Ein blaues Herz an der Steinengrabenstraße erinnert nach der Bluttat an das 27-jährige Opfer. Foto: 7aktuell.de/Daniel Jüptner

Im „Nürtinger Hurensöhne“-Prozess schwächt die Anklage den Tatvorwurf auf schwere Körperverletzung ab.

Nürtingen/Stuttgart - Bisher ist immer von versuchtem Mord die Rede gewesen. Doch am Donnerstag hat im Messerstecher-Prozess am Landgericht in Stuttgart die Staatsanwältin den ursprünglichen Tatvorwurf abgeschwächt. Ihrem Antrag zufolge soll der 19-jährige Angeklagte, der am vergangenen 4. Juli in Nürtingen einen 27-Jährigen mit einem Messerstich in den Rücken schwer verletzt hat, wegen schwerer Körperverletzung für vier Jahre ins Gefängnis. Dabei findet das Jugendstrafrecht Anwendung.

Die Angeklagten haben von ihrem Opfer abgelassen

Zwar habe der 19-Jährige mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt, also den möglichen Tod des 27-Jährigen in Kauf genommen. Allerdings hätten er und seine vier Mitangeklagten nach dem Stich und Tritten von ihrem Opfer abgelassen. Dies legte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer zugunsten der Angeklagten als Rücktritt vom Mordversuch aus.

Ebenfalls zunächst wegen versuchten Mordes angeklagt war ein 17-Jähriger, der zugegeben hat, den Schwerverletzten noch gegen das Bein getreten zu haben. Weitere Tritte, die ihm zur Last gelegt werden, bestreitet er allerdings. In ihrem Plädoyer forderte die Staatsanwältin für ihn eine Jugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Der 16-Jährige, der dem 19-Jährigen sein Messer gegeben hatte, soll zwei Jahre und neun Monate bekommen. Die beiden anderen, jeweils 15-Jahre alten Angeklagten, „sind eher Mitläufer gewesen“, so die Anklägerin. Beide sollen zwei Wochen Arrest antreten und einen sozialen Trainingskurs besuchen.

Ein Songtitel ist missverstanden worden

Die Vertreterin der Anklage verdeutlichte noch einmal die Folgen der Tat für das Opfer: „Da ist binnen Sekunden ein Leben auf den Kopf gestellt worden.“ Die Angeklagten hatten sich vom T-Shirt des 27-Jährigen mit dem Schriftzug „Nürtinger Hurensöhne“ provoziert gefühlt. Dabei handelt es sich um einen Song der Punkband Roidige Hunde, in welcher der 27-Jährige spielte.

Die Angeklagten erkannten die beabsichtigte Selbstironie hinter diesem Titel nicht. Warum die Angeklagten am 4. Juli den Nürtinger nicht einfach auf sein T-Shirt ansprachen, sondern ihn verfolgten und der 19-Jährige gegen 17.40 Uhr dem ihm völlig unbekannten Mann das Messer in den unteren Rückenbereich stieß, bleibt offen. „Ich verstehe es bis heute nicht“, sagte die Staatsanwältin.

Der 27-Jährige leidet schwer unter den Folgen der Tat

„Mein Mandant wurde ohne jede Vorwarnung überfallen und brutal misshandelt“, erklärte die Vertreterin der Nebenklage. „Er möchte sein altes Leben zurück. Das ist aber nicht so schnell erreichbar.“ Der 27-Jährige leidet bis heute vor allem psychisch schwer unter den Folgen der Tat.

Der Verteidiger des 19-Jährigen bestritt einen Tötungsvorsatz seines Mandanten. Dieser sei sich „nicht bewusst gewesen, welch gefährliche Handlung er vornahm“. Nach Einschätzung des Rechtsanwalts wäre eine Haftstrafe von vier Jahren zu hoch gegriffen. Die Verteidiger des 17-Jährigen und des 16-Jährigen halten Jugendstrafen, die zur Bewährung ausgesetzt werden, für ihre Mandanten für angemessen.

Der 27-Jährige kann die Entschuldigung nicht annehmen

Die fünf Angeklagten nutzten die Gelegenheit, um sich noch einmal für die Tat zu entschuldigen. Der 27-Jährige hat indessen erklärt, dass er die Entschuldigung nicht annehmen kann. Das Urteil wird an diesem Mittwoch gesprochen.