Kinder der Anna-Haag-Schule säen eine Blühmischung aus. Foto: Ines Rudel

Nürtingen wird eine von zwei Modellkommunen im landesweiten Biotopverbund.

Nürtingen - Die Zahlen, die der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller am Freitag in Nürtingen genannt hat, schrecken auf. Laut der vor zwei Jahren veröffentlichten Krefelder Studie ist das Aufkommen der Fluginsekten um bis zu 80 Prozent zurückgegangen. Der Verlust von Schmetterlingen, Bienen Schwebfliegen und anderen Insekten wirkt sich auf die Vogelwelt und auf das gesamte Ökosystem aus. Während die Situation in den Wäldern besser ist, sei bei den im Offenland lebenden Vögeln ein Minus von 56 Prozent zu verzeichnen.

„Trittsteinbiotope“ sollen Lebensräume bieten

Dieser Entwicklung entgegenwirken möchte der BUND mit dem vom Land unterstützten Modellprojekt Biotopverbund Offenland. Konkret wird dieses jetzt in Nürtingen, das neben Stockach (Kreis Konstanz) eine von zwei Modellkommunen im Land ist. Das Ziel ist die Schaffung eines Verbundsystems aus „Trittsteinbiotopen“, das Tier- und Pflanzenarten Lebensräume zur Verfügung stellt und der genetischen Verarmung vorbeugen soll. Rund 40 Prozent der Tier- und Pflanzenarten, sagte die BUND-Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender bei der Vorstellung des Projekts, sind gefährdet.

Auf der Galgenberg-Hochfläche in Nürtingen-Neckarhausen werden auf einem Hektar mehrjährige Blühstreifen und -flächen eingesät. Die 50 verschiedenen Pflanzenarten in der regionalen Honigmischung sollen durch einen lang anhaltenden Blühzeitraum während der gesamten Insektensaison Pollen und Nektar bieten. Der Aufwuchs bleibt auch im Winterstehen, sodass die Flächen ganzjährig auch Rückzugsräume für Feldlerche, Rebhuhn oder Feldhase darstellen.

Artenschutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe

Die Fläche stellt Uli Schaber von der gleichnamigen Alpakafarm zur Verfügung, wofür ihm Franz Untersteller und Brigitte Dahlbender dankten. „Biotopverbund ist eine Querschnittsaufgabe“, sagte die Landesvorsitzende und appellierte an Kommunen, Landkreise, Verbände und Ehrenamtlichen, an einem Strang zu ziehen. Franz Untersteller bemerkte, dass auch immer mehr Landwirte ein Bewusstsein für den Wert der Biodiversität an den Tag legen. Ihnen komme eine Schlüsselrolle zu, da sie 45 Prozent der gesamten Fläche in Baden-Württemberg bewirtschaften.

Der Minister und die BUND-Vorsitzende hoffen, dass von Nürtingen und Stockach aus „eine Initialzündung“ ausgeht. Beide Städte sollten möglichst viele Nachahmer finden. Nürtingen wurde ausgesucht, so der BUND, weil es „auf einer überregional bis international bedeutsamen Verbundachse“ liege, die von Südwesten nach Nordosten entlang des Albvorlandes verläuft. So trage die Stadt Nürtingen „eine besondere Schutzverantwortung für FFH-Mähwiesen und Streuobstgebiete“. Zudem verfügte Nürtingen bereits über einen Biodiversitäts-Check über schützenswerte Tiere auf ihrer Markung.

Nürtingen und Stockach sollen exemplarisch sein

Die Blühflächen auf der Alpaka-Farm sind nicht die einzige Biotop-Maßnahme in Nürtingen. So wurde am Humpfenbach eine Wiese wieder vernässt, auf der sich nun die Sumpfschnecke wohl fühlt. Und in Oberensingen wird aktuell die Sanierung eines größeren Trockenmauergebiets vorbereitet. Die Wiedervernetzung und Sicherung von Lebensräumen sei wichtig, so der Nürtinger Technische Beigeordnete, Andreas Neureuther: „Wir wollen einen Beitrag dazu leisten und regen auch andere Kommunen dazu an, Flächenkäufe oder Ausgleichsmaßnahmen im Sinn eines landesweiten Biotopverbunds zu realisieren.“