Blumenkübel oder Sitzbänke haben auf dem Gehweg nichts verloren. Warum das so ist, erklärt Susanne Scherz vom Stuttgarter Ordnungsamt.
Stuttgart - Die Corona-Pandemie habe den Druck auf den öffentlichen Raum erhöht, sagt Susanne Scherz. Im Interview erklärt die Verkehrsexpertin, wie die Stadt dem begegnet.
Frau Scherz, die Menschen sollen ihr Trottoir kehren, aber sobald sie einen Stuhl vors Haus stellen, gibt’s ein Problem. Ist das nicht ungerecht?
Das ist nicht ungerecht, das ist eine Frage der Spielregeln. Der Gehweg heißt ja nicht umsonst Gehweg. Menschen müssen dort gehen können, und zwar alle Menschen, auch die mit Sehbehinderung, Rollator oder Doppelkinderwagen. Dafür ist er erst mal gemacht.
Es gibt also keine Ausnahmen?
Doch. Das Straßenrecht und die Straßenverkehrsordnung definieren diese. Dazu gehört etwa, dass Anwohner ihren Mülleimer bereitstellen, Räder oder E-Scooter auf dem Gehweg abgestellt werden dürfen, aber nicht behindernd.
Wenn ich einen Blumenkübel oder eine Sitzbank vors Haus stelle, tue ich da nicht was fürs Gemeinwesen?
Eventuell schon. Aber als Privatperson müssten Sie bei der Verkehrsbehörde nachfragen. Stand heute werden Sie das nicht genehmigt bekommen. Ein anderer Grundsatz lautet nämlich: gleiches Recht für alle. Soll heißen: Wenn wir Ihnen das erlauben, müssten wir das auch allen anderen erlauben. Bisher sind wir in Stuttgart der Meinung, dass unsere ohnehin nicht breiten Gehwege frei bleiben sollen.
Sie sagen „bisher“? Ist da was im Umbruch?
Wir können nicht ignorieren, dass durch Corona der Druck auf den öffentlichen Raum gestiegen ist. Ein Instrument, diesem Bedürfnis entgegenzukommen, sind Parklets.
Dem Namen nach keine schwäbische Erfindung.
Die Idee, solche Sitzgelegenheiten einzurichten, kommt aus San Francisco. Der Grundgedanke ist: Wenn ich eine Nachbarschaft fördern und Orte der Begegnung einrichten will, dann steht der Mehrwert der Allgemeinheit im Vordergrund. Dafür hat Stuttgart wohl als erste Stadt Deutschlands Regularien geschaffen. Bei den Parklets handelt es sich um eine zeitliche Sondernutzung, die aber nicht auf dem Gehweg, sondern auf einem Parkplatz stattfindet.
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Und an wen muss ich mich wenden, wenn ich ein Parklet beantragen will?
An die Verkehrsbehörde und den Bezirksbeirat. Aber zuerst sollten Sie sich die Spielregeln unter stuttgart.de anschauen. Ähnlich läuft es mit der Wanderbaumallee, eine um einen Baum angeordnete Sitzgelegenheit, die alle paar Wochen weiterzieht.
Diese Feldversuche finden auf der Straße statt. Der Gehweg bleibt tabu?
Das ist eine neue Fragestellung, die wir mit den Bezirksvorstehern diskutieren. Die sind am dichtesten dran. Dieses Gesprächsergebnis tragen wir in den Gemeinderat. Wichtig sind klare Spielregeln, an denen sich Bürgerinnen und Bürger orientieren können.
Zur Person
Die Verkehrsexpertin
Susanne Scherz hat Bauingenieurswesen in Wuppertal studiert. Seit 2015 ist sie Leiterin der Abteilung Straßenverkehr beim Amt für öffentliche Ordnung.