Auf dem leeren Grundstück vorne in der Schaftstraße 2 stand bis vor kurzem die Brandruine. In dem ockerfarbenen Haus brannte es 2020 ebenfalls. Foto: Corinna Meinke

Viereinhalb Jahre nach der Brandkatastrophe in der Nürtinger Schafstraße, bei der zwei Männer starben, stellt die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen überraschend ein.

Nach jahrelangen Auseinandersetzungen mit dem Eigentümer ist die einsturzgefährdete Brandruine in der Nürtinger Schafstraße 2, von der Lebensgefahr durch herabfallende Teile ausging, endlich abgerissen worden. Dieser Erfolg, den sich vor allem die Nürtinger Verwaltung im Kampf gegen den Schandfleck auf die Fahnen schreiben kann, wird allerdings von einer weitreichenden juristischen Entscheidung zur Brandkatastrophe vom ersten November 2020 überschattet, bei der zwei Menschen starben.

 

Denn das Verfahren wegen Brandstiftung hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart inzwischen „mangels Täterermittlung“ eingestellt. Das heißt, es konnte nicht geklärt werden, wer der oder die Verantwortliche für das verheerende Feuer in dem heruntergekommenen Gebäude ist, in dem vor dem Brand zahlreiche Menschen in teils sehr kleinen Räumen wohnten. Damit muss sich niemand für den Tod der beiden Bewohner verantworten, die bei der Brandkatastrophe ihr Leben lassen mussten.

Vorwürfe wegen Überbelegung und Mietwucher

Nach der Brandkatastrophe waren Vorwürfe unter anderem vom Deutschen Mieterbund laut geworden, wonach es in besagtem Haus eine Überbelegung, Mängel des Brandschutzes, defekte Elektroinstallation, Mietwucher, Ungezieferbefall und Vermüllung gegeben haben soll. In dem Haus und in dem Nachbargebäude Schafstraße 4, in dem es kurz darauf auch gebrannt hatte, haben offensichtlich bis zu 40 Menschen gewohnt. Nach den Bränden waren beide Häuser nicht mehr bewohnbar, und ehemaligen Mieter, von denen zahlreiche von staatlichen Transferleistungen lebten, wurden obdachlos. Im Fall vom Haus Schafstraße 4 wurden die Ermittlungen bald eingestellt.

Bis zum Abriss der Schafstraße 2 konnte der Gehweg jahrelang wegen Lebensgefahr durch herabfallende Teile nicht benutzt werden. Foto: Ines Rudel/Archiv

Die Eigentümerfamilie brachte nach der Katastrophe den Hauptmieter als Verantwortlichen ins Spiel, der für die Instandhaltung des Gebäudes Schafstraße 2 zuständig gewesen sein und die insgesamt 23 Zimmer einzeln an Bezieher von Wohngeld weitervermietet haben soll.

Die Staatsanwaltschaft verlangt nur eine Geldauflage vom Eigentümer

Vom Eigentümer verlangt die Justizbehörde nun lediglich die Zahlung einer Geldauflage im hohen vierstelligen Bereich an eine gemeinnützige Einrichtung. Wie konnte es dazu kommen?

Laut Staatsanwaltschaft „konzentrierten sich die Ermittlungen in den letzten Jahren auf die Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit hinsichtlich der beiden Todesopfer“. Damals waren ein 37-Jähriger und ein 53 Jahre alter Mann gestorben. Die Justizbehörde ermittelte in dieser Frage gegen den Eigentümer des Hauses, und der Verdacht lautete „fahrlässige Tötung“.

Brandstiftung war Ursache für das Feuer

Tatsächlich konnte ermittelt werden, dass dem Feuer „eine vorsätzliche oder fahrlässige Brandstiftung zugrunde liegen dürfte“, das teilte die Staatsanwaltschaft mit. Jahrelang war in der Sache ermittelt worden, es wurden zahlreiche Zeuginnen und Zeugen vernommen, und die Staatsanwaltschaft wartete lange Zeit auf das Gutachten eines Sachverständigen.

In dieser langen Zeit konnte die Justizbehörde aus ermittlungstaktischen Gründen keine Einzelheiten zum Gang der Ermittlungen mitteilen.

Waren fehlende Rauchmelder Grund für den Tod der beiden Bewohner?

Nun erklärte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft, im Fokus der Untersuchungen gegen den Gebäudeeigentümer habe die Frage gestanden, „ob das Fehlen von Rauchmeldern, was im Verantwortungsbereich des Gebäudeeigentümers liegt, für den Tod der beiden Personen ursächlich war“.

Diese fehlenden Rauchmelder dürften bei den Ermittlungen also schon deshalb von zentralem Interesse gewesen sein, da ein Gutachten laut Staatsanwaltschaft zu folgendem Schluss kommt: „Ein Mann verstarb im Schlaf an einer Rauchgasintoxikation, der zweite Mann verstarb entweder an einem Inhalationstrauma oder an einer Kombination aus einer Rauchgasintoxikation und einer bestehenden Vorerkrankung.“

Ermittlungen ohne konkretes Ergebnis

Trotzdem erklärt die Behörde: „Ob die fehlenden Rauchmelder ursächlich für den Tod waren, konnte im Rahmen der Ermittlungen bislang nicht geklärt werden.“

Weiter führt die Staatsanwaltschaft aus, es habe sich durch einen Sachverständigen auch vor dem Hintergrund, „dass das vorgeworfene Geschehen bereits über vier Jahre zurückliegt“, nicht klären lassen, „wie sich das Schadensbild bei ordnungsgemäß installierten Rauchmeldern dargestellt hätte“.

Das Verfahren wird eingestellt, da das Strafverfolgungsinteresse durch eine Geldzahlung laut Justiz beseitigt wird

Dies habe zur Einstellung des Verfahrens mit Zustimmung des Amtsgerichts Nürtingen geführt. Eine solche Einstellung komme „in solchen Fällen in Betracht, in denen das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung durch die Auflage beseitigt werden kann und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht“.

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Und übrigens: „Wenn ein Beschuldigter in einem solchen Fall die Auflage erfüllt, bedeutet dies nicht automatisch, dass er den Tatvorwurf einräumt“. Beweggründe könnten demnach auch „prozesstaktische verfahrensökonomische Gründe sein“. Und die Unschuldsvermutung gelte bei einer Einstellung fort und bewirke „daher auch keine Eintragung im Bundeszentralregister“. Dieses Register enthält die Namen von Personen, die nach einer Straftat rechtskräftig verurteilt sind, und wird von Justiz- und Polizeibehörden genutzt, um die Vorstrafen einer Person zu prüfen.

Großer Ermittlungsdruck

Ermittlungen
Nach dem Brand übernahm eine Ermittlungsgruppe der Polizei die Arbeit. Damals waren zunächst 19 Beamte im Einsatz, was als Indiz gewertet wurde, dass nicht nur nach der Brandursache geforscht wird, sondern auch der Zustand und die Belegung des Hauses Gegenstand der Ermittlungen waren. Das bestätigte die Polizei damals.

Kommune
Nach Kritik an der Nürtinger Stadtverwaltung erklärte diese damals, sie habe keine „rechtliche Handhabe, bei Missständen im privatrechtlichen Bereich einzugreifen“. Der Oberbürgermeister Johannes Fridrich hatte daraufhin nach dem Vorbild anderer Bundesländer ein Wohnungsaufsichtsgesetz für Baden-Württemberg gefordert.