und nimmt die Kritik der Piratenpartei auf. Die hatte den städtischen Zuschuss (2,5 Millionen Euro) kritisiert. Süffisant merkt Kuhn daher an: „Das Motto des Kirchentags hieß ja ,Damit wir klug werden‘ und nicht ,Damit wir reich werden‘. Eine große Stadt muss sich ein paar Sachen leisten, die von geistiger Bedeutung sind.“

smileyDas Christenbild. „Wir haben gezeigt, dass Glauben und Christsein dem einzelnen Leben, aber auch der Gesellschaft Orientierung geben kann“, sagt Regionalbischof Ulrich Mack. Dekan Klaus Käpplinger ergänzt: „Der Kirchentag war wie ein Jungbrunnen für die Stadt. Wir haben gezeigt, dass wir kein muffiger, verstaubter Haufen sind.“ Gleichzeitig haben die Christen aber ihr Klugheitsmotto mit Leben erfüllt. Ein Motto, das im Umkehrschluss auch von Filmheld Forrest Gump stammen könnte: „Dumm ist der, der Dummes tut.‘‘ Die Kirchentagsbesucher handelten dagegen klug. In der vollen Stadtbahn, bei der gegenseitigen Rücksichtnahme oder bei der Müllvermeidung. Auch wenn die Abfallwirtschaft (AWS) nicht bestätigen konnte, was viele bemerkten: Die 200 000 Besucher verursachten in fünf Tagen weniger Dreck als Besucher anderer Großveranstaltungen. Beispiel: Tag der Deutschen Einheit.

sadKein Zentrum. Der Kirchentag hatte kein geografisches Herz. Wasen, City, Stadtteile, Fellbach. Viele Besucher klagten, dass die Veranstaltungspausen nicht ausreichten, um rechtzeitig von A nach B zu kommen. Ein strategischer Mangel.

sadFehlplanungen. Einerseits spricht es für die gesellschaftliche Relevanz vieler Veranstaltungsthemen, anderseits hatte die Stabsstelle des Kirchentags oft kein Gespür für das Publikumsinteresse. Beispiel mit Grundsatzcharakter: Die Veranstaltung „Zen-Meditation“ war für knapp 30 Personen in einem kleinen Raum der Liederhalle ausgelegt. Am Ende kam über 300.