OA Krimmel mit Teilen seiner Postkartensammlung. Die hat er nach der Fertigstellung seines Buchs dem Stadtmuseum überlassen. Foto: Jan Michalski

Schon als kleiner Junge war der Gestalter OA Krimmel fasziniert vom Stuttgarter Fernsehturm. Die Faszination hat gehalten – und dazu geführt, dass er sich dem Wahrzeichen auch beruflich widmet.

Degerloch - Wer im Panorama-Café des Fernsehturms einen Aperol Spritz trinkt, kann von dem, was auf den Fensterscheiben aufgedruckt ist, etwas lernen: Wie viele Kilometer die chinesische Mauer entfernt ist, beispielsweise, oder, etwas näher dran, Ostfildern oder der Alb-aufstieg. Ebenfalls vermerkt ist: „i-d Büro, 3 km“. Wer sich nun fragt, was das ist, der kennt OA Krimmel nicht.

Krimmel ist Designer, studiert hat er an der Kunstakademie am Weißenhof. Mit seinem Grafikdesignbüro, eben jenes i-d Büro, zeichnet er für vieles Augenfällige in der Stadt verantwortlich, beispielsweise die Optik des Landesmuseums oder auch der Speisemeisterei in Hohenheim.

Und auch die des Fernsehturms: Schon vor der Schließung 2013 stammten die Namen der Gastronomien von ihm, Oben, Unten, Draußen. Er hat ein Buch über den Fernsehturm geschrieben. Ein Fan des Turms war schon der kleine Krimmel. Der große Krimmel ist es immer noch: Die Zeit der Schließung hat er genutzt. „Der Turm ist quasi mein missionarischer Auftrag“, sagt OA Krimmel. Die Schließung, sagt er, habe einen Mona-Lisa-Effekt bewirkt: „Die Mona Lisa war ja nicht immer das berühmteste Bild der Welt.“ Erst als sie 1911 von einem italienischen Handwerker gestohlen und zwei Jahre versteckt worden sei, erlangte das Bild seine heutige Berühmtheit. „Als die Mona Lisa in den Louvre zurückkam, begann der Riesenandrang.“ Ähnliches beobachtet Krimmel beim Fernsehturm: „Durch die Schließung war jeder gezwungen, eine Position zum Turm zu entwickeln“, sagt er. Das sei hauptsächlich eine positive gewesen: „Die Leute merken, dass ein Besuch sich immer wieder lohnt, nicht nur alle fünf Jahre mit Tante Paula.“ Meditatives Blick-Schweifen-Lassen nennt er das, und er macht es selbst gerne und oft.

Krimmel und sein Team haben die Optik des Turms generalüberholt, also Logos und Gestaltung von Gastronomie, Plattformen und Souvenirladen. Eine neue Reihe an Souvenirs und Postkarten haben sie entworfen, die neue Internetseite und die neue App fürs Smartphone. „Die Schließzeit hat sich so für uns ganz kurz angefühlt.“ Durch die vielfältigen Aufträge kennt er mittlerweile fast jede Ecke im Turm: er war in den Nebenräumen, im Technikgeschoss, sogar auf einer Leiter hoch über der oberen Aussichtsplattform.

Für Krimmel ist diese Vermischung von beruflichen Projekten und persönlichen Interessen nur logisch: Er geht mit offenen Augen durch Stuttgart, interessiert sich für die Stadt, ihre Geschichte, ihre Geheimnisse. Und dann hat er dazu Ideen, so viele, dass er sich jüngst einen beleuchteten Kugelschreiber gekauft hat, um auch nachts Stichworte notieren zu können – und dabei seine Frau nicht zu wecken. Stadtarchäologe hat er sich einmal selbst genannt.

Auch Krimmels neuestes Projekt beinhaltet den Fernsehturm. Im „Stuttgarter Postkartenbuch“ zeigt er seine Postkartensammlung und erzählt dazu spannende Anekdoten. „Postkarten sammele ich seit meiner Teenagerzeit“, erinnert er sich. Er habe schnell festgestellt, dass die viel interessanter waren als die Briefmarken, mit denen er begonnen hatte. „Jede Postkarte ist eine kleine Zeitreise“, erklärt Krimmel. „Die Leute haben damals mit einem ganz anderen Pathos geschrieben.“ Als er jüngst die Sammlung wieder hervorkramte, kam ihm die Idee zum Buch: „ Ich dachte, das ist lebendige Stadtgeschichte.“ Auch Karten vom Fernsehturm sind im Buch abgebildet, etwa eine aus dem Eröffnungsjahr 1956: „Der Turm, den du auf dem Bilde vorn siehst, ist zum Fernsehen“, informiert der Schreiber den Adressaten.

Mittlerweile hat OA Krimmel die Postkarten dem Stadtmuseum Stuttgart übergeben, ebenso seine Sammlung an Fernsehturm-Modellen: „Jetzt ist Platz für etwas Neues“, sagt er und lacht. Dass er schon Ideen im Kopf hat, daran besteht kein Zweifel.